••• Von Alexander Haide
WIEN. Der Ort, an dem sich ein Pärchen kennen und womöglich auch lieben lernt, sollte im Grunde keinen Anlass zur Diskussion geben. Was in Österreich (noch) kein Compliance-Thema ist, kostete aber in den USA etwa den Präsidenten von CNN, Jeff Zucker, im Jahr 2022 seinen Job. Ein explizites Verbot einer Job-Romanze gab es damals zwar nicht, Zucker hätte seine Liebelei allerdings bei deren Beginn dem Arbeitgeber bekannt geben müssen.
In Österreich ist die Rechtslage anders. „Da erwerbstätige Personen oftmals viel Zeit am Arbeitsplatz verbringen, ist es keine Seltenheit, dass sich unter Arbeitskollegen mitunter so manche Liebesbeziehung ergeben kann”, weiß Rainer Kraft, Geschäftsführer vom Vorlagenportal für Arbeitsrecht und Personalverrechnung. Obwohl solche Beziehungen die Arbeitsfreude steigern können, gibt es in den USA Unternehmen, die sie verbieten. „In Österreich hingegen sind solche Verbote rechtlich unzulässig, da sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter verletzen würden.”
Job-Flirts führen zu Ehen
Im vergangenen Sommer führte das US-Portal forbes.com eine Studie zum Thema „Liebe am Arbeitsplatz” durch, und die Ergebnisse sind überraschend. Demnach hatten 60% der befragten Erwachsenen zumindest ein Mal eine Romanze mit einem Kollegen oder einer Kollegin. Stolze 43% der Office-Affären endeten mit einer Eheschließung. Die dunkle Seite: 40% aller Liebeleien im Job waren Seitensprünge. Das führe, so forbes.com, zu einer Flut an Klatsch und Tratsch, die rasch zu einem Albtraum für HR-Abteilungen werden kann.
Liebe aus Bequemlichkeit
Es sind die unterschiedlichsten Motive, die zu einer Romanze am Arbeitsplatz führen können. Mit 65% wurde am häufigsten die Motivation genannt, dass es einfach bequem sei, eine Beziehung „on the job” zu haben. 61% gaben an, dass nicht genügend Freizeit zur Verfügung stehe, sich abseits der Arbeitsstelle einen Partner zu suchen.
Romanzen im beruflichen Umfeld haben allerdings auch Schattenseiten: Mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, dass sie während einer Affäre am Arbeitsplatz von unbeteiligten Kollegen anders behandelt wurden, 33% berichteten sogar von Eifersüchteleien und 41% fühlen sich unwohl, wenn es während der Arbeitszeit zu Zärtlichkeiten kommt.
Dass der Arbeitsplatz als Dating-Plattform fungiert, ist nichts Neues – immerhin verbringen Angestellte einen Großteil des Tages bei der Arbeit, zudem lernt man sich automatisch näher kennen. Eine Studie des deutschen Unternehmens Viking und des Meinungsforschungsinstituts OnePoll unter 1.000 Befragten ergab, dass 42% bereits ein Date mit Kollegen hatten, bei 33% führte das zu einer Beziehung.
One-Night-Stands beliebt
Nicht jeder sucht im beruflichen Umfeld allerdings nach der neuen großen Liebe. Der Klassiker: Nach einer Firmenfeier oder bei einem Betriebsausflug landen zwei Kollegen gemeinsam im Bett. Vor allem sind es Männer – jeder fünfte Befragte gab an, bereits einen One-Night-Stand mit einer Mitarbeiterin gehabt zu haben, bei Frauen ist es jede zehnte.
Auch das Forsa-Institut widmete sich im Auftrag von Xing dem Thema und fand heraus, dass sich das Klischee, dass vor allem männliche Vorgesetzte mit (jüngeren) weiblichen Kolleginnen eine Affäre beginnen, nicht ganz unbegründet hält.
Es sind vor allem Männer, die einer Liebschaft mit einer Praktikantin oder einer Auszubildenden nicht abgeneigt sind. Jede vierte Frau berichtete von einer Beziehung zu einem Vorgesetzten.
Hierarchie unbedeutend
Das Vorlagenportal für Arbeitsrecht und Personalverrechnung hat Liebesbeziehungen zwischen Untergebenen und Vorgesetzten rechtlich beleuchtet. Das wurde zwar in der Rechtsprechung bisher nicht behandelt, in der einschlägigen Fachliteratur gibt es aber eine klare Linie: Die Hierarchieebene in Beziehungen am Arbeitsplatz spielt keine entscheidende Rolle.
In Österreich gibt es grundsätzlich keine gesetzlichen Meldepflichten für Liebesbeziehungen zwischen Kollegen. Bei möglichen Interessenkonflikten sind Arbeitnehmer dennoch angehalten, den Arbeitgeber zu informieren. „Bei Problemen im Betriebsklima aufgrund von Liebesbeziehungen können Maßnahmen wie Gespräche, Verwarnungen oder sogar Versetzungen in Erwägung gezogen werden. Das Ende einer Liebesbeziehung hat jedoch keine arbeitsrechtlichen Auswirkungen, es sei denn, es beeinträchtigt die Zusammenarbeit”, erläutert Birgit Kronberger, Geschäftsführerin vom Vorlagenportal für Arbeitsrecht und Personalverrechnung.
Kündigen geht auch grundlos
Aber: In Österreich gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit, solange die Kündigung weder gegen die guten Sitten, noch gegen ein Diskriminierungsverbot verstößt. Außerdem ist auf die Normen des allgemeinen Kündigungsschutzes und des besonderen Kündigungsschutzes bestimmter Personengruppen zu achten: „Wenn keiner dieser Sonderfälle vorliegt, kann der Arbeitgeber ohne Begründung die Kündigung aussprechen”, meint Kraft.
Probleme können durch Vertrauensunwürdigkeiten oder beharrliche Pflichtverletzungen entstehen. Hier kann unter Umständen eine fristlose Entlassung drohen. Die Liebesbeziehung zwischen Arbeitskollegen als solche gesehen rechtfertigt aber keinesfalls eine Entlassung. „Hierfür müssen eben immer besondere Begleitumstände, sprich ein gesetzlicher Entlassungstatbestand, hinzukommen. Zum Beispiel wenn ein Angestellter mit Vorgesetztenfunktion seine Partnerin dienstlich wiederholt und offensichtlich ungerechtfertigt bevorzugen würde”, erklärt Kronberger.
Allerdings können unangemessene Liebesbekundungen am Arbeitsplatz als sexuelle Belästigung betrachtet werden, was arbeitsrechtliche Konsequenzen und sogar Schadenersatz zur Folge haben kann.