••• Von Laura Schott
Wir müssen jetzt gehen, es fängt glei’ unser Sendung an”, sagt das ältere Paar zur Kellnerin, bezahlt und verlässt das Heurigenlokal. Es ist kurz vor 16 Uhr und „unser Sendung”, das ist die Barbara Karlich Show. Seit 20 Jahren ist sie ein wochentäglicher Fixpunkt vieler Österreicher und damit die am längsten bestehende Talkshow im deutschsprachigen Raum.
Dass das Erfolgsformat des ORF vergangenen Mittwoch die Jubiläumsshow als seine dreitausendachthundertunderste Sendung ausgestrahlt hat, ist vor allem – wer hätte es gedacht – einer Person zu verdanken: Barbara Karlich selbst.
Freude bringt die Karlich-Show nicht nur ihrem Publikum und dem ORF, sondern auch dem „burgenländischen Moderationsgold”, wie Christoph Grissemann Barbara Karlich in der Jubiläumsshow ankündigt, selbst – auch noch nach so langer Zeit.
Wie sich die Karlich Show seit ihrer Erstausstrahlung am 27. Oktober 1999 verändert hat, welche Aufgabe Barbara Karlich in ihr für die Gesellschaft sieht und wieso sich ihr Job gar nicht so sehr von anderen unterscheidet, erzählt Barbara Karlich im Interview.
medianet: Frau Karlich, die Barbara Karlich Show gibt es nun seit 20 Jahren – eine lange Zeit, um eine Sendung zu moderieren. Gab es in all den Jahren einmal einen Moment, in dem Sie gern einmal etwas anderes gemacht hätten?
Barbara Karlich: Es ist ja nicht so, dass ich nur die Karlich Show gemacht habe. Ich habe zum Beispiel auch die Kinder für ‚Licht ins Dunkel'-Gala moderiert, ich habe sehr erfolgreich zuerst mit Armin Assinger und dann mit Norbert Oberhauser ‚9 Plätze – 9 Schätze' gemacht. Ich habe nebenbei Theater gespielt und ein Buch geschrieben.
Aber – und das finde ich sehr lustig – diese Frage wird mir immer wieder gestellt. Und ich sage dann immer: Den Zahnarzt fragt man doch auch nicht ‚Magst du nicht lieber etwas anderes machen?' Ich liebe meinen Job. Und die Themen haben sich über all die Jahre auch an die Gesellschaft angepasst. Es ist also nicht so, dass ich jeden Tag dasselbe mache. Im Gegenteil. Ich sehe die Karlich-Show wirklich als Lebensschule. Meine Lebensschule. Weil ich so viel gelernt habe. Und sie ist für mich großes Kino – immer noch.
medianet: Laut einer Umfrage des ORF schauen neun von zehn Leuten die Barbara Karlich Show wegen Ihnen. Sie ist schließlich auch nicht irgendeine Show, die Sie moderieren, sondern eben die Barbara Karlich Show. Wir alle schlüpfen in unterschiedlichen Lebensbereichen irgendwo in Rollen, besonders im Job. Was macht es mit einem, wenn man 20 Jahre lang sozusagen ein bisschen sich selbst spielen muss, um den Erwartungen der Zuseher gerecht zu werden?
Karlich: Auch hier kann ich wieder das Gegenbeispiel mit dem Zahnarzt bringen. Der müsste ja dann auch in eine Rolle schlüpfen. Ich schlüpfe in keine Rolle. Ich bin ziemlich so wie ich bin in der Karlich Show. Natürlich muss ich schöner sprechen, ich bin hübsch gekleidet und geschminkt. Aber wenn Gäste mich dann hin und wieder einmal privat treffen, sagen sie oft: ‚Du bist ja wie in der Show.' Ja – es bin ja auch ich. Und auch, wenn ich mich einmal selbst im Fernsehen sehe, dann denke ich mir immer, dass ich die Fragen in dem Moment genau so stellen würde. Würde ich eine Rolle spielen, dann würde ich auch andere Fragen stellen. Im Theater spiele ich Rollen, aber die Karlich, die Moderatorin – das bin ich.
medianet: Der Vergleich mit dem Zahnarzt ist nachvollziehbar. Dennoch geht es bei Ihrem Beruf vielleicht doch mehr um Ihre Persönlichkeit.
Karlich: Ich schlüpfe natürlich in die Rolle der Talkmasterin. Es gibt verschiedene Meinungen, die ich miteinander verknüpfe und so versuche, das Gespräch zu führen. Diese Rolle spiele ich natürlich. Aber ich persönlich bin dabei ich.
medianet: In der Karlich Show werden unter anderem durchaus polarisierende Themen besprochen, zu denen Sie wahrscheinlich auch eine starke eigene Meinung haben. Ist es manchmal schwer, in dieser Rolle als Talkmasterin zu bleiben und mit seiner eigenen Meinung hinter dem Berg zu halten?
