Franchising ist ein Prinzip, das auf Vertriebskonzepten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts basiert. Damals erlaubte die „Singer Sewing Machine Company” fahrenden Händlern, ihre Waren im eigenen Namen zu vertreiben. Zu den Erfindern des modernen Franchisings gehört McDonald’s mit einem weltweiten Netz an Zehntausenden Restaurants. Modernes Franchising, auch „Business Format Franchising”, geht über die Abtretung von Markenrechten und die Weitergabe von Knowhow hinaus und umfasst neben einem Produktangebot auch nötige Software, Werbeunterlagen, hilft beim Recruiting und vieles mehr. In Österreich vertritt der Österreichische Franchise-Verband (ÖFV) die Interessen von zahlreichen Franchise-Partnern und Franchise-Systemen. ÖFV-Präsident Andreas Haider ist selbst täglich mit dem Thema Franchising und den Vorteilen, die das moderne Vertriebssystem mit sich bringt, beschäftigt: Er ist Geschäftsführer der Unimarkt Handelsges.m.b.H. und erklärt, weshalb Franchising eine blendende Zukunft bevorsteht.
medianet: Welche Vorteile konnten Sie als Franchise-Partner lukrieren?
Andreas Haider: Der Mehrwert von Franchise ist, dass zwei selbstständige Unternehmer eine ganz enge Kooperation eingehen und gemeinsame Ziele, einen gemeinsamen Markenauftritt sowie eine gemeinsame Ausrichtung verfolgen und ein Mindset teilen. So können sich alle auf ihre Stärken fokussieren und konzentrieren. Dadurch ist man schlagkräftiger, als wenn man unternehmerisch alles selbst erledigen muss.
medianet: Weshalb ist Franchise keine Fessel und kein Knebel des Franchise-Systems?
Haider: Das ist sehr wichtig. Man hat erkannt, dass man gemeinsam wesentlich erfolgreicher ist, wenn der Unternehmer vor Ort Freiraum hat, um sich auf die örtliche Gegebenheit besser einstellen zu können. Die Erfahrung hat gezeigt, dass freie Nischen, die der Markt in den unterschiedlichen Situationen bietet, nur ein unternehmerisch denkender Mensch ausfüllen und aus den Möglichkeiten etwas machen kann. Das kann mit einer Anweisung aus einer Zentrale nie so exakt passieren und damit die gleiche positive Wirkung haben, als wenn ein selbstständiges Unternehmen Chancen aufgreift.
medianet: Welche konkreten Vorteile bringt ein Franchise mit sich?
Haider: Kein Unternehmer in einem größeren Umfeld ist innerhalb kurzer Zeit in der Lage, alle Anforderungen von außen zu erfüllen – sei das im Digitalbereich, in der Sortiment-zusammenstellung oder bei den Kommunikationsunterlagen, die von der Zentrale bereitgestellt werden. Das ist alles fix und fertig, erfolgserprobt und abgesichert. Das gilt auch für Einkaufskonditionen.
medianet: Eine Ihrer Veranstaltungen, die ‚Virtual Stage' des ÖFV im September, widmete sich dem Thema ‚Engpass bei Franchise-Partnern'.
Haider: In einer volatilen Zeitphase, in der wir uns befinden, wird sicher jeder Mensch, der den Wunsch nach Selbstständigkeit hat, diesen Schritt sehr genau überlegen. Hier ist derzeit die Leichtigkeit der Entscheidung nicht gegeben, da das Umfeld zu unsicher ist und derzeit nichts exakt planbar ist. Das war in den Jahren mit permanentem Wirtschaftswachstum, dem Aufschwung und der Dynamik anders und hat sich jetzt eingebremst.
medianet: Ist der Franchise-Bereich von den aktuellen Krisen weniger betroffen?
