••• Von Dinko Fejzuli
WIEN. Die öffentliche Hand hat im Vorjahr 222 Mio. € für Werbung ausgegeben. Das ist – beeinflusst auch durch die Inseratenkampagnen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie – so viel wie noch nie seit der Ausweisung der Medientransparenzdaten im Jahr 2012. Der bisherige Rekord aus 2013 (201 Mio. €) wurde um rund 21 Mio. € übertroffen, gegenüber 2019 steigerten sich die Ausgaben um rund 44 Mio. €, wie aus den am Montag von der RTR veröffentlichten Daten hervorgeht.
Boulevard und andere
Ein großer Brocken der Gesamtsumme ging an Boulevardmedien samt deren Online-Portalen und Beilagen. Auch die Werbeausgaben der öffentlichen Hand an internationale Plattformen stiegen weiter an. Bei Google (inkl. YouTube) warben Regierung, Länder und Staatsfirmen im Vorjahr um 8,1 Mio. € (2019: 7,1 Mio. €). Facebook erhielt 4,9 Mio. € (2019: 3,3 Mio. €). Und auch wenn die Medienhäuser die Kommunikationsaktivitäten der Regierung begrüßen, gibt es auch Kritik am Verteilungsschlüssel, der sich bei demjenigen der Inserate weniger nach der verkauften Auflage oder Leserzahl, sondern etwa nach der Druckauflage richtet. medianet hörte sich in der Branche um, was diese nun tatsächlich sagt und die Causa sieht.
Salzburger Nachrichten-Geschäftsführer Max Dasch gegenüber medianet: „Dass werbliche Kommunikation in Zeiten einer Krise, wie wir sie seit einem Jahr erleben, unabdingbar ist, liegt auf der Hand. Die Gattung Print stellt mit ihrem Angebot eine effektive und breite Plattform für diese dar. Mit nahezu 60 Prozent Reichweite bestätigt die Mediaanalyse insbesondere auch den österreichischen Tageszeitungen diese starke Stellung. Österreichs größte Studie zur Erhebung von Printmedienreichweiten dient in der Regel auch der Werbewirtschaft zur Planung einer zielgerichteten Kommunikation. Ich gehe nicht davon aus, dass als Kriterium für Insertionen die Druckauflage herangezogen wurde, da diese im Vergleich nicht die Realität am Lesermarkt widerspiegelt.”
Intransparente Kriterien
Angesprochen auf die Höhe der Kommunikationsbudgets des Bundes, meint VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger: „Eingangs möchte ich festhalten, dass 2020 mit der SARS-CoV2-Pandemie und den damit einhergehenden Lockdowns samt Einbruch der Werbewirtschaft ein außergewöhnliches Jahr darstellt. Vor diesem Hintergrund ist auch das höhere Werbebudget des Bundes, mit dem große Informationskampagnen im gesundheitspolitischen Interesse der Bevölkerung geschaltet wurden, zu sehen.”
Kritik an Media- bzw. Schaltplänen gäbe es „seit vielen Jahren”, so Grünberger, und: „Das Problem dabei ist jedoch, dass die Mediapläne bzw. die Kriterien für die Buchungen nicht wirklich transparent sind, und die Kritik sich daher an den faktischen Summen der Schaltungen entzündet. Würden sich Werbeschaltungen tatsächlich nur an der Druckauflage eines Mediums orientieren und nicht auch nach anderen Kriterien wie Reichweite, verkaufte bzw. verbreitete Auflage oder auch Mengenrabatte, wäre dies nicht sonderlich professionell und sollte aus Gründen der wettbewerblichen Fairness umgehend geändert werden.”
Förderungen neu aufstellen
Moser-Holding-CEO Hermann Petz spricht davon, dass „eine hohe Informations- und Kommunikationleistung von politischen Verantwortungsträgern in diesen Zeiten natürlich besonders wichtig” sei und dazu gehörte „insbesondere die Information über klassische Qualitätsmedien sowie über Qualitätsmedien mit einer hohen Verbreitung in den Regionen”.
Aber er meint auch: „Die Kommunikationsmaßnahmen aufgrund der Pandemie sind aus meiner Sicht zu trennen von einer fundamentalen Neuorganisation der Presse- bzw. Medienförderung, wo jedenfalls auch Aspekte wie journalistische Qualität, digitale Transformation im Journalismus oder auch die Anwendung von Kollektivverträgen als Kriterien herangezogen werden müssen. Mit der Digitalförderung geht man hier den ersten Schritt in die richtige Richtung.”
Neue, lokale Konkurrenten
Gerald Grünberger spricht gegenüber medianet einen weiteren Aspekt an, der nicht aus dem Fokus geraten sollte, wenn es um die Frage geht, wer wo kommuniziert, um Bürgerinnen und Bürger über wichtige Themen zu informieren, denn selbstverständlich hätten private und öffentliche Unternehmen, aber auch Gebietskörperschaften die Notwendigkeit, dies zu tun, und Zeitungen mit 60% Reichweite in Österreich wären hier auch der ideale Partner.
Nur: Plötzlich gäbe es am eigenen Markt einen neuen Konkurrenten. Grünberger dazu in einem grundsätzlichen Wort zu öffentlicher Werbung: „Bund und Länder sollen werben und kommerziell kommunizieren können, sofern es sich um relevante Informationen im Interesse der Allgemeinheit handelt. Viel problematischer sind Online-Portale, die im Eigentum von Gebietskörperschaften stehen und mithilfe von öffentlichen Mitteln in das Nachrichtengeschäft von unabhängigen Medien vordringen und Konkurrenz machen.”