••• Von Reinhard Krémer
KYIV / MOSKAU / WIEN. Was kaum jemand für möglich gehalten hätte, wurde am 24. Februar 2022 früh grausame Realität: Der russische Präsident ließ Truppen in die Ukraine einmarschieren. Damit begann ein gefährlicher bewaffneter Konflikt mit dem Potenzial zu einem Flächenbrand in Europa.
Kursstürze an den Märkten
Die Finanzmärkte reagierten in Sekundenschnelle: Der deutsche Aktienindex DAX verlor im Tagesverlauf insgesamt 1.000 Punkte.
Der Euro Stoxx 50, in dem die 50 wichtigsten Aktien der EU stecken, rutscht in der ersten Reaktion weit unter die Marke von 4000 Punkten und erreicht dabei die Tiefspitzen vom Frühjahr 2020. Die Schockwellen verbreiteten sich rund um den Globus: Der Hang-Seng-Index in der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong sackte um 3,2% ab, und sogar der CSI-300-Index mit den 300 wichtigsten Unternehmen vom chinesischen Festland büßte 1,9% ein.
Öl und Gas legten zu
Auch der heimische ATX ging in die Knie und gab mehr als 13% ab. Betroffen war vor allem der Bankensektor, der im Lauf der Woche noch weiter absackte. „Der Wiener Aktienmarkt wurde aufgrund seiner starken Verflechtung mit Osteuropa stärker getroffen als andere Aktienmärkte”, meinen die Analysten der Erste Group.
Bei den Rohstoffen gingen Öl und Erdgas durch die Decke: Ein Barrel (159 l) der Nordseesorte Brent kostete erstmals seit 2014 mehr als 100 USD.
Das Tageshoch lag bei 105,76 USD. Der Gaspreis explodierte an der Londoner Energiebörse ICE für eine Lieferung im März auf gut 141 € – Anfang der Vorwoche waren es noch rund 70 € gewesen. Österreich bezieht 80% seines Gasbedarfs aus dem Osten. Doch die Gaslieferungen aus Russland liefen bis zuletzt im vereinbarten Rahmen weiter.
Anleger flüchteten in Gold und Staatsanleihen: Eine Feinunze Gold (rund 31,1 g) kostete am Donnerstag der Vorwoche bis zu 1.974,40 USD, das war der höchste Stand seit dem Jänner 2021.
Sanktionen greifen bereits
Die von der EU und der Staatengemeinschaft verhängten Sanktionen trafen den russischen Rubel frontal und brockten der Währung des Landes einen Kurssturz ein. Der Dollar stieg im Gegenzug um fast 42% auf ein Rekordhoch von 119 Rubel. Vor den Bankautomaten in Russland bildeten sich lange Schlangen.
Die Moskauer Börse blieb für einige Zeit geschlossen; Verkaufsaufträge von Ausländern durften schon davor nicht mehr ausgeführt werden. Trotz des Aussperrens Russlands vom internationalen Zahlungssystem SWIFT sollen aber Gasrechnungen weiter bezahlt werden können.
Die westlichen Sanktionen werden Russland schaden, so Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Für Russland seien seine Währungsreserven nun deutlich weniger nützlich, es drohe ein Run auf Russlands Banken mit einer ausgemachten Finanzkrise, sagt Felbermayr im ORF und dachte einen Schutzschirm für heimische Banken an.
Putin schießt Sberbank ab
Die größte russische Bank Sberbank zieht sich als Reaktion auf die EU-Sanktionen aus Europa zurück. Zuvor war ein Zahlungsmoratorium der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) ausgelaufen. Nachdem die FMA der Sberbank Europe die Fortführung des Geschäftsbetriebs untersagt hat, steht die österreichische Einlagensicherung für die Guthaben der Bankkunden gerade. Von ihren Einlagen in Höhe rund einer Mrd. € sind 913 Mio. € gesichert, so die Einlagensicherung Austria GesmbH (ESA).
Aktien von Rüstungsunternehmen waren gefragt: die Rheinmetall-Aktie legte um 65% auf 180 € zu, Hensoldt stieg zeitweise um mehr als 100%.