Sparende Kunden schmerzen Handelsbranche besonders
© APA/Helmut Fohringer
RETAIL Redaktion 03.08.2023

Sparende Kunden schmerzen Handelsbranche besonders

WIEN. In schwierigen Zeiten schauen die Menschen genauer auf ihre Ausgaben. Nicht dringende Käufe werden wegen der weiter extrem hohen und nur langsam sinkenden Inflation verschoben. Das spürt der Handel besonders. Zuletzt gab es die Riesenpleite von Kika/Leiner. Dazu kamen Forstinger, Gerry Weber, Salamander. Das Kaufverhalten habe sich zudem ins Internet verlagert, worauf nicht alle Handelsfirmen ausreichend ausgerichtet seien, so Insolvenzexpertin Cornelia Wesenauer im Ö1-Radio.

Zuletzt fielen die Pleiten von Handelsketten besonders auf. Der Einzelhandel leidet nach wie vor unter einem schwachen privaten Konsum, wie erst am Montag aus dem aktuellen "Konjunkturreport Einzelhandel" des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) im Auftrag des Handelsverbandes hervorgeht. Die Nachfrage blieb seit Jahresbeginn unter dem Vorjahresniveau. Nominell verzeichnete der Handel zwar ein Wachstum, aber inflationsbereinigt erzielte die Branche seit September vergangenen Jahres kein Wachstum mehr.

In dieser Branche gibt es auch laut Wesenauer vom AKV und auch Cordula Cerha von der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) spezielle Themen. "Auf der einen Seite hat sich die Kostensituation im Handel zugespitzt", so Cerha im Ö1-"Morgenjournal". "Wir haben gestiegene Energiepreise, höhere Lohnkosten und die Zinssituation erhöht natürlich auch die Kapitalkosten und es gab auch Probleme in den Versorgungsketten, die sich da niedergeschlagen haben." Wesenauer sagt, der Handel habe das spezielle Problem, dass Faktoren wie erhöhte Energiekosten, steigende Zinsen und Ähnliches nicht nur die Seite des Unternehmens selber treffen, sondern auch die Kunden selbst. Und das wiederum bedeute "doppelte und dreifache" Auswirkungen auf den Handel.

Es sei aber nicht nur die Inflation, immer noch spiele Corona eine Rolle, sagt Cerha: "Es gibt sicher auch einen Nachholeffekt nach Covid. Während der Pandemie gab es deutlich weniger Insolvenzen als in den Jahren davor. Das war jetzt nicht dadurch bedingt, dass die Unternehmen auf einmal alle keine Probleme mehr hatten, sondern da haben die Förderungen sicher auch in manchen Unternehmen die Probleme überdeckt."

Rainer Will vom Handelsverband widersprach im Bericht: Solche Nachzieheffekte gebe es im Handel nicht. "Wir hatten im letzten Lockdown auch kaum Hilfen erhalten im Vergleich zur Restwirtschaft", monierte der Handeslverband-Geschäftsführer. "Wir haben keinen Energiekostenzuschuss erhalten. Der ganze Handel in Europa hat einen erhalten, nur in Österreich hat man den nicht bekommen. Wir haben auch bei den Abgaben keinerlei Reformen und daher gibt es hier keine Nachholeffekte."

Es liege daran, dass die Konsumstimmung schlecht war und nur langsam besser werde. Der Handel erziele im neunten Monat in Folge kein reales Umsatzwachstum, erinnerte Will im Radio. Cerha von der WU Wien sagte allerdings auch, dass bei manchen Unternehmen Fehler der Grund für Insolvenzen seien. So habe sich der Zusteller Flink wenig überraschend aus dem Österreichgeschäft zurückgezogen. Die Strategie sei nicht vorausschauend gewesen.

Die Zahl der gesamten Unternehmensinsolvenzen lag zuletzt - zum Halbjahr - exakt auf Vor-Corona-Niveau. 2019 waren es laut Kreditschutzverband KSV1870 1.534, heuer 1.548. Wesenauer vom Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) rechnete am Dienstag im "Morgenjournal" damit, dass sich die zweite Jahreshälfte ähnlich entwickeln werde. Damit sei also nicht mit einer Insolvenzwelle zu rechnen, auch wenn es einige Pleiten von Unternehmen geben dürfte, die nur durch die staatlichen Stützungsmaßnahmen über die Coronazeit gekommen waren - in der Coronazeit habe es wegen der staatlichen Stützen unnatürlich wenig Pleiten gegeben. Was schon länger ansteige, sei die Zahl der Pleiten, die mangels Masse abgewiesen werden. Hier erwartet Wesenauer einen weiteren Anstieg.

Dass es einen Nachholeffekt nach Corona gibt, beobachte man nicht bei der Zahl der Insolvenzeröffnungen, sondern bei den Abweisungen, so Wesenauer. "Das heißt, wir gehen davon aus, dass sozusagen all die Unternehmen, die die letzten zwei Jahre nicht eröffnet worden sind, sich erst wieder finden in diesen mangels Kostendeckung nicht eröffneten Verfahren. Das heißt, in diesen Unternehmen ist nicht einmal genug Geld vorhanden, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet werden könnte."

Zur Forderung des Handelsverbandes nach weiteren Hilfen sagte Wesenauer sinngemäß, dass man sich - so wichtig Hilfen während Corona waren - sich jetzt die Frage stellen müsse, ob nicht auch einmal die Seite der Konsumenten gestärkt werden sollte. "Aber natürlich gibt es auch Faktoren, wo man wirklich sagt, dass Insolvenzen einen gewissen natürlichen Reinigungseffekt auf dem Markt haben. Das sind in gewisser Weise Unternehmen, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind oder die vielleicht nicht mehr wirtschaftlich geführt werden können, durch Insolvenzen einfach bereinigt werden können.“ (APA)

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