WIEN. Noch jede KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen man sie füttert. Und wie die Menschen, die sie bedienen. Um diese und viele weitere Fragen zum Thema ging es beim ACSP-Kongress am 18.11.2024 in Wien. Für Betreiber, Entwickler und Investoren von Handelsimmobilien ist es das wichtigste Branchen-Event des Jahres: Gestern fand im atemberaubenden Ambiente des Kuppelsaals der TU Wien der
diesjährige Kongress des ACSP – Austrian Council of Shopping Places statt. Wie jedes Jahr stand der Kongress unter einem zukunftsrelevanten Generalthema. Im Fokus diesmal: AI – Artificial Intelligence.
Experten zeigten aus unterschiedlichsten Blickwinkeln ihre Herangehensweise an dieses Thema auf. Der Fokus lag klar auf KI-Anwendungen im Bereich der Einzelhandelsimmobilien, doch auch grundlegenden rechtlichen und philosophischen Fragestellungen wurde ausreichend Platz eingeräumt. „Künstliche Intelligenz birgt auch für den Handel mannigfaltige Chancen, etwa bei der Analyse von Standortdaten, der Optimierung von Flächennutzungen oder der Gebäudesteuerung“, erklärte SES CEO Christoph Andexlinger in seiner Funktion als ACSP-Obmann einleitend.
KI-Wirtschaft bald stärker als Österreichs Wirtschaftsleistung
MarketingExpertene und Universitätslektor Michael Kornfeld legte die Grundlagen von KI/AI dar und riet dazu, das Thema ernst zu nehmen: „Diese Technologie wird auch Ihre Branche massiv verändern!“ Sein Rat: Experimentieren und innerhalb der eigenen Organisation Know-how aufzubauen anstatt das Thema auszulagern. Ganz ähnlich die beiden Berater Eileen Dahlen und Matthias Schlemmer von PwC Strategy&, die das Thema gleichzeitig in eine globale Perspektive rückten. „Heuer rechnen wir mit weltweiten Investitionen von 235 Mrd. US-Dollar in KI-Anwendungen. Diese Zahl soll sich bis 2028 auf 631 Mrd. Dollar fast verdreifachen.“ Zum Vergleich: Die Wirtschaftsleistung Österreichs liegt aktuell knapp jenseits der 500 Mrd. US-Dollar. Der Handel rangiert bei den Investitionen in KI-Lösungen im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen global gesehen in den Top 3.
Einmal mehr sitzen die Vorreiter der Entwicklung nicht in Europa, sondern in USA, im arabischen Raum, in China und Japan. So brachte Florian Schmid, Co-Founder der beiden
Immobiliengesellschaften GRG und MRG, die vorwiegend im Nahen Osten zahlreiche Shopping Center betreiben, eindrucksvolle Praxisbeispiele zum Einsatz von KI. Zum Teil ist der Rückstand Europas auch durch schärfere Regulatorien wie die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) zu
erklären. Schmids wichtigste Ratschläge:
1. KI-Tools dürfen niemals eigenständig Entscheidungen fällen.
2. Alle KI-Projekte müssen sich in maximal 3 Jahren amortisiert haben.
3. Zum Start mit KI sollte man einen einfachen Usecase wählen, der schnelle Erfolge bringt und die Mitarbeiter motiviert, das Thema weiter zu verfolgen.
KI reduziert Betriebskosten um ein Drittel
Doch wofür lässt sich KI im Betrieb von Handelsimmobilien schon heute gewinnbringend nutzen? Dazu brachte Markus Schmut, Geschäftsführer von Fairmoney, mehrere eindrucksvolle Erfolgsbeispiele. So konnte etwa der Kauf Park Göttingen (D) dank dem Einsatz einer KI-Steuerung seinen Energieeinsatz für Heizung und Kühlung um 25 % senken und so seinen CO2-Fußabdruck um mehr als 8 Tonnen pro Monat reduzieren. In einer Mall in Lettland gelang es sogar, den
Energieverbrauch um 36 % zu senken. In Euro ausgedrückt brachte das den Centerbetreibern und in der Folge den Mietern eine Einsparung von rund 460.000 Euro/Jahr.
