Regierung will einen Bundes-Etat einführen
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MARKETING & MEDIA Dinko Fejzuli & Laura Schott 27.11.2020

Regierung will einen Bundes-Etat einführen

Türkis-Grün schreibt Kommunikationsmaßnahmen über gut 210 Mio. € erstmals in klassischen Pitches aus.

••• Von Dinko Fejzuli und Laura Schott

Derzeit herrscht große Aufregung in der heimischen Werbe- und Kommunikationsbranche. Grund dafür sind zwei von der Bundesbeschaffungsbehörde ausgeschriebene Etats. Zum einen ein Media-Rahmen-Etat in der Höhe von 180 Millionen und ein Kreativ-Etat für 30 Mio. € – jeweils bis 2024.

Ein erster Rundruf in der Branche zeigt, dass die Idee, die Kommunikationsmaßnahmen zu bündeln und zentral zu koordinieren, statt dass jedes Ministerium seine eigene Kampagnensuppe kocht, begrüßt wird. Doch hört man genauer hin, wird sowohl beim Media- als auch Kreations-Etat Kritik laut. Das Problem: Viele der von medianet angesprochenen Agentur-Chefinnen und Chefs zeigen sich kritisch, wollen aber nicht zitiert werden.
Durchaus begrüßt wird aber die Idee, die Kommunikationsmaßnahmen zu bündeln und künftig besser abzustimmen.

Bessere Koordination

Bei der Summe sind sich manne nicht sicher, was sie davon halten sollen und wenn sie eine Meinung dazu haben, dann wollen etliche damit nicht in der Zeitung zitiert werden.

Kein Problem damit hat der ehemalige DM&B-Werber Harry Bergmann, nun als Autor und Berater tätig: Gegenüber medianet meint Bergmann: „Die Summen, um die es hier geht, sind schon bar jeder Normalität, und diese dann auch noch zu kommunizieren, ist bar jeglicher Intelligenz.”
Manche sehen die Sache durchaus auch positiv, vor allem, dass man jetzt versucht, die Kommunikation der Regierung bzw. der Ministerien besser zu koordinieren.
So etwa auch für Joe Kalina, Managing Director und Eigentümer der Unique Relations und PR-Berater diverser roter Kanzler, für den es „Sinn macht, wenn die Bundesregierung gemeinsam kommuniziert. Das Bündeln der Kräfte ist klug”, so der Kommunikationsexperte.
Kalina merkt aber auch an, dass, nachdem der Etat an zwei bis drei am Ende siegreiche Agenturen gegangen ist, für alle anderen für vier Jahre keine Aufträge aus von Regierung und Ministerien kommen würde, womit es für manche Agenturen wirtschaftlich schwierig werden könnte.

Viele Fragen bleiben offen

Dieser Ansicht ist auch Heimo Hammer, Inhaber und Geschäftsführer der Agentur kraftwerk: „Ein Negativeffekt dieses Konzentration auf einige wenige Agenturen ist natürlich, dass dann jene Agenturen, die den Auftrag nicht bekommen haben, für die nächsten vier Jahre auch keine Chance haben, einen zu bekommen.” Hammer spricht vor allem auch für jene Agenturen, die die bislang an öffentlichen Teilausschreibungen teilgenommen haben, etwa für Ministerien.

Für Hammer tun sich außerdem eine Reihe von Fragen auf, die man sich stellen müsse, etwa danach, was die Regierung mit der Ausschreibung dieser beiden riesigen Etats bezweckt: Will man schlichtweg eine einheitliche, stringente Kommunikation umsetzen? Möchte man sich Kosten und Mühen der Vielzahl einzelner Vergabeprozesse sparen, zu denen es in den nächsten vier Jahren kommen würde? Wer trifft die Entscheidung, welche Agenturen genommen werden – und wovon hängt diese Entscheidung letzten Endes ab?

