••• Von Oliver Jonke
Peter Pilz ist Partner der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft BDO. medianet sprach mit dem Experten über aktuelle Entwicklungen in den Kommunen.
medianet: Österreich hat 2.095 mehrheitlich sehr kleine Gemeinden. Die Führung dieser Verwaltungseinheiten ist oft nicht einfach. Worauf kommt es hier am meisten an?
Peter Pilz: Die Führung einer Gemeinde ist immer eine große Herausforderung und dabei kommt es meines Erachtens nach nicht unbedingt auf die Größe der jeweiligen Gemeinde an. Ein Bürgermeister hat ein sehr breites Aufgabenfeld zu verantworten und muss sich neben den reinen Verwaltungsaufgaben mit wirtschaftlichen, rechtlichen, naturgemäß politischen und sozialen Fragen auseinandersetzen.
Der Bürgermeister ist nicht nur praktisch ‚für alles zuständig', sondern gleichzeitig erster Ansprechpartner für alle Bürgerinnen und Bürger, für deren Anliegen es immer ein offenes Ohr geben muss.
Gerade jetzt, während der Corona-Zeit, ist diese Aufgabe besonders schwierig, da zum einen die Einnahmensituation sehr prekär ist und zum anderen in den letzten Wochen und Monaten kein bzw. nur sehr eingeschränkter Parteienverkehr im Rathaus oder Amtsgebäude möglich war.
medianet: Worin bestehen heute die größten Herausforderungen für Bürgermeister?
Pilz: Die größten Herausforderungen für Bürgermeister sind jetzt während der Coronakrise natürlich die Aufrechterhaltung der Liquidität und – soweit möglich – auch die Umsetzung der geplanten Investitionen bzw. die Aufrechterhaltung der Infrastrukturanlagen. Grundsätzlich ist es, wie bereits erwähnt, im Spannungsfeld Finanzen-Recht-Politik wichtig, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die eine nachhaltige und gesunde Entwicklung der Gemeinde sicherstellen.
Ist dies unter normalen Umständen bereits eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit, hat Corona diese Herausforderung durch die unsichere Entwicklung in den nächsten Monaten natürlich nochmals vergrößert.
medianet: Gerade jetzt ist es für Kommunen nicht einfacher geworden. Wie entwickelt sich hier die Finanzsituation?
Pilz: Die Finanzsituation der österreichischen Gemeinden entwickelt sich zurzeit naturgemäß und analog zum Großteil der österreichischen Wirtschaft negativ. Natürlich ist das kommunale Hilfspaket ein wichtiger Schritt. Aber nichtsdestotrotz müssen Österreichs Gemeinden sich in der Coronakrise durch rückgängige Ertragsanteile, ausfallende Kommunalsteuern, geringere Fremdenverkehrsabgaben und zusätzliche Ausgaben auf einen geschätzten Schaden von 2 bis 2,5 Milliarden Euro einstellen.
medianet: Welche Maßnahmen müssen von Bürgermeistern gesetzt werden, um durch diese schweren Zeiten erfolgreich durchzunavigieren?
Pilz: Aus meiner Sicht muss sich jede Gemeinde in einem ersten Schritt einen guten Überblick über den finanziellen Status quo, aber auch über die voraussichtliche Situation der nächsten Monate verschaffen. In einem zweiten Schritt sind geeignete Maßnahmen – wie z.B. Rücknahme von nicht unbedingt notwendigen Investitionen und Rücknahme von Ermessensausgaben – zu setzen.
Weiters empfehle ich allen Gemeinden auf Basis dieser Erstanalyse bzw. Erstmaßnahmen eine Aufgabenkritik und eine Strukturanalyse zu tätigen, um durch diese Maßnahmen die Haushalte sinnvoll zu entlasten. Natürlich sind alle verfügbaren Hilfspakete, die die Bundesregierung verabschiedet hat, anzusprechen.
Auch gibt es neben diesen wirtschaftlichen Aspekten viele andere Themen, die jetzt auf die Gemeinden zukommen. Vor allem wären hier etwa die Unterstützung der Betriebe in der Gemeinde, der Vereine und generell der Bevölkerung mit ihren aufgrund der Coronakrise bestehenden Problemen zu nennen.
medianet: Wie gut kommen die Unterstützungsmaßnahmen der Regierung bei Gemeinden an? Welche Fördermöglichleiten gibt es, wie funktionieren sie?
