••• Von Dinko Fejzuli/Elisabeth Schmoller-Schmidbauer
Seit Jänner 2024 leiten Sebastian Prokop (Newsteam), Gabriele Waldner (Multimediale Fachressorts) und Johannes Bruckenberger (Sendungs- und Plattformteams) mit ihren jeweiligen Stellvertreterinnen und Stellvertretern Inka Pieh, Christian Braun-Staudinger und Eva Karabeg den neu organisierten ORF-Newsroom.
Im ersten Bilanzinterview gaben Waldner, Bruckenberger und Prokop einen Einblick in das neue Arbeiten. Das einstweilige Fazit: „Die ersten Wochen waren turbulent, die Herausforderung ist groß, und manchmal haben wir alle drei das Gefühl, dass wir rund um die Uhr arbeiten”, so Waldner gegenüber medianet.
Klare Strukturen
Gefragt nach der neuen Aufteilung mit den drei Säulen, die für Außenstehende manchmal nicht ganz verständlich wirkt, meint sie: „Die Struktur ist leicht erklärt. Johannes Bruckenberger ist für alles Lange und Hintergründige im linearen Bereich zuständig, also von den Ö1-Journalen, über die ‚ZiB'-Sendungen bis hin zu den Debattenformaten, Sebastian Prokop im Großen und Ganzen für alles, was quasi kurz und Breaking ist, sprich die kurzen stündlichen Nachrichten, die ‚ZiB-Flashes' und die Blaue Seite – und ich für alles, was man heute neudeutsch so schön Content nennt; sprich für alle Ressorts von Inland, über Ausland, Chronik, Wirtschaft, Wetter bis hin zu den Korrespondenten.”
Die von manchen geäußerte Befürchtung, dass es durch die Konzentration der Content-Produktion auch zu einer Verengung der Berichterstattung kommen könnte, wenn also künftig nur mehr ein Redakteur zu einem Pressetermin geht und Material für weitere Kolleginnen und Kollegen bzw. Ressorts mitnimmt, bestätigt Waldner nicht: „Diese Befürchtung kennen wir, wir teilen sie aber nicht und arbeiten auch dagegen an, denn wir erhalten selbstverständlich die Pluralität auch weiterhin. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir eine riesige News-Maschine sind und eine gewaltige Wucht entfalten können.”
Vielfalt gesichert
Vielfalt ergebe sich allein schon aus den verschiedenen Formaten und Längen. „Ein einstündiges Mittagsjournal benötigt eben mehr Beiträge als eine ‚ZiB' am Abend”, so die Chefredakteurin. „Die neue Struktur zwingt uns dazu, noch vernetzter zu arbeiten, und es gibt ein System der Checks and Balances, das verhindert, dass nur einer Chef von 360 Journalistinnen und 130 Formaten ist.” Bruckenberger ergänzt: „Das ist ein modernes, innovatives, multimediales Konzept für einen integrierten Newsroom, das auf der einen Seite dazu führt, dass wir uns besser aufteilen und auf der anderen Seite noch besser zusammenarbeiten können, um für unser Publikum den bestmöglichen Journalismus produzieren und liefern zu können – und um das bestmögliche Programm zu machen für die verschiedenen Sendungen, Kanäle und Formate”.
Diese Zusammenarbeite laufe sehr gut, so Bruckenberger. Man sei mitten in einem Veränderungsprozess, aber wenn man vergleiche, wie lange etwa manche Zeitungen benötigt hätten, um Print und Online zu verschränken, dann sei man im neun ORF-Newsroom „mit einem Höllentempo unterwegs”.
Wobei, so Prokop, es dieses multimediale Arbeiten auch schon bisher im ORF gegeben habe, etwa, wenn man sich die Tätigkeit der Korrespondenten ansieht. Diese seien schon immer multimedial unterwegs gewesen. „Sie sind geradezu Role Models, wenn es um dieses Thema geht”, so Prokop. Auch die Kolleginnen und Kollegen im Haus hätten ja auch schon bisher in den Fachressorts, aber auch im Nachrichtenbereich, für die verschiedenen Medien Content geliefert.
Mitarbeiter motivieren
Die eigene Aufgabe als Chefredakteur sieht Prokop darin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren, ihnen Möglichkeiten zur Verfügung zur stellen, Neues zu lernen. Aber selbstverständlich soll es auch weiterhin die Möglichkeit geben, sein Expertentum in einer Nische weiter ausbauen zu können.