Karlich: Das ist nicht schwer, nein. Meine Meinung zählt nicht. Mich interessiert vor allem, warum jemand zu einer bestimmten Meinung gekommen ist: Was ist im Leben von diesem Menschen vorgegangen, dass er diese und jene Meinung hat? Klar, ich kann Fragen schon so stellen, dass ich dann eine Antwort bekomme, die mir gefällt – aber das ist auch nicht in meinem Interesse. Du bist dann ein guter Journalist, wenn du die eigene Meinung zurückhältst und die anderen gelten lässt. Privat ist das etwas anderes, da möchte ich mich nicht in Diskussionen erleben (lacht). Aber in der Sendung …
medianet: Sind Sie im Privatleben auch gut darin, Probleme anzusprechen und auszudiskutieren?
Karlich: Ja, schon. Ich war immer schon jemand, der alles hinterfragt hat, und eine Gerechtigkeitsfanatikerin. Es hat mich immer schon wahnsinnig gemacht, wenn irgendjemand ungerecht behandelt worden ist. Ich habe nichts so hingenommen, wie es war, und das mache ich auch heute noch. Etwas, das ich durch die Karlich Show gelernt habe, ist, nicht im Streit schlafen zu gehen. Ich gehe nie mit dem Gefühl ins Bett, etwas nicht ordentlich besprochen zu haben.
medianet: Würden Sie sagen, dass die Themen, über die Sie in der Karlich Show gesprochen haben, in den ersten Jahren revolutionär für das öffentlich- rechtliche Fernsehen waren?
Karlich: Das ist interessant, denn jeder hat ja seine eigene Wahrnehmung. Wo bestimmte Themen für Hysterie gesorgt haben und schrecklich waren, waren sie für andere vielleicht ganz normal. Für einen Travestie-Künstler ist eine Verwandlung vom Mann zur Frau Alltag, für eine Bergbäuerin, die so etwas noch nie gesehen hat, natürlich etwas ganz anderes.
Hier muss man aber dazusagen, dass es in den Anfängen der Karlich Show ja nur ORF 1 und ORF 2 gab und sehr wenige Privatsender. Heute gibt es Hunderte Sender, es gibt Social Media. Du hast so viele Möglichkeiten, das Fenster in die Welt zu öffnen. Da hat die Karlich Show eine andere Aufgabe. Wir müssen nicht mehr zeigen, wie Gepiercte und Tätowierte ausschauen – das weiß ja heute jeder.
medianet: Sie sagen ‚nicht mehr'. Also war es anfangs schon so?
Karlich: Wir haben sicher Dinge gezeigt und besprochen, über die andere nicht geredet haben. Tabus gebrochen haben wir immer schon – und das ist gut. Aber wir waren dabei immer brav öffentlich-rechtlich, das möchte ich schon betonen.
Heute gehen wir dafür mehr in die Tiefe, wir hinterfragen mehr. Ich kann mich zum Beispiel an eine Sendung erinnern, in der ein sehr ausländerfeindlicher Mann zu Gast war. Diese Podium würden wir so jemandem heute nicht mehr geben. Wir versuchen heute eher, Verbindendes zu zeigen, um damit auch ein bisschen die Herzen zu öffnen.
Ich glaube, dass die Aufgabe der Karlich Show keine unwichtige ist. Reden kann man über alles, wir leben ja nicht mehr in einer Zeit, in der man einen Maulkorb verpasst bekommt.
medianet: Finden Sie, dass es im öffentlich-rechtlichen Bereich genügend Formate gibt, die sich mit kritischen Themen und der Meinungsabbildung unterschiedlicher Menschen beschäftigen?
Karlich: Was die Karlich Show ausmacht, ist das österreichische Idiom. Dass wir eine Sendung von Österreichern über Österreicher machen, macht uns einzigartig. Wir zeigen wirklich das pure Leben, die Menschen, wie sie denken, es ist ein Spiegel der Gesellschaft. Der Universitätsprofessor kommt ebenso zu Wort wie der ehemalige Obdachlose, die zehnfache Mutter kommt ebenso vor wie die Karrierefrau. Dass diese Meinungen aneinandertreffen, gibt es in der Form glaube ich nur in der Karlich Show. Aber es gibt genügend Sendungen, in denen Menschen zu Wort kommen. In dieser Hinsicht macht der ORF definitiv genug, würde ich sagen. Aber nach oben ist natürlich noch Platz.
medianet: Dass Sie die Karlich-Show sehr gern machen, ist nicht zu überhören. Gibt es dennoch eine Sendung, die Sie gerne einmal moderieren würden?
Karlich: Zutrauen würde ich mir in dieser Hinsicht eigentlich alles, außer Information. Ich habe eine Meinung zu politischen Themen, ich lese auch sehr viel darüber, aber um eine Informationssendung zu moderieren, dazu bedarf es schon eines sehr hohen Maßes an politischer und geschichtlicher Bildung.
Eine Show für die ganze Familie würde mir gefallen und schauspielern würde ich auch wieder gern. Ich hatte jetzt Max Müller alias Polizeihauptkommissar Michi Mohr in meinem Barbara Karlich Buchklub auf Radio Burgenland, also eine Gastrolle in den ‚Rosenheimcops' wär ein Traum!