••• Von Paul Hafner
WIEN / WR. NEUDORF. Ende April des vergangenen Jahres kündigten Faserhersteller Lenzing und Textilkonzern Palmers die gemeinsame Produktion von Schutzmasken in Wiener Neudorf an: Das Joint Venture Hygiene Austria, dessen Grundstein vor genau einem Jahr (12. März 2020) per Eintrag ins Firmenbuch gelegt wurde, plante, monatlich eine Anzahl von 12 Mio. Stück Mund-Nasen-Schutzmasken herzustellen, eine Menge, die man bald auf 25 Mio. Masken steigern wollte.
Medial mutierte das Unterfangen rasch zum österreichischen Vorzeigeprojekt: Bundeskanzler Sebastian Kurz richtete seinen Dank per Videobotschaft aus, Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger (alle ÖVP) lobten „die Produktion hochwertiger Schutzmasken” am Standort in Wiener Neudorf.
Ein Jahr später ist die Zukunft der Hygiene Austria unklar, ihr Ruf jedenfalls ruiniert: Infolge der Betrugsvorwürfe regnet es statt lobender Worte Hohn, Spott und Kritik.
Entfaltung des Skandals
In der Vorwoche wurde bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Hausdurchsuchungen am Produktionsstandort sowie am Firmensitz in Wien durchgeführt hat – im Raum steht der Verdacht auf schweren gewerbsmäßigen Betrug (Umetikettierung chinesischer Masken zu österreichischen) und organisierte Schwarzarbeit (die „Umpacker” sollen unangemeldet beschäftigt gewesen sein).
Eingestanden wurde vonseiten der Hygiene Austria bislang, dass „zu Spitzenzeiten” Masken aus China zugekauft worden seien, während Vorwürfe bezüglich Schwarzarbeit und Betrug zurückgewiesen wurden. Während sich Palmers-Chef Tino Wieser den Medien stellte, Aufklärung versprach und für die „hohe Qualität” aller ausgelieferten Masken bürgte, ja sogar die gänzliche Übernahme des Unternehmens in Aussicht stellte, will man beim Partner Lenzing nichts mehr von der unangenehmen Causa wissen: Der Mehrheitseigentümer zog seine beiden Geschäftsführer ab, Pressesprecher Johannes Vetter richtete der APA lediglich aus, die Vorgänge rund um die Hygiene Austria nicht weiter kommentieren zu wollen.
Händler stoppen Verkauf
Große Handelsketten wie Spar, Rewe und dm reagierten jedenfalls rasch auf die Vorwürfe und stoppten vorerst den Verkauf der verrufenen FFP2-Masken aus dem Hause Hygiene Austria. Es gehe nicht um Qualitätsprobleme, man reagiere jedoch auf einen Vertrauensverlust, begründete Rewe-Sprecherin Ines Schurin den Schritt.
„Es ist eine Kassensperre eingerichtet und die Ware wird aus den Regalen geräumt”, fand auch Spar-Sprecherin Nicole Berkmann klare Worte, die darüber hinaus weitere Geschäftsbeziehungen mit Hygiene Austria kategorisch ausschloss. Auch rechtliche Schritte behalte man sich vor. Seitens Hygiene Austria wurde indes eine „Transparenzoffensive” angekündigt – es bleibt abzuwarten, was diese zutagefördert.