Touristischer Sportfachhandel bangt erneut um Winterurlaubsgäste
© Intersport Austria
RETAIL Redaktion 17.12.2021

Touristischer Sportfachhandel bangt erneut um Winterurlaubsgäste

WIEN. In der Wintersaison 2020/2021 verzeichneten touristische Sportartikelhändler Umsatzverluste von bis zu 95 Prozent. Die Hoffnung war groß, dass mit dem Impffortschritt, klaren Regelungen und frühzeitig abgestimmten Lösungen auf europäischer Ebene ein Totalausfall der Wintersaison 21/22 verhindert werden kann. Doch eine Untersuchung der SpEA (SportsEconAustria) unter der Leitung von Christian Helmenstein im Auftrag des Bundesgremiums Handel mit Mode und Freizeitartikeln in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) belegt nun, dass das eingetreten ist, wovor die Branche schon in der letzten Saison gewarnt hat: Falls erneut die Urlaubsgäste fehlen, werden die aktuellen Liquiditätsengpässe und Abwanderung von Mitarbeitern existenzbedrohend für die Sportfachhändler sein. Geschlossene Grenzen, regionale Lockdowns, unklare und überbordende Quarantäne-Regelungen für Touristen, würden die zweite Wintersaison in Folge zerstören.

Hohe Abhängigkeit des Geschäfts von ausländischen Gästen
In touristischen Regionen gibt es rund 750 Sportartikelgeschäfte, schwerpunktmäßig im Westen Österreichs. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um familiengeführte Einzelunternehmen (94 Prozent). Die Umsätze aus den Herkunftsländern Deutschland, Niederlande und England machen über 70 Prozent des Umsatzes von touristischen Sportartikelgeschäften aus, der Großteil davon wird im Winter von Dezember bis März erzielt. Neben dem Sportartikelhandel selbst sind die Vermietung, Services und Skidepots Hauptumsatzbringer und überlebenswichtiger Bestandteil des Geschäfts – hier waren die Umsatzrückgänge mit Abstand am größten und vielfach ein Totalausfall.

Düsteres Zukunfts-Szenario
Auch die Einschätzungen der Sportartikelhändler für die bevorstehende Wintersaison sind erwartungsgemäß und mit den Erfahrungen aus der vergangenen Saison demensprechend negativ. 86 Prozent der Händler erwarten wieder Umsatz- und Gewinnverluste. Die von SpEA in der Studie durchgeführte Hochrechnung für die Wintersaison 2021 bestätigt diese düstere Einschätzung. Es wurde mit drei epidemiologischen Szenarien gerechnet, sogar das aktuelle Basis-Szenario, das von der derzeitigen Öffnungs-Situation ausgeht, steht bei einem Umsatzverlust von mindestens minus 15 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019. „Doch genau hier schweben wir absolut im Ungewissen. Wir müssen leider auch in dieser Saison wieder mit dem Worst Case-Szenario von maximal minus 95 Prozent rechnen. Es braucht daher von der Politik klare Rahmenbedingungen und Planungssicherheit, damit die Wintersaison überhaupt stattfinden kann“, sagt Michael Nendwich, Sprecher des Sportartikelhandels in der WKÖ.

International abgestimmtes Vorgehen notwendig
Bereits im Sommer hat sich die europäische Sportartikelbranche zusammengeschlossen, um die Reisefreiheit im EU-Raum durch klare Regelungen zu gewährleisten. „Auf bestimmte politische Lösungen warten wir leider immer noch – etwa was die unterschiedliche Anerkennung von Booster Impfungen betrifft“, so Nendwich. Das Lockdown-Ende des Handels mit 13. Dezember war ein wichtiger erster Schritt, um die Wintersaison 21/22 zu retten, reicht aber nicht: Ein möglicher Weihnachts-Lockdown in Deutschland sowie die Omikron-Variante hängen wie ein Damoklesschwert über dem touristischen Sportfachhandel. „Wir müssen jetzt gewährleisten, dass die Saison umgehend startet und auch bis März andauern kann. Unsere Händler bestätigen uns: Die Gäste wollen kommen, es kennt sich nur keiner aus, in welcher Form das möglich ist“, bekräftigen die Verantwortlichen der größten heimischen Händlerverbände, Thorsten Schmitz, Geschäftsführer Intersport Österreich und Holger Schwarting, Vorstand Sport 2000.

Negativer Dominoeffekt auf heimische Skiindustrie
Österreich lag bislang mit einem Absatz von 444.907 Paar Ski (Alpin & Touren-Ski, Vor-Corona-Saison 19/20) auf Platz 2 hinter den USA. Haupt-Abnehmer der heimischen Ski-Industrie ist der touristische Sportartikelhandel. Einbußen und Schwierigkeiten im Sportartikel-Einzelhandel treffen aber auch ein umfangreiches Netzwerk an Vorleistungen und hier in erster Linie die Industrie, auch das bestätigt die aktuelle Studie. Die fehlende Liquidität bei den Händlern hat bereits zu geringeren Bestellungen bei der Skiindustrie für diese Saison geführt und wirkt sich damit unmittelbar auf die heimische Wertschöpfung aus.

„Die Abhängigkeit des touristischen Sportfachhandels von den Branchen Hotellerie, Gastronomie und Tourismus ist sehr stark“, bestätigt Studienautor Helmenstein. „Auf jeden Euro, der im touristischen Sportfachhandel umgesetzt wird, kommen 51 Cent in vor- und nachgelagerten Branchen. Die Gefahr ist groß, dass dieses starke Netzwerk mit der heimischen Skiindustrie sowie zahlreichen Lieferanten langfristig beschädigt wird, sollte die Wintersaison nicht wie geplant stattfinden. Wir müssen einen negativen Dominoeffekt auf die Weltmarktführer aus der österreichischen Ski-Industrie unbedingt vermeiden – sonst droht auch hier der Verlust von heimischer Wertschöpfung und Arbeitsplätzen“, so Helmenstein.

Stark sinkende Beschäftigung
Zusätzlich zu den ausbleibenden Tourismusgästen und Liquiditätsengpässen gibt es ein drittes einschneidendes Problem für den Sportfachhandel, das sich in den letzten Monaten verschärft hat: Die Abwanderung von Mitarbeitern in andere Branchen. Für 94 Prozent der touristischen Sportfachhändler ist es gemäß Umfrage sehr schwierig, ausreichend geeignete Mitarbeitende zu finden. Weitere 77 Prozent rechnen damit, dass die Beschäftigung künftig sinken wird. Ein klares Commitment, dass die Wintersaison stattfinden wird, würde den Beschäftigten Sicherheit geben.

Schnelle und unbürokratische Verlängerung der Förderungen
Bereits der erste Teil der Studie im vergangenen Februar hat belegt: Vier von fünf Betrieben hätten die Wintersaison 2020/21 ohne externe Hilfen nicht überstanden. Jetzt zeigt sich, dass 77 Prozent der touristischen Sportgeschäfte den Fixkostenzuschuss beantragt haben, 74 Prozent waren auf die Corona-Kurzarbeit angewiesen und knapp 70 Prozent zählten auf den Umsatzersatz und den Ausfallbonus. „Diese Hilfen müssen schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden. Vor allem auch, da fast die Hälfte der Betriebe in diesen schwierigen Zeiten investiert und die Investitionsprämie in Anspruch genommen hat. Und unsere Branche wird zum wirtschaftlichen Überleben weitere Hilfen brauchen, falls die Wintersaison nicht wie geplant startet und unsere Gäste kommen können“, fordert Nendwich abschließend. (red)

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