Weitere thematisierte Anwendungsbereiche von KI-Lösungen für Handelsimmobilien umfassen u.a. das frühzeitige Erkennen von technischen Problemen am Gebäude („Predictive Maintenance“), die Analyse von Bewegungsmustern im Shopping Center um Mietflächen gezielt zu steuern, die automatisierte Verwaltung von Mietverträgen, die Unterstützung bei der Ermittlung marktgerechter
Mietpreise oder die Erhöhung der Sicherheit durch Risikoerkennung bzw. Erkennung ungewöhnlicher Aktivitäten im Center. Dazu kommen noch die Möglichkeiten der Mieter, das Einkaufserlebnis zu verbessern, etwa mittels intelligenter digitaler Verkaufsberatung oder Screens, die in Echtzeit auf die vor ihnen stehenden Personen reagieren.
Die Philosophie der KI
Trotz aller Erfolgsbeispiele ist die Skepsis gegenüber dem Einsatz von KI in weiten Teilen der Bevölkerung groß. Diesem Thema widmete sich die Wiener Philosophin Lisz Hirn in ihrer Keynote. Sie erinnerte an die grundlegenden Fragen der Philosophie, allen voran die Kantische Frage: „Was ist der
Mensch?“ Immerhin rüttelt allein die Tatsache, dass Maschinen heute komplexe Aufgaben menschenähnlich erfüllen, an unserer vermeintlichen Einzigartigkeit. Lässt sich der Mensch durch Technik weiter optimieren? Muss der Mensch optimiert werden? Und: Wollen wir das überhaupt?
Oder sollte man die Maschine nicht vielmehr willkommen heißen, da sie uns von der Mühsal befreit und uns mehr Zeit gibt für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens? Alles Fragen, über die es sich trefflich philosophieren lässt. Fest steht für Lisz Hirn jedenfalls: Von der Rechenkapazität her hat das
menschliche Gehirn der KI wenig entgegenzusetzen. Aber was die Kreativität anbelangt, wird die KI die Menschheit wohl nicht entscheidend voranbringen.
In der abschließenden Podiumsdiskussion unter der kundigen Moderation von Sasa Schwarzjirg wurden all diese Fragen von den Vortragenden sowie ergänzend der Werbepsychologin Floortje Schilling und EHL-Einzelhandelsimmobilienberaterin Franziska Patay diskutiert. Hierbei war man sich schnell darüber einig, dass KI dabei helfen kann, Kosten zu senken, Erlöse zu steigern und Prozesse zu optimieren. Genauso aber darüber, dass es sehr wohl notwendig ist, sich den grundlegenden Fragen des Menschenbildes zu stellen und verbreitete Ängste nicht kleinzureden. „Der Diskurs darüber, was wir als Gesellschaft wollen und was nicht, wird viel zu wenig geführt“, meinte etwa Matthias Schlemmer. Einig zeigte man sich auch darüber, dass der Akt des Einkaufens trotz der zunehmenden Digitalisierung weiterhin eine große menschliche Komponente aufweisen wird. „Warum shoppen
wir? Nicht nur um Dinge zu kaufen, sondern um etwas zu erleben, um uns mit Menschen auszutauschen. Das ist ein großes Bedürfnis, dass der Online-Handel nicht erfüllen kann“, zeigte sich Floortje Schilling überzeugt.
Gedenken an Richard Lugner
Dass auch die Handelsimmobilienwirtschaft derzeit noch weit stärker von menschlichen Regungen als von künstlichen Intelligenzen bestimmt wird, zeigte sich übrigens schon ganz zu Beginn der Veranstaltung. Da wurde mit Richard Lugner eine Unternehmerpersönlichkeit und langjähriges ACSP-Mitglied mit einer Gedenkminute gewürdigt, die die gesamte Branche entscheidend geprägt hat. Bis zuletzt war Lugner immer treuer Gast des jährlich stattfindenden Kongresses gewesen.
Diesmal zählten Lugners Nachfolger Jacqueline Luger und Gerald Friede zu den Besuchern, ebenso wie Handelsverbands-Präsident Stephan Mayer-Heinisch, der Obmann der Bundessparte Handel in der WKÖ, Rainer Trefelik, sowie praktisch alle Top-Entscheidungsträger der Handelsimmobilienbranche. Der nächste ACSP-Kongress zum Thema „Emotion und Erlebnisse“ findet am 22. Oktober 2025 in
Wien statt.
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