Quo vadis, Herr Minister?
© BMVIT/Mike Ranz
DOSSIERS Redaktion 11.01.2019

Quo vadis, Herr Minister?

Mit welcher Verkehrspolitik haben wir in den kommenden Jahren zu rechnen?

WIEN. Österreich spielt im Automobilsektor eine große Rolle: Der Autocluster in der Steiermark mit Magna an der Spitze, die Motorenfertigung von BMW in Steyr, zahllose Zulieferer – all das bringt der Wirtschaft wichtige Impulse und schafft Tausende Arbeitsplätze.

Selbstverständlich müssen jedoch alle politischen Maßnahmen vor dem Hintergrund der ambitionierten internationalen Umweltziele betrachtet werden. medianet führte dazu ein Exklusivinterview mit Bundesminister Norbert Hofer.


medianet:
Herr Minister, wie lautet denn Ihre persönliche Meinung zum Thema individuelle Mobilität?
BM Norbert Hofer: Individuelle Mobilität ist für Menschen in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wichtiger geworden und hat auch viel zur Entwicklung der Wirtschaft insgesamt beigetragen.

Das Angebot bei Fahrzeugen ist mittlerweile so groß wie noch nie, in Sachen Antrieb stehen wir am Beginn einer neuen Entwicklung: E-Mobilität, Wasserstoff, Brennstoffzelle – welche Alternative sich am Ende durchsetzen wird, können wir heute noch nicht sagen.
Gleichzeitig wird das Thema autonomes Fahren eine neue Zeitrechnung einläuten. Der Besitz eines eigenen Autos, früher der Traum jedes Jugendlichen, wird in den nächsten Jahren in den Hintergrund treten. Wer in zehn oder 15 Jahren von A nach B gelangen muss, der bestellt sich sein autonom fahrendes Auto, mit dem diese Strecke bequem zurückgelegt wird – oder es kommt sogar schon die manntragende Drohne, mit der man einfach an seinen Zielort geflogen wird.


medianet:
Welche gesetzlichen Änderungen, die den individuellen Kraftfahrzeugverkehr betreffen, haben Sie in den nächsten 24 Monaten geplant?
Hofer: Die größte Veränderung läuft seit August 2018: Auf zwei Abschnitten der Westautobahn in NÖ und OÖ testen wir derzeit tagsüber 140 Stundenkilometer als Höchstgeschwindigkeit für Pkw und Motorräder.

Wir werten während dieses Tests alle Parameter wie gefahrene Geschwindigkeiten pro Fahrstreifen sowie Lärm- und Luftgütewerte aus und werden nach einem Jahr Testphase Bilanz ziehen. Das 130 km/h-Tempolimit stammt aus 1974. Ich denke, dass angesichts der Fortschritte auf dem Fahrzeugsektor diese maßvolle Erhöhung möglich ist. Aber am Ende wird dann Bilanz gezogen, und dann wissen wir, ob und wie es mit dem Projekt weitergeht.
Ein weiteres großes Vorhaben, das 2019 kommen wird, ist im Bereich der Elektromobilität angesiedelt. Wir wollen Fahrer von E-Fahrzeugen ein klein wenig belohnen, indem sie in Gebieten mit einer IG-L-Beschrän­kung („Immissionsschutzgesetz Luft”) auf 100 km/h mit ihren emissionsfreien Autos trotzdem 130 km/h fahren dürfen.


medianet:
Welcher gesamt­haften Strategie folgen denn die von Ihnen geplanten ­Änderungen?
Hofer: Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, den Verkehr insgesamt flüssig zu gestalten. Gleich­zeitig dürfen wir die engagierten Ziele unserer Klima- und Umweltstrategie nicht aus dem Auge verlieren. Daher investieren wir parallel zu unseren Vorhaben rund um das Thema Auto Rekordsummen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. ­Alleine in den Ausbau der Schiene fließen in den nächsten fünf Jahren 13,9 Milliarden Euro.

Für die großen Städte, die stark unter dem Pendlerverkehr leiden, gibt es ab 2020 einen Sondertopf zur Förderung von Maßnahmen, die den innerstädtischen Individualverkehr zurückdrängen. Das sind beispielsweise Straßen­bahnen, die über die Stadtgrenzen ­hinaus verlängert werden, oder entsprechende ‚Park & Ride'-Anlagen in Randlagen mit Anbindung an den Öffi-Verkehr.


medianet:
Thema 140 km/h und Rechtsabbiegen bei Rot: Wie werden diese Maßnahmen von der Bevölkerung angenommen?
Hofer: Das Rechtsabbiegen bei Rot beginnt im nächsten Jahr mit drei Kreuzungen in Linz. Wenn man die Situation weltweit betrachtet, dann ist es – beginnend mit den USA – vielerorts normal, dass man bei Rot rechts abbiegen kann, sofern kein Fahrzeug kommt. Ich denke, dass der Test auch in Linz erfolgreich sein wird.

Was die 140 km/h betrifft, so haben wir von der Polizei viele Rückmeldungen, dass die Autofahrer sehr diszipliniert sind. Vor allem auf dem linken Fahrstreifen sind nun weniger ‚Schleicher' unterwegs als früher. Die von vielen Kritikern befürchteten Unfälle sind bislang ausgeblieben.


medianet:
Wie sind diese Klima­ziele der EU erreichbar?
• EU-Flottenziele: Senkung des CO
2-Ausstoßes von Pkw auf durchschnittlich 95 g/km
• Reduktion der THG-Emis­sionen um 36 Prozent gegenüber 2005?
Hofer: Wir haben gemeinsam mit Umweltministerin Elisa­beth Köstinger die #mission2030 erarbeitet – die Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung. Darin findet sich ein großes Maßnahmenbündel für alle relevanten Bereiche.

Der Verkehr gilt als einer der Hauptverursacher des CO2-Ausstoßes. Die Automobilindustrie ist hier nicht untätig und arbeitet ständig an der Verbesserung der Motoren. Parallel dazu wird sich im Bereich der alternativen Antriebe viel tun.
Die Dekarbonisierung des Verkehrs wird große Schritte machen, wodurch sich auch die CO2-Bilanz des Verkehrs insgesamt verbessern wird. Das im Zusammenspiel mit den Investitionen in die Bahn wird es uns ermöglichen, die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen!

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