Pilz: Die Bundesregierung hat für die österreichischen Gemeinden das sogenannte Gemeindepaket geschnürt. Im Wesentlichen geht es dabei darum, dass jede Gemeinde in Abhängigkeit ihrer Bevölkerungszahl 50%ige Investitionszuschüsse vor allem für nachhaltige Investitionen bekommt. Darüber hinaus konnten Tochtergesellschaften von Gemeinden ihre Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter für die Kurzarbeit anmelden, und größere Gemeinden konnten außerdem staatsgarantierte Kredite für ihre Tochtergesellschaften beanspruchen.
Aus meiner Sicht benötigt es jedoch noch dringend eine Unterstützung zur Abmilderung des Einnahmenausfalls. Diese könnte zum einen durch Direktzuschüsse erfolgen, und zum anderen sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Gemeinden das durch die Corona-krise entstandene Minus mithilfe langfristiger Kredite abdecken können. Natürlich werden auch die Gemeinden selbst durch die von mir vorher erwähnten Maßnahmen gegensteuern müssen.
medianet: In kleineren Ortschaften war es in den letzten Jahren oft schwer, Nachfolger für das Bürgermeisteramt zu finden. Wie wird sich dies entwickeln?
Pilz: Der Job des Bürgermeisters ist in vielen Fällen ein Fulltime-Job. Gerade in kleinen Gemeinden ist die damit verbundene Bezahlung wirklich nicht berauschend. Ich glaube, dass man in Zukunft Bürgerinnen und Bürgern, die sich bereit erklären, dieses anspruchsvolle Amt zu übernehmen, neben einer angemessenen Entlohnung auch entsprechende Schulungen bieten muss, die in Folge ja wieder der Gemeinde zugutekommen. Letztlich geht es meiner Meinung nach darum, dass die Bevölkerung eine Bewusstseinsänderung erfährt.
Der Job der Politikerin bzw. des Politikers auch und gerade auf Kommunalebene ist sehr herausfordernd und sollte dementsprechend wieder mehr an Ansehen gewinnen.
medianet: Welche Trends und Erfolgsfaktoren sind künftig bei der Standortentwicklung zu beachten?
Pilz: Aus meiner Sicht sollte das Thema Standortentwicklung viel breiter und regionaler aufgestellt werden. Es macht keinen Sinn, wenn Gemeinden in diesem Bereich gegeneinander konkurrieren.
Eine regionale, maßvolle Standortentwicklung ermöglicht es, für jede Gemeinde sinnvolle Maßnahmen zu setzen, um so als Region einen attraktiven Standort zu bieten. Für Unternehmen, die sich in einem Standort ansiedeln wollen, kommt es letztendlich auch immer auf die Servicequalität an. Hier tun sich oftmals kleine Gemeinden leichter, da man flexibler agieren kann.
medianet: Welche längerfristigen strukturellen Entwicklungen wird es in österreichischen Gemeinden geben?
Pilz: Die österreichischen Gemeinden sind gerade dabei, ihre Buchhaltung auf ein modernes, Doppik-ähnliches Rechnungswesen umzustellen. Ich glaube, man folgt damit dem Trend, dass auch Gemeinden unternehmerischer geführt werden müssen. Dafür gibt es schon unzählige Beispiele. Die Herausforderung ist im öffentlichen Bereich immer, den unternehmerischen bzw. betriebswirtschaftlichen Aspekt mit der Gemeinwohlorientierung in Einklang zu bringen.
Mit diesem Ziel werden die Kooperationen zwischen den einzelnen Gemeinden zunehmen, vor allem in Ballungszentren scheint eine stärkere Einbindung der Umlandgemeinden zielführend. Ich glaube auch, dass die Gemeindefusionen, beispielsweise in der Steiermark, eine gute Entwicklung waren. In weiterer Folge sollten Fusionen dort passieren, wo Gemeinden von sich aus zusammenwachsen und dieses Zusammenwachsen auch von der Bevölkerung mitgetragen wird.
Außerdem werden sich auch die Gemeinden den großen gesellschaftlichen Trends der Digitalisierung und des Schauens auf Nachhaltigkeit nicht entziehen können – eine Entwicklung, die allerdings absolut zu begrüßen ist und sicherlich sowohl den Bürgerinnen und Bürgern als auch den in den Gemeinden ansässigen Unternehmen zugutekommen wird.