Von Staub und Substanz

IAA-Präsident und IP Österreich-Geschäftsführer Walter Zinggl fällt es derzeit noch schwer, „den Staub von der Subs­tanz zu trennen”, denn auf der einen Seite spreche man von PR, schreibe aber in die Ausschreibung für die 30 Millionen dann u.a. Kreations-, Strategie- und Produktionsleistungen aus. Das zeige, so Zinggl, dass Kommunikation in einer professionellen Art für die österreichische Bundesregierung ein „Orchideenthema” zu sein scheint, auch, weil es den Anschein erwecke, dass man offensichtlich nicht wisse, was Kommunikationsleistungen kosten würden.

Grundsätzlich begrüßt Zinggl aber das Ansinnen der Regierung, für den Fall der Fälle, wie etwa die derzeit präsente Pandemie, gerüstet zu sein und sich dafür vorzubereiten. Nur, so Zinggl: „Von hoher Professionalität ist man aber in diesem Prozess doch relativ weit entfernt”, so der IAA-Präsident gegenüber medianet.
Auch Irene Sagmeister, geschäftsführende Gesellschafterin der Agentur We Love\TBWA, findet an der Idee der Ausschreibung grundsätzlich nichts auszusetzen, kritisiert aber das zur Verfügung gestellte Briefing. „Wer nur diese paar Seiten zur Verfügung hat und über kein sonstiges Insiderwissen verfügt, findet im vorliegenden Papier nicht die nötigen Informationen, um die Aufgabe seriös lösen zu können. Schließlich geht es um ein auf mehrere Jahre und für viele Themen tragfähiges Konzept für die gesamte Arbeit der Bundesregierung.” Das sei „schade” und eine „vertane Chance”, so Sagmeister. Man habe sich deshalb auch entschlossen, am Pitch als Agentur nicht teilzunehmen.
Jana David Wiedemann, CEO der PKP BBDO, meint auf den Kommunikations-Etat angesprochen, und wie dieser für ihre Agentur interessant sei: „Wir verfolgen alle die Ausschreibung mit großem Interesse. Wir arbeiten gerne für öffentliche Anliegen, für Österreich, für Europa und weltweit. Für uns als Agentur ist ein sehr tiefes Verständnis für Zielgruppen, Individuen und Bürger wichtig – um die Menschen geht es. Werbung und Kommunikation ist nicht nur für die Augen, sondern für Kopf und Herz. Dies ist sicher auch für die politische Kommunikation relevant.”

Kritik von der Opposition

Seitens der Opposition hagelt es übrigens heftige Kritik. So meint Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter: „Bei den Summen, die hier im Spiel sind, wird einem langsam schwindlig. Hier versucht eine Regierung, mit PR im Hintergrund und Propaganda im Vordergrund zu regieren.”

180 Mio. Euro Media-Etat

Neben dem Kommunikations-Etat von 30 Mio. läuft derzeit auch eine Ausschreibung für einen Media-Etat der Bundesregierung mit einem Rahmenvolumen von 180 Mio. € für die kommenden vier Jahre.

Bereits im Sommer diesen Jahres wurde ebenfalls ein Rahmenvertrag über 25 Mio. € mit gleicher Beschreibung vergeben, und zwar an die drei Agenturen Wavemaker, MediaCom und die UM PanMedia.
Die Wavemaker selbst zeichnet bereits für die aktuell laufende Corona-Infokampagne „Schau auf dich, schau auf mich. So schützen wir uns”, verantwortlich. Von medianet auf die Frage, ob man auch bei diesem Pitch mitmachen werde, angesprochen, meint CEO Silke Übele: „Wir haben bewiesen, komplexen Aufgabenstellungen gewachsen zu sein.”

