Wolfgang Erlebach, CEO des IT-Dienstleisters Premedia mit Hauptsitz in Wels, unterstützt Unternehmen bei der Optimierung ihrer Marketingprozesse. Dabei fokussiert sich Premedia auf zwei Standbeine, die stark ineinandergreifen: Marketing-Technologien und Marketing-Services. Im Bereich „Marketing-Technologien” ist Premedia auf Beratung, Konzeption und Betrieb von Omnichannel-Marketing- und Kommunikationslösungen spezialisiert. Wie der Experte die fortschreitende Digitalisierung des österreichischen Handels bewertet und die Kundenansprache von morgen aussieht, haben wir ihn persönlich gefragt.
medianet: Beschleunigt durch Corona, schnürt der Onlinehandel dem klassischen Einzelhandel zunehmend die Luft ab. Wie kann der stationäre Handel sich neu erfinden, um konkurrenzfähig zu bleiben?
Wolfgang Erlebach: Neben innovativen, zeitgemäßen Shop-Konzepten gilt es, den Kunden von heute mittels sozialem Erlebnisfaktor, Mehrwert und vor allem über digitale Technologien wieder ins Geschäft zu holen. Der Kunde von heute wünscht sich flexible Möglichkeiten auf dem Weg zu seiner Kaufentscheidung. Er ist es gewohnt, sofort Rückmeldung und personalisierte Informationen zu erhalten – online wie offline.
medianet: Kunden wechseln heute zwischen einer Vielzahl von Kanälen – und verlangen gleichzeitig intelligente, personalisierte Inhalte. Wie bekommt man die zunehmende Komplexität in den Griff?
Erlebach: Um zu verstehen, wie sich Kunden über verschiedene Kanäle hinweg bewegen, benötigt es im Idealfall nur mehr einen einzigen, zentralen Ort, an dem die Kundendaten verwaltet werden. Ein siloartiger Ansatz reicht da im Jahr 2021 nicht mehr aus. Der Verbraucher von heute hat mehr Macht als je zuvor, und Unternehmen müssen ihre Zielgruppe dort abholen, wo sie sich bevorzugt aufhält.
medianet: Die zunehmende Anzahl der Kommunikationskanäle, die allesamt eine individuelle Form und Ausarbeitung benötigen, stellt Marketer vor eine Mammutaufgabe. Wie kann man diese bewältigen?
Erlebach: Systeme dürfen nicht mehr fragmentiert und abteilungsbezogen, sondern müssen zentralisiert sein. Lineare Arbeitsabläufe werden durch modulare ersetzt, und statt ‚Business-as-usual' sind Agilität und Reaktionsschnelligkeit gefragt. Es gilt, eine strategische Herangehensweise zu entwickeln, die alle Ebenen einer Organisation berücksichtigt und aktionistisches Arbeiten in organisatorischen und technischen Silos verhindert.
medianet: Omnichannel ist in aller Munde. Aber was genau verbirgt sich dahinter und welche Vorteile ergeben sich daraus?
Erlebach: Omnichannel-Marketing zielt darauf ab, dem Kunden die größtmögliche Flexibilität zu garantieren und verknüpft alle Vertriebs- und Kommunikationskanäle nahtlos miteinander. Alle an der Vermarktung beteiligten Bereiche – Category Management, Marketing, E-Commerce, Vertrieb, etc. – sind mittels intelligenter Software, etwa via eines zentralen Marketing Content Hubs, nahtlos in den Prozess eingebunden. Dabei handelt es sich um eine zentrale Verwaltungs- und Steuerungsplattform, die alle Inhalte kanalunabhängig speichert, strukturiert aufbereitet und damit eine personalisierte, individuelle Kundenansprache ermöglicht – von der automatisierten Produktion von Publikationen und Point of Sale-Maßnahmen bis zur Ausspielung von Inhalten auf allen digitalen Kanälen, wie Websites, Newslettern und Social Media-Plattformen.
medianet: Viele Handelsunternehmen verfügen über Zehntausende Produkte und Produktvarianten. Das ergibt eine Vielzahl an Produktinformationen, wie beispielsweise die Produktbeschreibung, der Einsatzzweck oder die zugehörigen Produkt- und Beispielbilder. Der daraus resultierende und gefürchtete ‚Content Jungle' ist real – wie kommt Omnichannel hier ins Spiel?
Erlebach: Erschwerend kommt hinzu, dass eine Unmenge an strukturierten und unstrukturierten Daten zum einen für die Vertriebspartner und zum anderen für die eigenen klassischen sowie digitalen Kanäle aufbereitet werden muss.
Global agierende Unternehmen stehen noch vor der zusätzlichen Aufgabe, den Content multilingual und regional angepasst zu Verfügung zu stellen. State of the Art Content Management-Plattformen bieten dank offener Schnittstellenarchitektur eine direkte Anbindung an bestehende Systeme und inzwischen weit mehr als nur eine zentralisierte Verteilung von Inhalten. Um die digitalen Herausforderungen zu meistern, müssen Unternehmen nicht nur ihre Assets, sondern auch die Organisation um diese Assets herum neu bewerten.
medianet: Die immer weiter fortschreitende Technologisierung der Marketingprozesse führt zu völlig neuen Möglichkeiten der personalisierten und kontextualisierten Kommunikation. Ergeben sich daraus nicht massive Herausforderungen für die Marketingorganisation in der täglichen Operationalisierung und im Handling?
Erlebach: Um diese Challenges zu lösen, muss der Fokus der Aufmerksamkeit zunehmend unter die Wasseroberfläche wandern – dorthin, wo Inhalte erstellt, angereichert und aufbereitet werden. Nur wenn alle Prozesse des Content-Betriebs nahtlos ineinandergreifen, wird Kommunikation personalisiert und kontextualisiert erlebbar – über alle Kanäle und Touchpoints hinweg. Einerseits verschmelzen Einzelhändler zunehmend die On- und Offline-Funktionen und bauen ein stärkeres Erlebniselement in ihr stationäres Angebot ein, während sie die Stärken des Onlinehandels, z.B. Personalisierung, durch den Einsatz von E-Commerce-Technologie auch vor Ort nutzbar machen. Wie auch immer die Lösung aussieht: Der Einzelhändler benötigt ein robustes Omnichannel Content Management-System, um die Versprechen tatsächlich einhalten zu können.
medianet: Was empfehlen Sie Unternehmen, die ihre Kommunikationsstrategie modernisieren wollen?
Erlebach: Zunächst einmal ist es wichtig, das Projekt ganzheitlich zu betrachten; neben der Analyse und Optimierung interner Prozesse und der Entwicklung eines zentralen Datenmodells ist auch ein kultureller Veränderungsprozess gefragt, denn die Technik allein ist nicht der Weisheit letzter Schluss.
Das geschieht nicht von heute auf morgen, braucht viel Überzeugungsarbeit und ist vielleicht auch daher einer der wesentlichsten Bausteine für den zukünftigen Erfolg im Handelsmarketing.