Haider: Der Österreichische Franchise-Verband hat während der Coronazeit Umfragen innerhalb von Franchise-Systemen durchgeführt und es kam ganz klar heraus, dass Unternehmer, die innerhalb eines Franchise-Verbunds sind, deutlich besser durch die Krise kamen als Einzelunternehmen. Die Systemzentralen hatten hier strategische und operative Entscheidungen getroffen bzw. die entsprechende Informationssammlung Unternehmern zur Verfügung gestellt. Dementsprechend rasch konnte reagiert werden, da die Digitalisierungsanpassungen von der Zentrale für alle im System befindlichen Unternehmen durchgeführt wurden.
medianet: Hatten es Franchise-Partner in der Pandemie einfacher?
Haider: Das hängt von der Branche ab. Der Lebensmittelhandel ist Grundversorger und durfte daher offenhalten. Bei McDonald’s und den Drive-in-Stationen war die Systemzentrale schnell und hat den Unternehmen Support zur Verfügung gestellt, damit sie rasch wieder in den Verkauf kommen.
medianet: Sind Banken eher bereit, Franchise-Partner zu finanzieren?
Haider: Wenn Banken investieren, dann in Franchise, da es von anderen Franchise-Partnern exakte Zahlen gibt und so eine Finanzierung nicht zum Abenteuer wird. Es gibt Referenzen, eine Grundlage in Form einen Business Cases. Dadurch investieren Banken in Franchise-Systeme lieber als in Einzelunternehmen.
medianet: In welchen Bereichen oder Branchen ist Franchising besonders von Vorteil?
Haider: Aus meiner Sicht braucht man in der Handelsbranche als Franchise-Partner ein starkes System im Hintergrund. Wenn ich das auf unser Konzept von Unimarkt herunterbreche, umfasst das Franchise etwa 8.000 Artikel in unterschiedlichen Warengruppen und die gesamte Infrastruktur der Ladenausstattung. Das kann niemand alleine erarbeiten oder zusammentragen. Hier braucht es eine Systemzentrale, die einmal eine Entscheidung trifft und entsprechend skaliert. In kapitalintensiven Geschäftsfeldern und dort, wo viele Menschen beschäftigt sind, ist es sinnvoll, in einem System zu sein. Bei persönlichen Dienstleistungen ist die Frage, ob es immer eine Zentrale im Hintergrund braucht.
medianet: Welche Vorteile hat ein Franchise-Partner bei der Digitalisierung?
Haider: Kein einzelner Franchise-Partner hat die Ressourcen oder ist in der Lage, die notwendigen Digitalisierungsschritte nur für sich selbst programmieren zu lassen. Das geschieht ein Mal in der Zentrale und wird danach den Franchise-Partnern zur Verfügung gestellt. Hier war Corona für Digitalisierungsschritte ein Beschleuniger. Es ist heute immer schwieriger, Mitarbeiter zu bekommen, deshalb braucht es einen höheren Digitalisierungsgrad, um Abläufe, Systeme und Entwicklungen weitertreiben zu können. Statt Personalressourcen bedarf es digitaler Unterstützung.
medianet: Wie sehr hilft Franchising bei der Bewältigung von Lieferkettenproblemen und der Energiekrise?
Haider: In puncto Energie kann ich aus eigener Erfahrung bei Unimarkt sagen, dass wir und unsere Partner im Verbund Energieverträge haben, die bis Ende 2023 laufen. Deshalb beziehen die Partner und wir bis Ende 2023 Strom um sieben Cent pro kWh. Derzeit kostet die kWh durchschnittlich 30 Cent. Bei den Lieferketten sind die Unternehmer vor Ort gefragt, Produktausfälle mit anderen Produkten zu substituieren. Hier ist der Freiraum für Franchise-Partner wichtig.
medianet: Stellen Sie den Österreichischen Franchise-Verband bitte näher vor.
