„Von wegen, Junge schauen nicht fern”
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MARKETING & MEDIA Redaktion 13.06.2025

„Von wegen, Junge schauen nicht fern”

Thomas Gruber, AGTT, im Talk zur Bewegtbildstudie 2025: Über drei Viertel der Bewegtbildnutzung entfallen auf Broadcaster-Angebote.

••• Von Dinko Fejzuli

Fernsehen bleibt das dominierende Medium in Österreichs Bewegtbildlandschaft. Laut der aktuellen Bewegtbildstudie 2025 von RTR Medien und der Arbeitsgemeinschaft Teletest (AGTT) sehen 99% der Menschen hierzulande zumindest einmal pro Woche Bewegtbildinhalte, 74% sogar täglich. Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung bei den unter 30-Jährigen: Neuerlich liegt TV – inklusive zeitversetztem und On-Demand-Konsum – bei dieser Zielgruppe wieder vor den Videoplattformen. Insgesamt entfallen 78% der täglichen Bewegtbildnutzung auf Inhalte der TV-Sender, während Streamingplattformen und soziale Medien stagnieren oder rückläufig sind.

Die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer liegt bei 225 Minuten – zwei Minuten mehr als im Vorjahr. Über alle Altersgruppen hinweg zeigt sich eine zunehmende Stabilisierung des Konsums, wobei non-lineare Angebote wie Mediatheken und Livestreams ihren Anteil ausbauen. Die heimischen Broadcaster konnten mit Innovationen wie ORF On, Joyn und ServusTV On ihre Position stärken. Die Studie belegt zudem, dass klassische TV-Inhalte auch bei den Jungen wieder an Bedeutung gewinnen. Bei den 14- bis 29-Jährigen wird lokaler Content stärker genutzt – ein Effekt, der mit Investitionen und Kooperationen der heimischen Sender zusammenhängt. Bezahlte internationale Streamingdienste wie Netflix und Prime Video verlieren hingegen in allen Zielgruppen an Reichweite.
medianet bat anlässlich der Studienpräsentation Thomas Gruber, AGTT Obmann der Arbeitsgemeinschaft Teletest aber auch als Vertreter von ProSiebenSat.1 Puls 4-Gruppe zum Interview.

medianet: Die Zahlen der aktuellen Bewegtbildstudie von RTR und AGTT sind erfreulich. Vor allem zeigt sich, dass TV-Angebote bei den unter 30-Jährigen wieder vor Video-Plattformen liegen. Ist das auch eine Bestätigung für die Investitionen in eigene VoD-Angebote?
Thomas Gruber: Absolut, auch weil man sieht, dass man die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer wieder zurückgeholt hat. Und was ebenso erkennbar ist, dass es die Bezahldienste immer schwerer haben, weil dieser Markt immer fragmentierter wird. Das zeigt sich auch darin, dass zumindest Disney+, Amazon Prime oder Netflix in allen Zielgruppen verlieren, vor allem in der Kernzielgruppe. Damit wird es immer schwieriger, hier weiter zu wachsen.

medianet: Wie stark wirkt sich dabei die zunehmende Kooperation der Sender in Österreich aus?
Gruber: Kooperation am heimischen Markt ist der Schlüssel. Es ist nicht nur ein wichtiges Zeichen für uns als ProSiebenSat.1 Puls 4 Gruppe, sondern auch aus Sicht von ORF oder ServusTV, dass man den Content, den man produziert, natürlich auch non-linear zur Verfügung stellt. Das gab es zwar schon immer in Form von Mediatheken, aber inzwischen wurde zusätzlich für die Nutzerinnen und Nutzer sehr viel in UX und Technik investiert.

medianet:
Die Reichweite ist das eine, aber bei den Privatsendern hängt wirtschaftlich alles an den Werbeeinnahmen. Wie lassen sich rückläufige TV-Erlöse kompensieren?
Gruber: Es ist kein Geheimnis, dass der lineare TV-Markt seit vielen Jahren unter Druck steht. Einerseits wegen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – Österreich ist in der EU Schlusslicht bei der Wirtschaftsentwicklung, wir sind das dritte Jahr in Folge in einer Rezession. Das hat natürlich großen Impact.

Andererseits ist ersichtlich, dass die höhere Nutzung auf österreichischen Streamingplattformen zu höheren Umsätzen führt. Ich halt es für ist ein wichtiges Signal, dass man die Verluste im klassischen TV kompensieren kann – mittelfristig. Eine Jahreszahl ist schwer abzuschätzen, aber ich gehe davon aus, dass sich diese Verluste durch eigene Streamingplattformen kompensieren lassen. Und dafür muss man natürlich auch mehr investieren.

medianet: Was könnt hier aus ihrer Sicht zusätzlich helfen?
Gruber: Der klassische lineare Content allein wird nicht reichen – man muss exklusiven Content für die Plattformen bieten. Wir investieren da sehr stark, gerade für die junge Zielgruppe, und sehen auch, dass dieser Content sehr gut angenommen wird.

medianet:
Letzte Frage – hilft ihnen die Studie auch im Gespräch mit Mediaagenturen und Werbetreibenden, um mit dem Vorurteil aufzuräumen, junge Menschen würden keinen klassischen TV-Content mehr konsumieren?
Gruber: Es ist sehr wichtig, dass diese Studie nicht nur Zahlen liefert, sondern auch zur Orientierung dient. In einem Medienmarkt, der immer dynamischer und fragmentierter wird, helfen solche fundierten Erkenntnisse, Entwicklungen besser einzuschätzen – und Chancen zu erkennen. Nicht nur für uns als Broadcaster, sondern auch für die Agenturen.

Ja, die lineare Nutzung sinkt leicht, aber es gibt einen klaren Shift in Richtung non-linear. Man kann also die Aussage ‚Die Jungen sind nur auf YouTube' so nicht stehen lassen. Lineares Fernsehen ist nicht tot – TV-Content wird einfach anders genutzt. Und genau das zeigen die Ergebnisse: Die Jungen kommen wieder zurück zum TV-Content – sie konsumieren ihn bloß auf anderen Wegen.

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