Allianz-Boss: „Garantiezins ist nicht so wichtig”
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FINANCENET 13.11.2015

Allianz-Boss: „Garantiezins ist nicht so wichtig”

Wolfram Littich, CEO der Allianz Österreich: „Die Versicherer könnten bald der größte Kreditgeber der Industrie sein.”

••• Von Gerald Stefan

WIEN. Die Versicherer setzen in Zeiten eines niedrigen Zinsniveaus auf den klassischen Vorsorge­gedanken. Gleichzeitig investieren sie in Erneuerbare Energie und ­Infrastruktur.

Neu dazu kommen Finanzierungen für die Industrie: Bald schon könnten sie die größten Kreditgeber für die Industrie sein, sagt Allianz Österreich-Chef Wolfram Littich im Interview.


medianet: Wie sehr drückt die Zinsentwicklung die Allianz und die übrigen österreichischen Versicherer? Durch das niedrige Zins­niveau lassen sich den Kunden nicht mehr so hohe Renditen auf die Lebensversicherung versprechen als in früheren Jahren; auch einige andere Sparten wie die Krankenversicherung sind am Rand betroffen. Die Finanzmarktaufsicht senkt sukzessive den höchstzulässigen Garantiezins. Ist das ein großes Problem?
Wolfram Littich: Natürlich ist die Zinslandschaft bei der Lebensversicherung ein Thema, aber was den Garantiezins betrifft, muss man stark differenzieren: Die verschiedenen Produkte sind ganz unterschiedlich berührt. Die klassische Ablebensversicherung – sie zahlt beim Tod des Versicherten – ist nur marginal betroffen, denn es wird ja die vereinbarte Summe ausbezahlt. So wie bei der Kredit-Restschuldversicherung und der Berufsunfähigkeitsversicherung wirkt sich der Rechenzins nur aufgrund der zu bildenden Rückstellungen aus. Und bei einer klassischen Rentenversicherung ist der garantierte Zins in Wahrheit für den Kunden nachrangig. Es ist eine Wette auf den Tod: Die Versicherung zahlt so lange, wie der Kunde lebt. Das kann nur ein Versicherungsprodukt, es ist ja die Sicherheit dieser Rente, die der Kunde will. Er will bis an sein Lebensende Geld bekommen, das ist der entscheidende Punkt. Wie hoch dabei dann letztlich die Rendite war, hängt vom erreichten Alter ab. Was bleibt also? Betroffen ist die Lebensversicherung in der Form des klassischen Anlageprodukts, bei der der Kunde eine Zeit lang Prämie bezahlt und dann etwas herausbekommt, mit einer bestimmten Rendite. Hier matchen wir uns mit den Banken.
medianet: Was macht dieser Konkurrenzkampf für einen Unterschied?
Littich: Na, vor allem gibt es bei den Banken gar keinen Garantiezins. Viel wichtiger ist den Kunden doch, welche tatsächlichen Renditen sie sich erhoffen können. Die Allianz bietet im Gegensatz zu anderen Versicherern derzeit sowohl LV-Produkte mit Garantiezins an wie auch welche ohne. Aber bei uns macht laut den neuesten Zahlen vom September und Oktober das klassische Garantiezins-Produkt nur mehr 4,33 Prozent der verkauften Lebensversicherungen aus. Gemessen am Volumen, liegt der Anteil bei unter sieben Prozent. Der Rest ist bereits ohne Garantiezins. Man sieht also, dass die Thematik nicht wirklich eine Rolle spielt.

medianet
: Es geht den Kunden also mehr um die erwartete Rendite als um den Garantiezins als Untergrenze?
Littich: Wir haben Produkte aufgelegt, bei denen der Garantiezins auf null Prozent gestellt ist – immerhin ist das eine Garantie auf Erhalt des Sparkapitals – und dafür die erwartete Rendite um 30 Basispunkte höher. Die allermeisten Kunden nehmen diese. Die Frage, die sich für sie dabei stellt, ist ganz einfach die: Will ich die Aussicht auf 3,25 Prozent oder 3,55 Prozent haben. Die Diskussion um die Garantie ist dabei überholt.