Inhaltliche Verantwortung

Angesprochen auf den Riesen-Media-Etat, meint Mediaplus-Geschäftsführer und Miteigentümer Ronald Hochmayer gegenüber medianet: „Große Ausschreibungen in der Kommunikationsbranche werden immer von Nebengeräuschen und Vorab-Verdächtigungen begleitet. Das ist Part of the Game. In meiner Erfahrung wird der formale Prozess durch die Begleitung einer Kanzlei oder Pitchberatung besser, die inhaltlichen Anforderungen und Bedürfnisse müssen aber vom Kunden definiert werden. Da sind viele Berater, v.a. One-Man-Alles-Wisser, maßlos überfordert, weil sie die Möglichkeiten moderner Kommunikation gar nicht mehr überblicken. Deshalb sollte die inhaltliche Verantwortung bei einer Ausschreibung nicht an ein externes Unternehmen ausgelagert werden. Dafür braucht man aber auch den Mut, öffentlichen Gegenwind auszuhalten.”

Grauzone Auswahlkriterien

Für Rumoren sorgt auch der ein oder andere inhaltliche Aspekt der Ausschreibungen selbst – insbesondere jener für den Kreativ-Etat, lässt unter anderem Michael Göls, Geschäftsführer Havas Media, anklingen: „Wir schauen uns momentan die Ausschreibungsbedingungen sehr genau an. Die Media-Ausschreibung liest sich klar und eine ähnliche haben wir im März schon einmal mitgemacht. Die andere Ausschreibung ‚PR/Kreativ' enthält ein paar Bestandteile, die wir prüfen wollen.”

Ein ebensolcher Bestandteil der Ausschreibung für den Kreativetat stellt die darin geforderte fünfseitige Ausarbeitung dar, in deren Rahmen die Bewerber bereits im Teilnahmewettbewerb, also noch vor der Angebotslegung, strategische Überlegungen für die Umsetzung der Regierungskommunikation präsentieren sollen. Fraglich ist diese Anforderung deshalb, weil sie den gesetzlichen Rahmen, der definiert, was Auswahlkriterien für die Teilnahme an einem Vergabeprozess sein dürfen, überschreiten könnte. Diese müssen gemäß § 2 Ziffer 22 lit a) des Bundesvergabegesetzes nämlich unternehmensbezogen sein und dürfen nicht das konkrete Angebot betreffen, also angebotsbezogen sein.

Fachliche Qualifikation

Für Karlheinz Moick, Partner bei der auf Vergaberecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei FSM Rechtsanwälte, fällt die Frage, ob das fünfseitige Strategiepapier bereits im ersten Schritt der Ausschreibung verlangt und zur Beurteilung der Eignung der Bieter herangezogen werden darf, in eine Grauzone. Denn der Auftraggeber könne durchaus argumentieren, dass die Vorlage eines solchen Strategiepapiers lediglich dazu diene, diesem ein Bild über die fachliche Qualifikation des Bieters zu geben: „Ob diese fünfseitige Ausarbeitung Angebots- oder Unternehmensbezug hat, ist in diesem konkreten Fall Interpretationssache.”

Es ginge auch anders

Moick sieht die Entscheidung, das Strategiepapier neben den restlichen Anforderungen als Auswahlgrundlage hinzuzuziehen, in Hinblick auf die rechtliche Absicherung zwar als eher gewagten Schritt an, bewertet diesen jedoch nicht ausschließlich negativ. Denn sowohl für die Bieter als auch für den Auftraggeber ist es wichtig, anhand der Auswahlkriterien jene Gruppe an Bewerbern herauszufiltern, die tatsächlich gut für eine Angebotslegung geeignet ist.

Die Folge sei eine Aufwandschonung auf Bieter- wie auf Auftraggeberseite. Aber: „Aus unserer Sicht gibt es für die Teilnahmephase durchaus auch andere, rechtlich weniger riskante Kriterien, die herangezogen werden können.” Als Beispiel nennt Moick etwa Arbeitsproben, die zeigen, wie Probleme in der Vergangenheit gelöst wurden und außerdem Auskunft über kreative Ansätze der jeweiligen Agenturen geben.
Abschließend bleibt wohl die spannende Frage, welche Agenturen als Bieter in das Rennen um die doch sehr attraktiven Etats gehen werden und wer schließlich den Zuschlag erhält.

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