••• Von Dinko Fejzuli
Wer auf das LinkedIn-Profil von Martin Schipany geht, findet dort den Titel „Head of Press and Information Services – City of Vienna”. Auf Deutsch ist er seit Beginn 2019 Abteilungsleiter des Presse- und Informationsdiensts der Stadt Wien (PID/MA 53) und damit immer dann zur Stelle, wenn die Bundeshauptstadt über einen ihrer vielen Kanäle mit ihren Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren möchte.
Sein Budget für das heurige Jahr ist mit 42,5 Mio. € veranschlagt, davon sind 19,8 Mio. als Werbebudget deklariert, womit zwangsläufig auch das, was der PID mit diesem Budget macht, im Fokus der medialen Aufmerksamkeit steht; insbesondere seit des die sogenannte Medientransparenzdatenbank gibt, wo einsehbar ist, wo die öffentliche Hand inseriert und wo neben vor allem dem Bundeskanzleramt oder dem Finanzministerium auch die Stadt Wien ob der jeweiligen Summen und wo diese verschaltet werden, im Fokus der Öffentlichkeit steht.
Zu dieser, aber auch zu anderen Fragen betreffend den PID bat medianet Martin Schipany zum Interview.
medianet: Herr Schipany, Sie wurden im Jänner 2019, also vor genau drei Jahren, zum neuen Leiter der Presse- und Informationsdiensts der Stadt Wien ernannt, zuvor waren sie Stellvertreter ihres Vorgängers Paul Weis. Aus ihrer Sicht: Was ist der PID im Jahr 2022?
Martin Schipany: Wir sind die zentrale Kommunikationsdienststelle der Stadt Wien. Wir sind nicht die einzigen, die Kommunikation in und für die Stadt Wien betreiben, aber wir sind diejenigen, die die Koordination und Zentralaufgabe hinsichtlich der Produktverantwortung, der Kampagnendurchführung und Planung übernehmen. Ein weiterer wichtiger Bereich ist die digitale Kommunikation. Außerdem sind wir diejenigen, die mehr oder minder das kommunikative Backbone der Stadt darstellen, wenn es um Krisenkommunikation geht – wie etwa beim Thema Corona.
medianet: Wie genau sieht das aus?
Schipany: Es gibt also eine zentrale Komponente innerhalb der Stadt, die wir wahrnehmen. Das beinhaltet die zuvor genannten Aspekte plus eine Verantwortung für die Markenführung, eine Verantwortung für das Corporate Design und alles, was damit einhergeht, auch für die Erarbeitung zentraler Botschaften. Aber es gibt auch eine dezentrale Komponente, die von den einzelnen Fachdienststellen selbst wahrgenommen wird. Zum Beispiel ‚die 48er', die über die Mülltrennung informiert, oder die MA 57, die über Angebote für Frauen wie Frauenhäuser informiert.
medianet: Es trennt sich also in langfristige Erzählweisen, wie einen Markenaufbau, und zeitlich aktuelle Dinge, wie etwa Impf- oder Parkpickerl-Kampagne?
Schipany: Sowohl als auch. Wir kommen ab dem Moment zum Einsatz, wo es Stadt Wien-weite (Kampagnen-)Themen sind, bei denen es um den Mitteleinsatz geht. Wir sind also meistens an Bord, sobald es um Werbe- oder Mediaplanung im klassischen Sinne geht. Mit dem Projekt der neuen Markenstrategie wurde es eines unserer zentralen Ziele, die Stadt Wien an allen Ecken und Enden wiedererkennbar zu machen. Das war vor unserem neuen Markenbild, der neuen Markenstrategie und dem neuen Markendesign kaum der Fall.
medianet: Das Thema Corona überlagert alles – auch die Aktivitäten der Stadt Wien. Könnten diese Aktivitäten, die Sie gerade beschrieben haben, ein Blue Print sein bei anderen Themen, um auch mit anderen Themen bei der Bevölkerung Gehör zu finden?
Schipany: Ich würde es sogar umgekehrt sehen: Dass wir mit den Blue Prints, die wir bereits in der Schublade hatten, diese auch sehr gut bei Corona zur Ausspielung bringen konnten, aber trotzdem auch neue Wege gegangen sind. Etwa auch eine Zusammenarbeit mit Influencern oder auch Social Media-Spots in verschiedenen Sprachen, um Zielgruppen zu erreichen, die wir sonst nicht erreicht hätten.
medianet: Apropos Zielgruppenansprache. Hier nutzen Sie etwa bei der Vergabe von Inseraten auch die von Ihnen beauftragte Mediendiskursstudie, die erhebt, wie und wo sich die Wienerinnen und Wiener informieren. Kritik an der Vergabepolitik des PID gibt es trotzdem. So gibt es Medien, wie etwa den Standard, der eine höhere Nutzung als andere Medien ausweist, aber trotzdem weniger Geld als diese erhält. Sie erklären das damit, dass Sie sagen, es ist nicht nur das die Basis, sondern es gibt auch andere Aktivitäten. Mir scheint das Delta aber doch recht groß von der Summe her. Was sind das also für Aktivitäten oder Dinge, die erklären, dass es hier so eine Diskrepanz gibt?