medianet: Ist für die Kunden nicht auch Sicherheit wichtig?
Littich: Natürlich, aber wir haben mit Abstand das beste Rating aller Versicherer in Österreich. Und generell haben bis jetzt alle Versicherer in Österreich immer ihre Verpflichtungen erfüllt. Noch dazu wird bei einer Lebensversicherung beim Kunden Jahr für Jahr eine Gewinnzuweisung vorgenommen, die ihm nicht mehr weggenommen werden kann – nicht wie z.B. bei einem typischen Investmentfonds, wo bis zuletzt offen ist, was an Ertrag herausschaut. Daher glaube ich, dass die Frage des Garantiezinses nicht so wichtig ist – selbst wenn ihn die FMA von derzeit 1% auf 0,25% oder bis 2018 sogar auf null Prozent senken sollte.
medianet: Das Zinsthema ist also nicht eines, das Sie derzeit vollständig in Beschlag nimmt?
Littich: Aber keineswegs. Was uns am meisten beschäftigt, das sind derzeit die neuen Technologien. Da wird es etwa im Schaden- und Unfallbereich zu massiven Veränderungen kommen, sowohl in der Ansprache der Kunden durch die Digitalisierung wie auch in der Art und Weise, wie die Risiken durch neue Technologien wie selbststeuernde Autos beeinflusst werden.

medianet
: Auf der anderen Seite tun sich die Versicherer durch das niedrige Zinsniveau am Markt aber auch schwerer damit, das Geld der Versicherten ertragreich anzulegen. Die Allianz hat sich hier eine Menge spannender, aber sehr unterschiedlicher Dinge einfallen lassen: Sie investieren einerseits, so wie die Versicherer es immer getan haben, in Immobilien und haben gerade das ‚Haus an der Wien' mit der Standard-Redaktion von der Signa-Gruppe gekauft. Sie haben aber auch einen Mobilfunker gestartet und investieren in Windparks und andere Erneuerbare Energie.
Littich: Das kann man nicht alles in einen Topf werfen. Der Mobilfunk fällt unter Branding. Auf sein Handy schaut man nun mal 100-mal am Tag, und da steht dann immer Allianz drauf. Und wir geben eine Gratisversicherung dazu.

Bei der Veranlagung herrschen dagegen ganz besondere Anforderungen. Wir Versicherer brauchen lange Assets, möglichst mit einer Behaltedauer von 30 Jahren. Wir Versicherer sind hier sozusagen das Gegenteil der Banken, denn die scheuen bei Krediten das lange Ende, bevorzugen zehn Jahre oder weniger.
Der Grund ist ganz klar der, dass die Banken sich auf viel kürzere Sicht refinanzieren müssen, z.B. auf drei Monate, und daher ein ­Liquiditätsrisiko haben. Bei den Versicherern ist das umgekehrt: Wir haben eine extrem langfristige Liquidität, der Kunde zahlt über Jahre oder Jahrzehnte ein – und uns stellt sich die Frage: Was machen wir mit dem Geld?
Wie investieren wir es möglichst sicher und attraktiv, bis wir es in 30 Jahren wieder brauchen, weil die Auszahlung der Rente beginnt? Daher die Veranlagung in Immobilien und auch in Infrastruktur: Die Allianz hat schon in Windparks in der Nordsee investiert, in Gasleitungen in Norwegen und in Parkautomaten in Chicago.
Das werden wir auch weiterhin tun, und es ist doch auch aus politischer Sicht vernünftig, wenn ein verlässlicher, langfristig orientierter Investor wie eine Versicherung in die Infrastruktur der Gesellschaft investiert und nicht ein Hedgefonds.
Es wäre außerdem vernünftig, wenn die Versicherer dazu übergehen, langfristige Industriekredite zu vergeben.
Seit Ende 2014 ist uns das gesetzlich erlaubt, ohne dass die betreffenden Kredite hypothekarisch besichert sein müssen; die österreichischen Versicherer haben auch schon begonnen, es zu tun.


medianet: Wie groß ist das Volumen an Industriekrediten derzeit?
Littich: Das kann man noch nicht sagen, es ist zu früh. Aber es ist spannend. Ich glaube, dass auf lange Sicht die Versicherer die Banken als Kreditgeber der Industrie ab­lösen werden.

Ein wichtiges Thema bei allen Investitionen ist derzeit allerdings die vorgeschriebene Unterlegung mit Kapital. Bei Immobilien sind es 19 Prozent, bei Infrastruktur dagegen 34 Prozent – viel zu viel.
Daher läuft derzeit eine breite Initiative aller europäischen Versicherer, um im Rahmen von Solvency II eine Anpassung nach unten zu erreichen und mehr Volumen an entsprechenden Investitionen zu ermöglichen, was auch der Konjunktur zugut kommen würde.

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