Haider: Der Verband ist dazu da, Franchise-Systeme und Franchise-Partner weiterzuentwickeln, um das Franchising als qualitative Betriebsform zu positionieren, die sie de facto ist und Menschen davon zu überzeugen. Wir führen erste Beratungen durch und auf unserer Website (franchise.at) stehen Business Cases und ein Eignungstext zur Verfügung. Über den Verband stehen Franchise-Unternehmer miteinander in einem offenen Mindset im Austausch und bilden so eine größere Netzwerkoberfläche. Franchise-Systeme wiederum haben keine Berührungsängste, sie sind bereit zu teilen, gemeinsam etwas zu entwickeln und zu erarbeiten. In unserem Verband wird das gefördert, gelenkt und verarbeitet.
medianet: Wie sehen Sie das Image von Franchising in Österreich?
Haider: Franchising hat aus der Geschichte noch einen Beigeschmack, denn es gibt überall auch schwarze Schafe. Wir, als Franchise-Verband, haben auf unsere Fahnen geheftet, die Qualität des Österreichischen Franchisings hochzuhalten. Ein ordentliches Mitglied muss einen Qualitäts-Check erfüllen und einen ordentlichen Franchise- oder Partnerschaftsvertrag haben. Es gibt kein Mitglied, das nicht zumindest über einen Pilotstandort verfügt, der bereits einige Zeit in Betrieb ist, bevor es dann in die Skalierung geht. Systeme kommen zuerst als Anwärter zum Verband, danach werden sie assoziierte Mitglieder und, wenn alle Kriterien erfüllt sind, werden sie zu ordentlichen Mitgliedern. Die Aufnahmekriterien sind auf franchise.at zu finden.
medianet: Wie wichtig ist das Absolvieren des Franchise-Eignungs-Checks auf der ÖFV-Website?
Haider: Den Eignungstest haben wir auf Basis einer wissenschaftlichen Studie mit der Universität Seeburg erstellt. Wir unterscheiden zwei Arten der Gründung: Es gibt vom Menschentyp den Pionier, der alles besser weiß und damit kein guter Franchise-Partner wäre. Menschen hingegen, die es gewohnt sind, in der Gruppe zu arbeiten, um Themen gemeinsam zu entwickeln und Erfolge zu teilen, sind geeignete Kandidaten. Sie gehen mit einem offenen Mindset durch die Welt. Das sind die richtigen Franchise-Partner. Zu welchem Typ man gehört, stellt sich bei dem Eignungstest heraus.
medianet: Im Juni gab es die ÖFV Franchise-Awards in fünf Kategorien. Was zeichnet die Gewinner aus?
Haider: Soluto wurde als Franchise-System des Jahres ausgezeichnet, das ist ein Handwerks-Franchise, das mich sehr fasziniert. Ich bin überzeugt, dass in der Handwerksbranche ein riesiges Potenzial für Franchising schlummert. Wir wissen alle, dass gute Handwerker aber nicht immer gute Unternehmer sind und viel Spaß an administrativen Dingen haben. Sie tun am liebsten, was sie gut können. Deshalb ist es eine gute Ergänzung, wenn es eine Zentrale gibt, die, in diesem Fall Soluto, die gesamte Auftragsabwicklung und die Terminvergabe übernimmt und sie an den Handwerker weiterleitet. Die Zentrale übernimmt auch die Abwicklung mit Versicherungen und die Administration. Das hat ein großes Potenzial für weitere Nachahmer in der Kategorie Handwerk.
medianet: Wer erhielt den Social & Green Award?
Haider: In Zeiten wie diesen muss man mit Ressourcen anders umgehen. R.U.S.Z. (Reparaturzentrum für Elektrogeräte, Anm.) hat auf dem Sekundärarbeitsmarkt ein sehr gutes Element entwickelt. Sepp Eisenriegler hat die Abwicklung perfektioniert und das Konzept über Franchising skaliert. Mit dem Aspekt des Reparaturbonus passt das perfekt zusammen, und es werden derzeit Annahmestellen in ganz Österreich gesucht. Hier ist ein Franchise-System der Preisträger.