Schipany: Wir sind genau in diesem Prozess, wo die Mediendiskursstudie schon unsere primäre Planungsgrundlage darstellt, aber noch nicht die einzige Planungsgrundlage ist. Welchen Effekt hat also die Studie? Der Blick in die Zahlen, und Sie werden das sicher gemacht haben, zeigt, dass es zwischen 2018 und 2020 auch beim erwähnten Standard eine deutliche Entwicklung gegeben hat, die sich ohne unsere Studien nicht ergeben hätte.
Die Diskrepanz ergibt sich auch daraus, dass die Medienhäuser hinsichtlich der von ihnen bespielten Kanäle unterschiedlich aufgestellt sind. Wenn man wie der Standard kein Radio und kein TV hat, spiele ich bei gewissen Mediatöpfen natürlich weniger eine Rolle. Das zeigt auch die Entwicklung, Stichwort Trends in der Mediennutzungsstudie – Hörfunk ist erfreulicherweise stabil und meines Erachtens nach die Mediengattung, die oftmals nicht die Aufmerksamkeit bekommt im allgemeinen Diskurs, die sie vielleicht verdient.
medianet: Und die restlichen Gattungen?
Schipany: TV ist weiterhin spannend, Print hat den Zenit sicher überschritten – das sieht man auch, wenn man sich die Altersschichtung der Nutzung ansieht. Grundsätzlich ist die Studie immer als unsere Planungsgrundlage angelegt gewesen und war nicht darauf ausgelegt, irgendeine Kritik zu entkräften. In der Kritik stehen wir sowieso.
medianet: Das könnte aber auch an der Gesamtsumme liegen, die Wien ausgibt?
Schipany: Es ist eine Grundsatzdebatte, die nicht mit mehr oder weniger geführt werden wird. Im Zentrum steht die Frage ‚Entweder ich stehe dafür, dass die öffentliche Hand sagt, sie möchte aktiv informieren' oder ich sehe es als das Gegenteil an und sage ‚Nein, sie hat nicht zu informieren'.
Generell gilt: Man sollte die Ausgaben und die Auswahl der Kanäle nicht allein an der Reichweite messen, sondern auch am Faktor der Zielgruppe und natürlich auch am Kommunikationsziel und wen ich überhaupt erreichen möchte. Wenn Sie etwa eine Lehrlingskampagne fahren, dann wird der Anteil traditioneller Medien eher kleiner sein und man wird sich eher Richtung Social Media beziehungsweise digitale Medien bewegen.
medianet: Apropos Digital, hier hat Corona bei vielen Unternehmen als regelrechter Digitalisierungs-Booster und echter Tempomacher gewirkt. Wie war hier Ihre Erfahrung im Magistrat?
Schipany: Tempomacher trifft es. Ich glaube, dass manche, nur weil wir eine Magistratsabteilung sind, ein nicht ganz stimmiges Bild von der Stadtverwaltung haben. ‚Nine-to-Five' ist bei uns nicht der Regelfall, das ginge sich gar nicht aus. Ich bin immer wieder überrascht, wenn Bewerberinnen und Bewerber uns gegenüber als Erwartungshaltung formulieren: ‚Ich würde gerne in der Kommunikationsabteilung der Stadt Wien arbeiten, aber bitte keine Überstunden.'
Das gilt auch in weiteren Bereichen der Stadt Wien absolut nicht mehr. Man darf nicht vergessen: Vieles, was die Stadt Wien im Dienstleistungssegment bereitstellt, leistet und serviciert, beinhaltet auch einen hohen idealistischen Anteil, ein sinnstiftendes Element, wo man sich als Mitarbeiterin und Mitarbeiter damit identifiziert, etwas für die Menschen in dieser Stadt zu leisten.
medianet: Und noch die Frage mit Corona und dem Thema Digitalisierung?
Schipany: Was das Thema Corona und Digitalisierung betrifft, so war die Vorlaufzeit für uns wie für alle anderen kurz, aber wir haben uns darauf rasch eingestellt, was übrigens auch für die starke Organisationkraft der Stadtverwaltung spricht. Wir haben als Kommunikationsdienststelle sehr rasch damit begonnen, unsere Schwerpunkte zu clustern beziehungsweise unsere Ressourcen anders disponiert und da war für schwerfälliges Agieren sicherlich kein Platz.