„Die Steigerungsraten werden dramatisch sein”
© Handelsverband/Langegger
Vor der Presse Sher Khan (Google Österreich), Martina Oberrauch (MindTake Research) und Rainer Will (HV) präsentierten den Shopping Index 2023.
RETAIL Redaktion 23.06.2023

„Die Steigerungsraten werden dramatisch sein”

HV-Händlerbefragung ortet Durchbruch beim Einsatz von KI; ganz allgemein schreitet die Digitalisierung voran.

••• Von Paul Hafner

Wiewohl Diskussionen um das Potenzial und die Risiken von Künstlicher Intelligenz der Veröffentlichung von ChatGPT Ende November 2022 um viele Jahrzehnte vorausgehen, haben der Chatbot und die bald darauf veröffentlichten Tools von Mitbewerbern (u.a. Googles Bard) den medialen und gesellschaftlichen Diskurs um KI entscheidend verändert. So eindrucksvoll waren die (häufig große Kompetenz vermittelnden) Antworten auf selbst komplexe und spezifische Fragestellungen, so elegant die automatisierte Erledigung gestellter Aufgaben – kurz: Chatbots haben der breiten Bevölkerung ein Update dazu serviert, was inzwischen alles möglich ist, und dass der Fantasie, was in Zukunft noch alles mit KI-Technik möglich sein wird, keine allzu engen Grenzen gesteckt werden sollten.

„Auch österreichische Händler nutzen KI schon in vielfältiger Weise”, betont Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will – und verweist auf aktuelle Zahlen des neuen HV Shopping Index 2023. Schon 52% der Händler lassen sich demnach bei der Erstellung von Texten für den Online-Shop – etwa bei Produktbeschreibungen oder Blogartikeln – durch KI unterstützen, weitere 29% würden dies planen; in ihre Geschäftsprozesse hätten bis dato erst acht Prozent der Händler KI integriert – doch soll sich dieser Anteil bis Jahresende auf 25% mehr als verdreifachen.
Der Trend überrascht Will mitnichten, kündigt er doch eine „dramatische Aufwärtsentwicklung” bei den Steigerungszahlen der Nutzung der Händler an – KI sei „definitiv gekommen, um zu bleiben”.

Digitalisierung schreitet voran

„Noch keine eindeutige Antwort” auf die Frage nach dem Ausmaß des Einflusses der KI auf den Handel traut sich Sher Khan, Industry Lead bei Google Österreich, zu – man sei „ja erst am Anfang einer technologischen Revolution”, konkreter: ihrer dritten Welle, „nach dem Internet und dem Shift zu mobilen Endgeräten”.

„Was auffällt, ist, dass der Handel beginnt, gewisse Lücken zu schließen”, analysiert Martina Oberrauch, Studienleiterin und Senior Research Consultant bei MindTake Research, mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung. Treibende Kraft dafür ist die von Kindesbeinen mit Smartphones aufgewachsene Generation Z, welche sich nicht nur durch eine naheliegend ausgeprägte Affinität zu neuen Technologien kennzeichnet, sondern laut Studie auch einen Zugang zum Shopping hat, der sich von den Vorgängergenerationen – insbesondere der „Baby Boomer” – wesentlich unterscheidet: „Die jüngsten Online-Shopper laden uns zum völligen Umdenken des Online-Shoppings ein: Sie verbinden Online-Shopping überdurchschnittlich stark mit Spaß (59%), Entspannung (52%) und Unterhaltung (57%)”, so Will. „Erfolgreich werden künftig also hauptsächlich Online-Shops sein, die auch den Spaßmoment der Gen Z bedienen – etwa durch inspirierende Themen- und Bildwelten, Gestaltungsvorschläge, Produktzusammenstellungen (62%) oder in Kooperation mit Influencern (39%), die sie viel stärker inspirieren.”
Die gegenwärtig 12- bis 28-Jährigen nehmen demnach ganz allgemein neue Technologien und Shopping-Kanäle bereitwilliger an. Darüber hinaus legt die Generation Z überdurchschnittlich stark Wert auf Produktbewertungen (67%), Produktfotos anderer Käufer (52%) sowie Kontext-Empfehlungen (48%).

Das Navi als Verkaufskanal

Die österreichischen Einzelhändler stellen sich laut Studie übrigens recht gut auf die potenzialträchtige Kundengruppe ein: 60% der befragten Handelsbetriebe bieten im Online-Shop Inspiration durch Bilder- und Themenwelten, Outfits oder Rezepte; jeweils ca. ein Viertel mittels Produktvorstellungen bzw. Inspirationen zur Produktverwendung via YouTube, und immerhin acht Prozent offerieren Augmented Reality-Anwendungen.

Auch neue Verkaufskanäle werden evaluiert: Bereits die Hälfte nutzt „Instagram Shopping”, bei weiteren 23% ist dies geplant; 37% wollen künftig „TikTok Shop” nutzen, und 31% der Händler wollen in Zukunft ihre Kunden mit WhatsApp bedienen (jeweils ca. fünf nutzen diese Plattformen bereits als Vertriebskanäle).
Spannend: „Auch das Navi entwickelt sich zum Verkaufskanal. Geo-Shopping ist eine massive Chance für lokale Händler, auch für kleine Händler ohne eigenen Webshop, auf ihr Sortiment und ihren Standort digital zu verweisen – kostenfrei und mit minimalen digitalen Kenntnissen”, wie Will erklärt. So erwarten mittlerweile 75% der Konsumenten (und 81% der Generation Z) ein vollständiges Profil von Händlern auf Google, 69% empfinden einen gebrandeten Pin auf Google Maps als hilfreich, und 70% fänden es attraktiv, in Google Maps direkt nach Produkten suchen zu können, um passende Händler in der Nähe mit lagernden Exemplaren der gesuchten Produkte angezeigt zu bekommen.
Technisch kein Problem, meint Khan: „Im Google Merchant Center können Händler lokale Warenverfügbarkeiten in Google einspielen und so bei entsprechender Produktsuche der Konsumenten in Google Maps als Händler in der Nähe angezeigt werden.”

Wunsch und Wirklichkeit

Ungenutzte Potenziale ortet die Studie in Sachen kostenplichtiger Same Day-Delivery, die sich 38% der Konsumenten (50% der Generation Z) wünschen, die aber gegenwärtig nur von fünf Prozent der Händler angeboten wird; Scan & Go, also das Scannen und Bezahlen der Ware in der Filiale mit dem eigenen Handy, würden 40% nutzen (Generation Z: 50%) – für 87% Händler mit Filialstandorten ist das hingegen kein Thema, weder heute noch in näherer Zukunft.

Auch Click & Collect mit 24/7-Abholmöglichkeit ist für 50% wichtig (Generation Z: 60%), von den im Desk Research untersuchen Händlern bieten es aktuell jedoch nur 25% an.

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