Was sagt ein Ökosiegel wirklich aus?
© Gugler/Rita Newman | Mehr Druck Mehr Kontrolle wäre gut, meint Nachhaltigkeits-Pionier Ernst Gugler – doch Vertrauen in das Unternehmen statt in Güte­zeichen wäre noch besser!
MARKETING & MEDIA Ernst Gugler 16.03.2018

Was sagt ein Ökosiegel wirklich aus?

Welch Glück: Das Umweltzeichen ist inzwischen bei den meisten Druckereien zum Standard geworden. Doch wie vertrauenswürdig ist es wirklich?

Gastbeitrag ••• Von Ernst Gugler

WIEN. Mit dem Gevora-Hotel – mit vergoldeten Türen! – wurde in Dubai das nächste „höchste Hotel der Welt” gebaut.

Der Markt der Luxusgüter brummt, allein Gucci hat letztes Jahr ein Umsatzplus von 45 Prozent weltweit erzielt. Und jedes vierte neuzugelassene Auto ist inzwischen ein SUV, Tendenz steigend. Erderwärmung? CO2-Footprint? Pariser Klimaschutzabkommen? Schon mal gehört?

(Leider) Kein Nachfragedruck

Die Welt lebt, als bräuchte es kein Morgen. Obwohl wir alle wissen, was es zu tun gälte. Und dennoch tun wir fröhlich das Gegenteil: höher, schneller und noch mehr Blingbling.

Nur in Sachen Nachhaltigkeit hüpfen wir seit Jahren über die gleichen niedrigen Latten.
Warum? Weil es für das nachhaltigste Unternehmen Österreichs kein Preisgeld gibt.
Von der Politik gibt es keine Medaillen für ökologisches Handeln. Und auch der Markt wirft hier nichts ab, weil kein Nachfragedruck nach ökologisch wertvollen Produkten aufgebaut wird. Kunden finden es zwar gut, wenn ein Produkt auch ökologisch hergestellt ist – nur zusätzlich kosten darf es nichts. Wenn ‚Recycling' draufsteht und irgendein Siegel, sind die meisten zufrieden.
So gesehen, ist es eine zu würdigende Leistung der Kommunikationsbranche, dass sich viele Druckereien dieses Landes inzwischen zumindest den Anforderungen des Umweltzeichens verschrieben haben. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen, nur, weil es uns Gutmenschentum zu bescheinigen scheint!

Wer prüft nach?

In der Lebensmittelindustrie gibt es eine Fülle an Gütesiegeln heterogener Vertrauenswürdigkeit. Exzellent schneiden meist nur jene ab, die auf Kontrollen der Zulieferer beruhen, und zwar auf unangemeldeten.

Derzeit bestimmen jedoch Unternehmen den Auditor und bezahlen ihn auch. Damit ist das Ergebnis zweifelhaft: Geld schafft an. Das Umweltzeichen gibt sich mit der schriftlichen Bescheinigung unserer Zulieferer zufrieden, dass gesetzlich verbotene Stoffe nicht enthalten sind. Wer prüft das nach?
Das ist, als würden wir das Radar abschaffen und alle Autofahrer bestätigen schriftlich, dass sie stets die Geschwindigkeit eingehalten haben.
Und: Mit einer Bestätigung über ‚frei von …'– gesetzlich verbotenen Stoffen – wissen wir nicht, was sonst noch enthalten ist, denn es bedeutet lediglich, dass die Stoffe auf der schwarzen Liste entfernt wurden.
Es besagt aber nicht, ob nicht noch andere Stoffe enthalten sind, die noch nicht aufgelistet sind oder noch gar nicht toxikologisch untersucht wurden. Hier sehe ich erheblichen Verbesserungsbedarf im Verfahren und damit in der Güte von Ökosiegeln – und frage mich grundsätzlich: Warum darf die Chemische Industrie überhaupt ungestraft als toxisch bekannte oder auf ihre Schädlichkeit noch nicht geprüfte Stoffe produzieren und zur Produktverarbeitung weiterverkaufen? Muss wirklich die Schädlichkeit erst nachgewiesen werden, damit etwas aus dem Verkehr gezogen wird? Warum ist die geprüfte Unschädlichkeit nicht Bedingung für den Markteintritt? Opt-in statt Opt-out.
Wir von gugler haben uns seit 2011 den Qualitätsstandards von Cradle to Cradle verschrieben – und haben von den fünf Abstufungen inzwischen Stufe 4, „Gold”, erreicht.

Hier wird wirklich offengelegt

Der große Unterschied von Cradle to Cradle zu allen anderen Zertifikaten liegt in der Offenlegung der Rezepte. All unsere Zulieferer müssen alle Inhaltsstoffe preisgeben – unter Geheimhaltungsvereinbarungen. Diese werden chemisch analysiert, gegebenenfalls optimiert und zertifiziert, und zwar jedes Jahr aufs Neue.

Damit können wir sicher sein, dass alle unsere Farben, Leime und Lacke, etc. positiv definiert sind, also ausschließlich nur als gesund und unschädlich bekannte Stoffe enthalten, sonst nichts. Grüner geht’s nicht. Für mich ist ein Produkt erst dann wirklich gesund und umweltfreundlich, wenn es – zumindest prinzipiell – essbar wäre.

Genau hinsehen!

Doch weil sich nicht alle Anbieter diese aufwendigen und kostspieligen Zertifizierungsstandards freiwillig auferlegen wollen und wir auf der anderen Seite auch nicht ständig immer alles und alle kontrollieren und überwachen können – damit setzen wir auch unsere Freiheit aufs Spiel –, empfehlen wir: Vertrauen Sie nicht auf die Siegel, schauen Sie sich die Unternehmen an.

Leben die Druckereien, was sie schreiben? Auch die Geschäftsleitung? Keiner ist perfekt. Aber es gibt solche, die sich stets redlich bemühen, sich zu verbessern.
Es geht nicht um einen Stockerlplatz bei den Olympischen Spielen oder darum, wer die meisten Medaillen an der Wand hängen hat. Es geht um gar kein Spiel. Sondern um die Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder, die wir gerade dabei sind zu verspielen.
Deswegen ist ökologisches und klimafreundliches Handeln unabdingbar. Wir müssen sogar noch ordentlich einen Zahn zulegen, damit sich das überhaupt noch irgendwie ausgeht. Und Sie, lieber Leser, entscheiden sich mit jedem Euro, den Sie ausgeben – dafür oder dagegen!

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL