Als Hersteller von Kunststoff-Spritzgießmaschinen arbeitete sich der Familienbetrieb Engel seit 1945 zum Weltmarktführer empor. In Werken in Österreich und an sechs weiteren Produktionsstandorten in Europa, Nordamerika, China und Korea konstruiert und fertigt man Spritzgießmaschinen für die Kunststoffverarbeitung. Das Kundenportfolio ist breit gestreut und reicht von der Medizintechnik, über die Automobilindustrie bis zur Verpackungsindustrie.
Das Grundprinzip ist relativ einfach: Kunststoffgranulat wird durch eine Schnecke vorangetrieben, erwärmt und in eine Form gepresst, wobei die Größe der Maschinen sehr unterschiedlich ist: Sie reicht von kleineren Varianten bis zu sehr großen Anlagen, wie etwa eine Meter hohe Anlage zur Herstellung von großen Kunststofftanks.
Da Engel im klassischen B2B-Bereich tätig ist, sind die außerordentlichen Leistungen des Maschinenherstellers meist nur Insidern bekannt. Welche Rolle die Digitalisierung und im Speziellen das Event-Streaming bei Kunststoffspritzgieß-Maschinen spielt, erklärt Christoph Kaltenböck, Teamleiter in der Digital Solutions-Abteilung bei Engel.
medianet: Welche Chance bietet die Digitalisierung für die Kunststoffindustrie?
Kaltenböck: Die Digitalisierung hat die Art und Weise, wie wir leben, lernen und arbeiten, grundlegend verändert. Vielfach geht es darum, Abläufe effizienter zu gestalten sowie Wettbewerbsvorteile zu schaffen, neue Geschäftsmodelle aufzubauen und die Automatisierung von Prozessen voranzutreiben. Das eröffnet auch für die Kunststoffindustrie – vor allem für die kunststoffverarbeitenden Unternehmen – große Chancen. Ziel ist es, den Menschen datenbasierte Informationen entlang der Wertschöpfungskette nutzbringend und bedienerfreundlich bereitzustellen, damit sie ihre Aufgaben im Unternehmen effizient erfüllen können. Wesentlich ist dabei, die aus den Daten gewonnenen Erkenntnisse maßgeschneidert aufzubereiten. Sie helfen, zielsichere Entscheidungen zu treffen und bei Problemen die richtigen Lösungen abzuleiten. Damit gewinnt auch die Integration von KI-Technologien, wie z.B. maschinelles Lernen an Bedeutung. Sie erweitern die Simulation der Realität und das Erfahrungswissen von Menschen um die aus Daten generierten Informationen. Unternehmen eröffnet die digitale Transformation die Möglichkeit, sich simultan in der digitalen als auch in der realen Welt zu bewegen. So werden Unternehmen zunehmend nicht nur mit realen Produkten, sondern auch mit Daten eine Wertschöpfung erzielen.
medianet: Wie schafft Engel die Informationsdurchgängigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette?
Kaltenböck: Ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Digitalisierung ist die Vernetzung der Produktions- mit der Geschäftsebene. Dabei schafft die horizontale Vernetzung die Voraussetzungen für einen Datenaustausch zwischen Maschinen, Anlagen, Peripheriegeräten, IoT-Equipment und Sensoren über standardisierte Schnittstellen und Datenformate. Die vertikale Vernetzung ermöglicht die Nutzung von Produktionsdaten für übergeordnete Geschäftsprozesse und Optimierungsmethoden, wobei unser Edge Device als Bindeglied für diese beiden Welten dient.
medianet: Was kann ich mir unter einem Edge Device vorstellen?
Kaltenböck: Ein Edge Device ist ein Industriecomputer, an dem die Maschinen unserer Kunden angeschlossen sind. Die Kunden können eine Verbindung zu Engel initiieren. Wir konsolidieren dann die Daten des gesamten Produktionsprozesses und verdichten diese (Cleaning) für den Kunden. Über Events streamen wir die Daten an den zentralen Message Bus in der Cloud und stellen sie ihm wieder zur Verfügung.
medianet: Was steckt bei Engel dabei technologisch unter der Haube?
Kaltenböck: Das Edge Device schickt die Daten weiter an die Cloud. Für unsere Kunden ist es dabei nicht notwendig, zusätzliche Server im Haus bereitzustellen, und deren Aufwand wird gering gehalten. Mit Confluent Kafka haben wir hier einen zentralen Message Broker mit einer anschließenden Event-getriebenen Architektur auf Microservice-Basis. Diese verarbeiten die Daten, bereiten sie auf, und wir können den Kunden maßgeschneiderte Lösungen mit unserem Produktionsportal zur Verfügung stellen. Dies ermöglicht ihnen wiederum, treffsichere Entscheidungen zu tätigen.
medianet: Was können wir uns hier als Beispiele vorstellen?
Kaltenböck: Angefangen von einer OEE-Berechnung, das ist die Gesamtanlageneffektivität auf einem gewissen Abschnitt der Produktion oder der gesamten Produktion, über spritzgießspezifische Datenaufbereitungen für die Prozesstechniker hin zu Live-Monitoring der Maschinen und einer Benachrichtigung, wenn diese ausgefallen sind und Probleme aufwerfen, können wir im Produktionsportal in Zukunft alles zur Verfügung stellen.
medianet: Wo geht die Reise für Engel noch hin?
Kaltenböck: Ist unser System einmal erprobt, können wir das für interne Anwendungen nutzen, Legacy-Systeme anbinden sowie unser ERP-System vollständig integrieren. Alles geht in Richtung Enterprise Service Bus. Wir haben damit in realtime alle Unternehmensdaten verfügbar, können sie monitoren und uns benachrichtigen lassen.