FRANKFURT. Seit Jahren versuchen chinesische Autohersteller (meist erfolglos) ihr Glück in Europa – mit dem erhofften E-Autoboom könnten nun die Karten endgültig neu gemischt werden. Entgegen dem Trend stieg jedenfalls die Zahl der Aussteller aus Fernost auf der Automesse IAA deutlich an: Fast 80 Hersteller und Zulieferer aus China nutzten und nutzen die Frankfurter Autoschau, um Kunden zu umgarnen.
Große Aufbruchsstimmung
Den deutschen Premiumherstellern Audi, BMW und Mercedes will etwa Byton auf den Pelz rücken. „Europa ist superwichtig für uns”, sagt Daniel Kirchert, Chef des Start-ups aus Nanjing und ehemals Manager bei BMW. „Hier gibt es eine massive Aufbruchsstimmung zum Thema Elektromobilität – nicht nur von Herstellern und Regierungen, sondern auch von Kunden.” Great Wall, Aiways und Chery sind weitere Namen, die bei Autokäufern in Europa zum Begriff werden wollen.
E-Autobauer aus China hätten in der Tat gute Chancen, sagt Christoph Stürmer, Autoexperte des Beratungsunternehmens PwC. „Das Einfallstor sind die niedrigen Fahrzeugpreise.” Die Europäer versuchten, viel Geld für ihre Elektrofahrzeuge einzunehmen, um ihre hohen Entwicklungs- und Umstellungskosten zu finanzieren.
Deutsche Technik in den Autos
Stürmer erwartet, dass es die chinesischen Marken trotzdem nicht leicht haben werden. „Es herrscht große Unsicherheit über die Technologie und die Qualität der Autos.” Der Byton-Chef begegnet solchen Bedenken mit dem Verweis auf den erklecklichen Anteil deutscher Ingenieurskunst etwa im Modell M-Byte, dessen Entwicklung und Design aus Deutschland stammt, der aber in China in einer nagelneuen Fabrik hergestellt wird – mit viel Zuliefertechnik von deutschen Traditionsunternehmen. „Wir haben einen deutlichen Anteil deutscher DNA in unserem Team und im Fahrzeug”, sagt Kirchert.
Fabriken in Europa-Nähe
Während Byton auf China-Importe setzt, kann sich der SUV- und Pick-up-Hersteller Great Wall eine Produktion in Europa vorstellen. Ebenfalls 2021 sollen die ersten Geländewagen der Marke Wey zu den Kunden rollen, zunächst noch gebaut in China. Im Juni eröffneten die Chinesen aber auch ein Werk in Russland, wo das SUV Haval F7 vom Band laufen wird.
Chinas E-Auto-Marktführer Geely, zugleich Großaktionär von Daimler, könnte bei seiner schwedischen Tochter Volvo produzieren und hat ein eigenes Werk in Weißrussland. Geely plant nach Medienberichten, seine Marke Lynk auf Basis einer gemeinsamen technischen Plattform mit Volvo-SUVs in Europa 2020 einzuführen. (APA)