WIEN. Es ist leichter gesagt als getan, „ich kaufe nachhaltig ein”. Denn was bedeutet schon „nachhaltig”? Ist der nachhaltig gefangene Bio-Fisch aus dem Pazifik mit seiner Reise um den halben Erdball nachhaltig? Oder doch eine konventionell „produzierte”, aber heimische Forelle? Kann mein Gewissen eine Bio-Avocado aus Israel verkraften oder sollte ich auf Avocados ab sofort verzichten?
Es bleibt ein, besonders bei Diskussionen, hitziges Thema – nicht selten gibt es mehr Meinungen als Diskutanten. Die Einstellung „bringt-eh-alles-nix” geht jedenfalls gar nicht. Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat sich medianet bei Nah&Frisch Kaufleuten, aber auch Kunden umgehört, wie sie es mit der Nachhaltigkeit handhaben, und nach Tipps & Tricks gefragt.
Weniger ist mehr
Eines vorweg: Nachhaltig einkaufen, ist in der Bevölkerung angekommen und wird je nach Herkunft und Alter anders interpretiert. Für die einen reicht es, den eigenen Einkaufskorb mitzubringen; das geht anderen nicht weit genug.
Nah&Frisch Kundin Maria R., Unternehmerin im Marchfeld, bevorzugt lokale Produkte und kauft lieber weniger, dafür in Bioqualität: „Das war das Leichteste: Ich kaufe nur mehr das, von dem ich mir wirklich sicher bin, dass ich es auch brauche beziehungsweise verbrauche – da ist dann bio kostentechnisch leicht drin. Nachhaltig sind für mich auch meine Haustiere, Enten und Gänse, da habe ich täglich frische Bio-Eier. Ein längerfristigeres Projekt wird meine Photovoltaikanlage, da muss ich noch sparen.”
Noch leichter findet es Florian J., wenn die Vorauswahl quasi schon getroffen wurde, sprich nur Nachhaltiges angeboten würde, oder wenn er sich sicher sein kann, dass verantwortungsvoll mit Lebensmitteln umgegangen wird – wie bei Nah&Frisch Kauffrau Sandra Sadjak in Lassing bei Liezen in Steiermark. „Aus übrig gebliebenem Gebäck werden zum Beispiel Kaspressknödel frisch gemacht, schlechtes Obst und Gemüse wird an unsere Bauern abgegeben. Weiters bieten wir frische Milch von einem Bauern im Ort an. Ebenso Eier und Nudeln, Honig vom Lassinger Imker, Bauernbrot und Roggenkrapfen gibt’s jeden Mittwoch frisch. Abgelaufene Lebensmittel werden, wenn unseres Erachtens noch in Ordnung, teilweise um den halben Preis verkauft – oder aber auch verschenkt.”
Sozialer Treffpunkt
Verantwortungsvoller Umgang ist auch Martin Freiler in Edlitz ein wichtiges Anliegen – privat und als Nah&Frisch Kaufmann: „Ich will mehr sein, als ‚nur' ein Supermarkt. Unser lokaler Markt wird immer mehr zum wichtigen sozialen Treffpunkt im Ort und Anlaufstelle für ein vielfältiges lokales Dienstleistungsangebot. Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen wir mit dem, was wir haben – sowohl materiell als auch personell –, sorgsam und verantwortungsvoll umgehen.” Was also tun? „Gerade unsere lokalen Märkte eignen sich hervorragend dafür, nur das in den Mengen zu kaufen, die man wirklich braucht. Ohne XXL-Packungen, die zwar günstig scheinen, aber dann doch zur Hälfte im Müll landen. Weiters bieten wir Nah&Frisch Kaufleute Produkte ‚aus’m Dorf', vielfältige Artikel von Produzenten aus der nächsten Umgebung.”
Zukünftige Generationen
Franz Xaver Groiss, Nah&Frisch Kaufmann im burgenländischen Zemendorf, geht noch weiter: „Wir Menschen sollten uns jetzt in der Gegenwart so verhalten, dass die zukünftigen Generationen auf die gleichen oder besseren Ressourcen zugreifen können, wie wir.” Nachhaltig kauft man seiner Ansicht nach ein, indem man etwa den Anfahrts- und oder Transportweg minimiert, regionale, unverpackte Ware kauft und nur solche Produkte, die sinnvoll und nicht maßlos verwendet werden. Apropos maßlos: „Ein gutes Beispiel, quasi das Gegenteil der Nachhaltigkeit: Es muss bis zum Ladenschluss sämtliches Gebäck in der vollen Vitrine verfügbar sein. Hier sollte auch ein Umdenken stattfinden”, fordert Groiss ein wenig Flexibilität beim Kunden.
Konsum und Wertschöpfung
Auch Gabi L., OP-Schwester aus Oberösterreich, lässt ihren Konsum, ihre Wertschöpfung gern im Dorf oder der unmittelbaren Nachbarschaft:. „Wenn lokal nicht mehr geht, dann kaufe ich, selten aber doch, auch regional ein. Spargel zum Beispiel haben wir in Oberösterreich auch, den brauch ich echt nicht von weit her geflogen.”
Die Herkunft der Produkte zieht sich wie ein roter Faden durch alle Antworten. Nämlich nicht nur als Rat&Tat, sondern auch in Form des schlechten Gewissens. Die meisten wissen nämlich ganz genau, wann und wo sie nachlässig mit der Nachhaltigkeit gehandelt haben. Der Grundtenor der Kunden, „Wir müssen bewusster einkaufen, wir müssen bewusster handeln”, steht im Einklang mit dem Wunsch Sandra Sadjaks: „Mir wäre wichtig, an der Bewusstseinsbildung zu arbeiten. Die Leute bei uns arbeiten fast alle auswärts und kaufen leider oft auch auswärts ein. Dabei sind wir Postpartner, Trafik, Lotto und haben auch eine gemütliche Kaffeeecke – wir bieten so viel Service, das würde in den großen Märkten keiner machen.”
Vom Wissen und Handeln
Nahversorgung ist demnach mit nachhaltigem Einkaufen eng verwoben, der Trend „Regionalität” hat sich um „Lokalität” erweitert. „Für mich als Nah&Frisch Nahversorger sieht die Nahversorgung der Zukunft deshalb recht positiv aus, weil in den Köpfen der Bevölkerung das Thema ‚Nachhaltigkeit' fix abgespeichert ist”, so Groiss. „Denn ökologisch und auch ökonomisch betrachtet, ist es doch am nachhaltigsten, wenn man bei seinem Kaufmann ums Eck einkaufen geht und möglichst lokale, frische und unverpackte Produkte kauft.”
Dem Wissen muss jetzt nur noch Handeln folgen – als Konsument hat man die stärkste Waffe: den Geldschein …