Wenn der eigene Job plötzlich hinterfragt wird
© Great Place to Work
CAREER NETWORK Redaktion 20.05.2022

Wenn der eigene Job plötzlich hinterfragt wird

„Vielen Firmen gelingt es nicht, ihren Mitarbeitern den Sinn ihrer Tätigkeit zu vermitteln”, so GPTW-Chefin Doris Palz.

••• Von Britta Biron

WIEN. Gestern, am 19. Mai 2022, zeichnete Great Place to Work bereits zum 20. Mal Österreichs beste Arbeitgeber aus. Im Vorfeld der Feier bat medianet Geschäftsführerin Doris Palz zum Interview.


medianet:
Wie hat sich seit dem Start von Great Place to Work in Österreich vor 20 Jahren die Einstellung der Betriebe zu Employer Branding entwickelt?
Doris Palz: Zu Beginn der 2000er-Jahre war das Thema gerade einmal in der HR-Welt angekommen und die Auszeichnung als ‚Österreichs Beste Arbeitgeber' zwar interessant, jedoch noch nicht so begehrt, wie das heute in Zeiten des Fachkräftemangels ist.

medianet:
Was sind die größten Erfolge von Great Place to Work?
Palz: Die Einführung von Angeboten, mit denen Betrieben in spezifischen Bereichen Sichtbarkeit für ihre Arbeitgeberqualitäten gegeben werden kann. Dabei denke ich an ‚Great Start' für Lehrbetriebe oder die Zertifizierung von Tourismusbetrieben, die wir in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Vorarlberg durchgeführt haben.

Seit 2018 können alle Betriebe, die zehn oder mehr Beschäftigte haben, ein Great Place to Work-Zertifikat erlangen. Dies war ein bedeutender Schritt, denn dadurch ermöglichen wir deutlich mehr Unternehmen, ihre Arbeitgeberqualität durch die Mitarbeitenden überprüfen zu lassen. Das gibt Menschen, die auf Jobsuche sind, qualifizierte Orientierung – ähnlich einer TÜV-Zertifizierung. Nur geht’s hier um die Arbeitsplatzqualität. Anders gesagt geht es darum, dass Menschen wissen, dass die Beschäftigten dieser Unternehmen sagen: Dies hier ist für uns ein Great Place to Work. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das ein immer wichtigeres Unterscheidungsmerkmal.

medianet: In welchen Bereichen sind die Fortschritte heimischer Unternehmen in Sachen Arbeitgeberqualität am größten?
Palz: Die Qualität der Führung bei den ausgezeichneten Arbeitgebern hat deutlich zugenommen. Das betrifft sowohl ihr glaubwürdiges Führungsverhalten wie auch den respektvollen Umgang mit den Mitarbeitern sowie Gleichbehandlung und Fairness. Während die Beschäftigten in Great Place to Work-Unternehmen auch während der Krisenjahre angeben, zu 85 Prozent ihrem Arbeitgeber zu vertrauen, sagen das bei Durchschnitts-Unternehmen nur 58 Prozent.

medianet: Wo gibt es den größten Verbesserungsbedarf?
Palz: Nach wie vor gelingt es einer großen Anzahl an Unternehmen nicht, ihren Mitarbeitenden den Sinn ihrer Tätigkeit zu vermitteln. So geben in unserer Global Well-being-Studie vom November 2021 58 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer an, dass es ihnen an Sinn bei ihrer Tätigkeit fehlt, und 40 Prozent empfinden, dass ihr Job nichts bewegt. Tragisch empfinde ich auch, dass 35 Prozent der Befragten angeben, sich nicht als Teil ihres Unternehmens fühlen.

medianet:
Worauf führen Sie es zurück, dass der Wunsch nach einer sinnvollen Tätigkeit bei der Wahl des Arbeitgebers heute eine so viel größere Rolle spielt als noch vor 20 Jahren?
Palz: Vor der Coronakrise war schon die Klimakrise ein großes Thema. Speziell die Jugend hat sich mit Fridays for future solidarisiert. Da wurde das Bewusstsein freigelegt, dass es für das Morgen nicht mehr so gut aussieht. Dann kam noch die Pandemie dazu, die auch gerade der jüngeren Generation mehr als der älteren zugesetzt hat, und nun noch der Krieg in der Ukraine. Unvorstellbares und für unmöglich Gehaltenes findet gerade statt, und damit wächst die Sehnsucht nach einer besseren Welt. Dazu möchten Menschen auch selbst etwas beitragen. Sie wollen ihr Leben sinnerfüllt verbringen – auch in der Arbeitswelt. Sie wollen für Unternehmen tätig sein, die Teil der Lösung dieser vielen Probleme sind, und nicht für jene, die gewissensbefreit dem Profit nachjagen.

medianet:
Mit den Special Awards für ökologisches und soziales Engagement, die heuer erstmals verliehen wurden, rückt Great Place to Work dieses Thema in den Fokus. Wie ist diese Initiative bei den Unternehmen angekommen?
Palz: Ein Viertel der Besten Arbeitgeber 2022 hat eingereicht, und aus der Reihe der bereits zertifizierten Betriebe sind ebenfalls Einreichungen eingegangen; es ist überwältigend, wie nachhaltig und glaubwürdig manche Betriebe – allen voran die Preisträger Fronius, Chiesi Pharmaceuticals, Niceshops und die Vereinigten Eisfabriken und Kühlhallen in Wien – ihre ökologische und soziale Verantwortung übernehmen und dabei wirtschaftlich großartig performen.

medianet:
Überwiegen eher ökologische oder soziale Maßnahmen oder ist das Verhältnis weitgehend ausgeglichen?
Palz: Einblicke haben wir ja nur in jene Betriebe, die sich von uns zertifizieren lassen, und tendenziell ist hier zu sehen, dass die ökologische Nachhaltigkeit bewusster in die Unternehmen integriert ist. Das ist auch nicht verwunderlich, gibt es dafür doch auch klare Normen und Zertifizierungen.

medianet:
Die Special Awards sind aber keine singuläre Maßnahme …
Palz: Ja, unter dem Motto ‚Better Great Together' gibt es noch weitere Maßnahmen. Um nachhaltig agierende Unternehmen und Star-ups zusammenzubringen, haben wir heuer auchdie Initiative Better Great Together gestartet.

Ein Mitgliedschaft bei Better Great Together eröffnet Unternehmen jeder Größe und aus allen Branchen die Möglichkeit, sich in einem B2B-Kreis verantwortungsvoller ZukunftsMacher zu präsentieren. Vielfältige Collaboration-Formate, wie ‚Conversation Cafés', ‚Solution Camps' und ‚Jobs mit Impact', bieten Möglichkeiten, die eigene Nachhaltigkeits-Agenda zu bearbeiten, spezielle Angebote zu machen und sich am ‚Jobs mit Impact Day' vorzustellen.
Darüber hinaus werden wir im November mit ‚Companies who care' einen zusätzlichen Award vergeben, der jene Unternehmen auszeichnet, die sich nachhaltig um ihre Belegschaft sowie Natur und Gesellschaft nachhaltig bemühen.

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