Wie wärs mal mit einer neuen Strategie?
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PRIMENEWS Redaktion 11.03.2016

Wie wärs mal mit einer neuen Strategie?

Es gibt eine neue Form der Strategieentwicklung, die die Vorteile der ­anderen kombiniert und erweitert: Verbundprojekte.

••• Von Markus Milz

Das Thema Strategieentwicklung ist heutzutage auch im Mittelstand eine große Aufgabe, die durch die rasante Entwicklungs- und Veränderungsgeschwindigkeit der Welt jeden Tag schwieriger wird. Wer da noch hofft, dem galoppierenden Change mit dem betriebswirtschaftlichen Buchwissen von gestern zu Leibe rücken zu können, landet unsanft auf dem Boden der finanziellen Tatsachen. Doch woher lebenswichtige Informationen bekommen in einer komplexen Ökonomie, in der Ursache und Wirkung immer schwieriger zu beherrschen sind? Viele Unternehmen gehen den klassischen Weg: über Klausurtagungen der Geschäftsleitung, in Zusammenarbeit mit Unternehmensberatern, Trendforschern, Marktforschern, durch Verbandsarbeit und andere mal mehr, mal weniger traditionelle Vorgehensweisen.

Die Liste der Instrumente ist lang und seit einiger Zeit um eine neue Methode reicher. Denn jetzt gibt es eine neue Form der Strategieentwicklung, die die Vorteile der anderen kombiniert und um einen spannenden Effekt erweitert: Verbundprojekte.

Antworten auf drängende Fragen

Wie sehen die Märkte der Zukunft aus, welche Rückschlüsse lassen sich für die eigenen Produkte und Dienstleistungen ableiten? Was sind die neuesten Trends und Herausforderungen in der digitalen Revolution? Was bringt das Internet der Dinge, in dem Geräte und Maschinen „intelligent” werden, was die Industrie 4.0 mit ihren Smart Factorys sowie der zunehmenden Integration von Unternehmen, Kunden und Geschäftspartnern zu gemeinsamen funktionalen Einheiten? Wo liegen die Chancen und Risiken der globalen Vernetzung, sowohl im Projektmanagement einer Auslandsexpansion als auch in finanzieller Hinsicht? Was sind die richtigen Maßnahmen, um aus der Zuwanderung durch modernes Diversity Management Nutzen zu ziehen? Welche praktischen Herausforderungen erwarten die Personalarbeit – was ist fundiert und was nur eine Modeerscheinung? Wie sieht das Marketing der Zukunft aus? Und wie gestaltet sich gewinnbringendes Pricing in Zeiten der totalen Transparenz im Internet?

Dies alles sind drängende aktuelle Fragen, deren Bedeutung in vielen Fällen noch zunehmen wird. Und selbst diese stellen nur einen Ausschnitt aus den Aufgaben dar, denen sich nicht nur Konzerne, sondern besonders auch der Mittelstand gegenübersehen. Gerade für KMU ist der zeitnahe Zugang zu wertvollen Informationen von vitalem Interesse. Für sie kommt es entscheidend darauf an, wendig und proaktiv wichtigen Entwicklungen voraus und für Risiken und Krisen gewappnet zu sein.

Das Gewusst-wie der Verbundprojekte

In einem Verbundprojekt schließen sich zehn bis 15 mittelständische Unternehmen zusammen und beschäftigen sich gemeinsam mit der richtigen Strategie von heute für morgen; dabei profitieren sie in einem Netzwerk von Gleichgesinnten von deren Erfahrung, Fehlern, Erfolgen und Ideen.

Im geschützten Raum des exklusiven Kreises berichten sie von ihren Best Practices und Innovationen ebenso wie von den Herausforderungen, vor denen ihre Unternehmen und ihre Branchen aktuell stehen. Das ermöglicht den Teilnehmern, erfolgversprechende neue Ansätze von schnelllebigen Managementmoden zu unterscheiden, die richtigen Schlüsse zu ziehen und funktionierende Maßnahmen einzuleiten. Doch auch, wenn die Informationen direkter Mitbewerber spannend sind: Seine besten Ideen mit der Konkurrenz zu teilen, ist nicht nur unklug, sondern zumeist auch kaufmännisch unredlich und sogar gesetzeswidrig. Moderne Compliance-Regeln und kartellrechtliche Beschränkungen lassen gar nicht erst zu, mit dem direkten Wettbewerb über Preisgestaltung und Marktfragen zu sprechen. Damit unter diesen Voraussetzungen eine offene Zusammenarbeit funktioniert, muss die Zusammensetzung der Teilnehmer homogen sein. Zugleich ist festgelegt, dass keine Wettbewerber in der Runde sitzen, und dass die Teilnehmer auf vergleichbaren Hierarchieebenen agieren und vor vergleichbaren Herausforderungen stehen.

