••• Von Ornella Luna Wächter
Antibiotika-Resistenzen auf Frisch-fleisch? Ja, das gibt es. Obwohl in der EU seit 2006 der Einsatz von Antibiotika in Futtermitteln verboten ist. Dass dennoch unglaubliche Mengen an Medikamenten in der Tierhaltung benötigt werden, liegt an den Haltungsbedingungen. Und ist damit ein systemimmanentes Problem. Die Tiere erkranken an allerlei „Produktionskrankheiten”, die aufgrund von Platz- und Bewegungsmangel, unnatürlichen Böden (die Tiere stehen auf Gittern oder Spalten), Langeweile oder durch den Verlust des Muttertieres auftreten können. Um nur einige zu nennen.
Da sich in der Wärme und Enge der Mastbetriebe schnell Krankheiten ausbreiten können, mischen Betreiber Antibiotika ins Futter oder Trinkwasser, damit die Tiere erst gar nicht krank werden. Laut der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) werden allein in Österreich rd. 50 t Antibiotika verwendet, 75% davon in der Schweinebranche. Der massenhafte Einsatz der Bakterienkiller in der Tierhaltung führt dazu, dass sich im Laufe der Zeit resistente Bakterienstämme bilden. Das ist eine Tatsache. Die Frage, die bislang noch ungeklärt im Raum hängt, ist, ob das auch für die menschliche Gesundheit gefährlich werden könnte. Studien gibt es in Österreich bislang keine dazu, lediglich Stichproben der AGES.
Test: Greenpeace und AGES
Die aktuellste Stichprobe, die Fleisch auf antibiotikaresistente Keime untersucht, wurde im Juni durchgeführt und von Greenpeace und der AGES veröffentlicht. „Das Testergebnis zeigt: Wir holen uns diese gefährlichen Keime mit dem Fleisch direkt in die Küche”, fasst Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftssprecher bei Greenpeace in Österreich, die Resultate zusammen. „Dass die Hälfte des untersuchten Faschierten belastet ist, ist alarmierend.” Auf drei der sechs untersuchten Proben fand man Bakterien mit Antibiotika-Resistenzen.
Die Frischfleisch-Proben stammten aus dem österreichischen LEH, das Fleisch wurde ausnahmslos in Österreich erzeugt. Getestet wurden sechs Proben Schweinefleischstücke wie Karreesteaks und Schweinskotelett sowie sechs Proben Faschiertes – fünf davon gemischtes Rind- und Schweinefleisch. Bio-Fleisch fand sich nicht unter den Proben, da es zu wenig unter den Konsumenten im Umlauf ist: Der Marktanteil von Bio-Schweinefleisch macht in Österreich weniger als 2% aus. Die Keime, nach denen im Fleisch gesucht wurde (siehe Tabelle rechts), tragen die kryptischen Mediziner-Bezeichnungen Extended Spectrum Beta-Laktamase (ESBL) und Escherichia coli sowie Staphylococcus aureus (MRSA).
Antibiotika-Krise
Bei Letzterem ist ein Nachweis insofern für Menschen bedenklich, als dass der Keim u.a. Wundinfektionen hervorrufen kann, die aufgrund der Resistenz gegen Antibiotika schwerer zu behandeln sind. „Das trägt dazu bei, dass die Medikamente auch bei uns Menschen immer mehr an Wirkung verlieren”, so der Greenpeace-Experte. Wege, die zu einer besseren Tierhaltung, zu weniger Antibiotika und zu unbelastetem Fleisch im LEH führen könnten, schlägt Greenpeace bereits seit Jahren vor. Ein Mitstreiter ist auch Wolfgang Pirklhuber, der als Reaktion auf den Frischfleisch-Test ein Reduktionsprogramm von Antibiotika in der Landwirtschaft fordert. Der Landwirtschaftssprecher der Grünen vertritt die Meinung, dass die Tierhaltung unbedingt verbessert gehört, da die Ställe zu einem „riesigen Trainingsgebiet für Keime” geworden sind. Eine geringere „Besatzungsdichte” wäre für ihn eine gesündere Lösung. Von den Reduktionsmaßnahmen wäre vor allem die Schweinebranche betroffen, Dreiviertel der Antiobiotika werden dort verabreicht. Ausbaufähig wäre zudem die Produktion von Bio-Fleisch, da dort die Antibiotika-Regelung streng ist. Eine Reduktion könnte die drohende Prognose des „Post-Antibiotika-Zeitalters” entschärfen. Offiziell sollen in Europa nämlich jährlich bereits 25.000 Menschen an Antibiotika-Resistenzen sterben.