„Ziel ist es, dass alle alles können, aber es muss nicht zwangsläufig jeder alles tun”, so Waldner. „Ist jemand ein fantastischer Fernsehgestalter und hat keine Radiostimme, dann muss er ja nicht zwangsläufig jetzt Radio machen. Das wäre nicht sinnvoll.” Aber: „Wir schicken niemand mehr auf eine Dienstreise, der nicht für mehrere Mediengattungen etwas mitbringt.” All das tue man schlussendlich, um möglichst viele Menschen auf möglichst vielen Kanälen mit ORF-Content zu versorgen – und dazu gehörten neben den klassischen Kanälen selbstverständlich auch Angebote wie Social Media.
Auch auf YouTube & Co
Die Kritik, dass man den mit Gebühren finanzierten Content auch Plattformen wie YouTube quasi „schenke”, teilen die drei nicht.
Prokop dazu: „Für uns zählt mehr, dass wir alle Zielgruppen erreichen und mit unserem öffentlich-rechtlichen Qualitätscontent ein Angebot machen. Wir akzeptieren, dass die Menschen selbst entscheiden, auf welchen Kanal und welche Plattformen sie gehen. Und genau dorthin gehen auch wir, um sie mit unseren Informationen versorgen zu können. Wir haben hier etwa sehr positive Beispiele wie die ‚ZiB TikTok'. Dort sind mir mit der ‚Zeit im Bild' in einer sehr jungen Bevölkerungsgruppe sehr erfolgreich präsent, die wir über lineares Fernsehen nie erreichen würden. Dort können wir auch die Marke, die eine starke Informationsmarke ist, etablieren und in weiterer Folge eventuell dieses Publikum dann über andere Kanäle weiter begleiten, vielleicht bis hin zum linearen Fernsehen zurück.”
Das alles tue man mit einem „Wertekatalog”, ergänzt Bruckenberger, der folgendermaßen laute: „Wir liefern unabhängigen, objektiven, faktenbasierten, kritischen Journalismus und sind so Dienstleister für unser Publikum: ORF für alle, also auch in der Information. Und wir sind auch Dienstleister an der Demokratie, weil wir mit dieser Information auch auf jenen Kanälen präsent sind, die sonst aufgrund diverser Algorithmen von Desinformation geprägt sind.”
Junges Publikum
Gerade wenn es um jene Bevölkerungsgruppen geht, die zunehmend in diverse Kanäle wie Telegram und Co. abdriften, unternehme man besondere Anstrengungen, um auch diesen Menschen etwas anzubieten: „Wir gehen nach dem Prinzip vor: Wir geben niemanden auf, wir lassen niemanden zurück und wir schauen uns auch an, was die Inhalte sein könnten, von denen wir ihnen möglicherweise zu wenig anbieten oder nicht auf dem richtigen Kanal.”
Gefragt, wann für sie persönlich das neue Modell als Erfolg gelten werde, meint Waldner: „Für mich ist es dann gelungen, wenn man uns einerseits draußen als die journalistischen Dienstleister wahrnimmt, die das Publikum zur Teilnahme am demokratischen Diskurs ermächtigen, und wenn nach innen der Newsroom für alle, die darin arbeiten, auch eine eigene Identität entwickelt.”
Enge Zusammenarbeit
Für Prokop ist die neue Struktur „schon jetzt ein Erfolgsmodell, weil ich unter anderem auch die Zusammenarbeit von uns drei als konstruktiv erlebe. Wir arbeiten gut und eng zusammen und haben schon viel umgesetzt, aber es liegen, auch mit dem Superwahljahr, viele Dinge noch vor uns.”
Und für Johannes Bruckenberger, der ja anders als Waldner und Prokop nicht aus dem Haus stammt, sondern aus der APA-Chefredaktion zum ORF gestoßen ist, sieht die aktuelle Situation insgesamt als einen „permanenten digitalen Transformationsprozess. Der hört nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt auf. Wir begleiten ihn nur, und wenn wir alle irgendwann den ORF schon längst verlassen haben, dann wird er weitergehen, nur eben mit anderen Kolleginnen und Kollegen.”
Harte Arbeit
Und gefragt nach seiner ganz persönlichen Bilanz als ORF-Neuling, meint Bruckenberger leicht schmunzelnd: „Also mit dem, was ich tue, habe ich hier viel mehr Arbeit. Es sind aber auch 33 Sendungen, für die ich hier zuständig bin und um die man sich kümmern muss. Aber es läuft gut. Es ist harte Arbeit. Aber harte Arbeit hat mich noch nie abgeschreckt. Es macht Spaß, und ich bin überzeugt davon, dass ein wahnsinnig ereignisreiches Jahr vor uns liegt.”