Fantasie ist alles: Teilnehmer und Ziele

Gerade in der Frage der Zusammensetzung sind der Fantasie nur geringe Grenzen gesetzt. So kann es sich um einen durch die Branche bestimmten Verbund, etwa mit Unternehmen aus dem IT-Umfeld, der Produktion oder der Dienstleistung, handeln. Möglich ist es ebenso, sich an aktuellen Vorhaben zu orientieren, wie der Ausdehnung der Aktivitäten ins Ausland, der Erschließung neuer Geschäftsfelder und anderen. Besonders spannend und bereits praktiziert sind Verbundprojekte starker Unternehmen des Mittelstands, die als Hidden Champions europa- oder weltweite Marktführer in ihren Segmenten sind.

Wichtige Ziele dieses Erfahrungsaustauschs sind die Vermeidung gravierender strategischer und vertrieblicher Fehler auf dem Wachstumskurs. Entsprechend ist die Optimierung bestehender Vertriebsstrukturen und -prozesse immer ein wichtiges Thema, weil jedes neue Handeln letztlich zu einem besseren Betriebsergebnis führen soll. Außerdem werden nicht nur durch die Zusammenarbeit, sondern auch durch das gemeinsame Networking branchenübergreifende Kontakte gebildet und gefestigt, die Synergien schaffen und spannende Impulsen liefern. Gemeinsam werden neue Strategien und Ideen entwickelt, nationale und internationale Chancen identifiziert und Ressourcen genutzt – all das immer mit dem Fokus, neue Key Accounts zu gewinnen und bestehende Kundenbindungen zu festigen.

Organisation und Ablauf eines Verbunds

Die Führungspersönlichkeiten der beteiligten Unternehmen treffen sich während eines Verbundprojekts, das zwischen einem und zwei Jahren dauern kann, regelmäßig, ca. alle ein bis zwei Monate zu einem moderierten Erfahrungsaustausch in exklusiver Runde. Stattfinden können diese Treffen natürlich an einem neutralen Ort. Besonders spannend wird es jedoch, wenn die Gastgeberrolle wechselt, die Treffen im Unternehmen einiger Teilnehmer stattfinden und mit Betriebs­besichtigungen kombiniert werden.

Jeder Erfahrungsaustausch steht im Zeichen eines Schwerpunktthemas. Im Vorfeld stimmen die Teilnehmer darüber ab, welche Themen diskutiert werden sollen. Sie erhalten eine Liste mit Vorschlägen aus dem Kreis der Gemeinschaft, die jeder nach Bedürfnis und Interesse priorisiert, und die danach ausgewertet wird. So entsteht eine Agenda, die jedes Mitglied rechtzeitig und immer vor dem folgenden Treffen erhält.
Schwerpunktthemen sind beispielsweise: Marktbearbeitungsstrategien und Vertriebssteuerung, Personal im Vertrieb und Berichtswesen, Marketing- und Vertriebscontrolling/Kennzahlen, Alternative Pricingstrategien, Definition/(Re-)Strukturierung der Vertriebsprozesse, Internationalisierung und Partnerwahl, Differenzierung/USP – Märkte ohne Wettbewerb oder Kundendurchdringung/Cross-/Up-selling-Ansätze. Die ausgewählten Diskussionsthemen liefern den Teilnehmern einen praxisnahen Input, den sie sofort auf ihre Unternehmen adaptieren und in ihrem Arbeitsalltag umsetzen können.

Wissen wird Praxis, Synergie schafft Erfolg

Was auf den Treffen der Entscheider diskutiert wird, kann nur dann zum Erfolg führen, wenn es anschließend auch umgesetzt wird. Die Langfristigkeit eines Verbundprojekts erlaubt es, bereits während seiner Dauer aktiv Maßnahmen auf Basis neuen Wissens zu ergreifen, um den anderen Teilnehmern von deren Erfolg zu berichten. Funktioniert etwas nicht wie gewünscht, stellen die Vorschläge der anderen Spitzenkräfte wertvolles Feedback zur Verfügung. Unter Umständen kann ein solcher Verbund auch einen Berater engagieren, der seine Expertise einbringt, um später gegen Honorar für die einzelnen Mitglieder tätig zu werden.

Um langfristig erfolgreich zu sein, so die Philosophie der Verbünde, gilt es gemeinsam statt gegeneinander zu agieren, Wissen und Erfahrungen zu teilen und so von einem starken Netzwerk zu profitieren. Wie die Erfahrung zeigt, entstehen bei solchen Projekten nicht nur geschäftliche, sondern auch persönliche Verbindungen, die weit über das Ende des Verbunds hinausgehen. Es kommt nicht nur zu gegenseitiger Unterstützung durch Wissenstransfer, sondern ebenso zu Geschäften untereinander und zu gemeinsamen Kooperationen für erfolgreiches Business mit Dritten.
Ein wenig Kreativität und Mut erfordert es natürlich, sich als Unternehmen zum Ini­tiator und Kopf eines Verbundprojekts zu machen. Der Erfolg aber gibt Recht, und wer diesen Geist und diese Synergie einmal erlebt hat, wird sicher zum „Wiederholungs­täter”.

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