Euro zeigt Muskeln, und der US-Dollar blättert ab
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FINANCENET reinhard krémer 23.02.2018

Euro zeigt Muskeln, und der US-Dollar blättert ab

Die aktuelle Stärke der Einheitswährung freut die EZB-Währungshüter in Frankfurt wenig – es kommt dicker.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Einen starken US-Dollar will er haben, posaunte der gegenwärtige Bewohner des Weißen Hauses immer wieder in die Welt hinaus.

Doch dieser Wunsch erfüllte sich genauso wenig wie ein anderer feuchter Traum des orangen Rabauken, nämlich die ominöse Mauer an der Grenze zu Mexiko. Fakt ist, dass der Euro zur US-Währung während der letzten zwölf Monate knapp 17% an Wert gewonnen hat.

Euro im Steigflug

Der Euro ist am letzten Donnerstag im US-Handel erneut über die Marke von 1,25 US-Dollar gestiegen, am Freitag dann erreichte er bei 1,2550 Dollar je Euro sogar ein neues Dreijahreshoch. Zu Wochenbeginn lag er zwar wieder unter der 1,25er-Marke, doch mit diesen jüngsten Kursgewinnen zeigt die europäische Einheitswährung, dass sie das Potenzial hat, noch weiter gegen Norden zu ziehen.

Der Euro hat sich nämlich in den letzten Wochen gegenüber den wichtigsten Währungen in der Summe befestigt, doch der Anstieg zum Dollar war deutlich stärker. Es handelt sich, und hier sind sich alle Beobachter einig, um eine veritable Dollar-Schwäche.
Denn seit Jahresanfang 2017 hat der Dollar-Index, der den „Greenback” ins Verhältnis zu den sechs nächstgrößten Währungen setzt, satte 13,7% verloren.

Minus trotz Zinserhöhung

Dies ist angesichts der Leitzinserhöhungen in den USA, von denen noch heuer drei weitere erwartet werden, beachtlich, denn eigentlich sollten steigende Zinsen Geld aus dem Ausland anziehen und den Dollar beliebter machen. Für die Flucht aus der US-Währung gibt es, wie Analysten meinen, eine Vielzahl von Gründen: Einer davon, so wird gemutmaßt, ist das mangelnde Vertrauen der Welt in die Trumpsche Politik, was immer mehr Marktteilnehmer dazu veranlasst, den Dollar loszuwerden.

Ein Pharisäer als Präsident

Ein anderer ist, dass Trump vor seinem Wahlvolk, das von Währungen ohnehin nichts versteht, auf dicke Hose macht: Starker Dollar – starke USA. Vor Experten hat er jedoch mehrfach den starken Dollar zu seinem Amtsantritt bekrittelt, weil dies der US-Wirtschaft schade. Nicht zuletzt hatte erst Ende Jänner der Finanzminister in Trumps Kabinett, Steven Mnuchin – das ist der mit der privatjetverliebten Ehefrau – beim Weltwirtschaftsforum in Davos die Vorzüge des schwachen Greenbacks hervorgehoben.

Ein anderer Grund für die Beliebtheit des Euro ist, dass hier die Zinserhöhungen erst kommen – und wer rechtzeitig einsteigt, hat mehr davon.
Am Markt wird nämlich nach Einschätzung von Esther Reichelt, Devisenexpertin der Commerzbank, immer stärker darauf spekuliert, dass die EZB wegen des robusten Aufschwungs den Fuß vom Gaspedal nehmen wird.
Außerdem rückt die hohe Verschuldung in den USA stärker in den Fokus, was den Dollar belastet und dem Euro im Gegenzug Auftrieb verleiht. „Das Schuldengespenst ist zurück”, kommentierte Expertin Reichelt die Stimmung am Markt

Kurse bis 1,28 USD möglich

Und so meint auch der Analyst der deutschen Postbank, Heinrich Bayer: „Auf Jahressicht rechnen wir mit einer spürbaren Aufwertung des Euro, der von der anhaltend robusten Konjunktur und den dann in Sichtweite rückenden EZB-Leitzinsanhebungen profitieren sollte.” Er sieht auf Jahressicht einen Kurs von 1,28 US-Dollar pro Euro.

Das löst nicht überall Freude aus, immerhin schadet ein starker Euro den Exporten. In jüngster Zeit hatten sich mehrere europäische Notenbanker besorgt über die zum Großteil durch die Dollar-Schwäche verursachte Euro-Stärke geäußert, darunter EZB-Präsident Mario Draghi.

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