Käse und Wein geb ich für Kredite fein
© Filippo Monteforte/AFP/picturedesk.com
Kein alter KäseIn der italienischen Po-Ebene werden Finanzgeschäfte seit Jahrhunderten auch über Parmesan-Laibe abgewickelt – die Käse in den Lagerhäusern dienen als Sicherheiten für Kredite an die Hersteller, die sich so Betriebskapital beschaffen.
FINANCENET 12.02.2016

Käse und Wein geb ich für Kredite fein

Es gibt tatsächlich Banken, die Naturalien als Besicherung für Kredite akzeptieren – in der Geschäftswelt eine seit Jahrhunderten geübte Praxis.

••• Von Reinhard Krémer

Nein, das ist kein Kalauer über die fallenden Sparbuchzinsen oder der elegante Aufruf, sich vor diesem Hintergrund dem Suff hinzugeben. Es ist vielmehr die Beschreibung einer – zugegeben, nicht alltäglichen – Geschäfts­praxis. Denn es gibt tatsächlich Banken, die Naturalien als Besicherung für Kredite akzeptieren.

Von New York …

Rückblende, Juni 2013: Eine Meldung sorgt für Aufsehen – das US-Bankhaus Goldman Sachs hat von einem ehemaligen Spitzenmanager rund 15.000 Flaschen Wein als ­Sicherheit für einen Kredit akzeptiert, wie eine Pflichtmitteilung der Bank vom Mai 2013 zeigte.

Doch bevor Sie sich nun mit einem Doppler Grünen Veltliners hurtig auf zur nächsten Raika machen: Die Weine waren natürlich höchstklassige Anlegerweine. Es handelt sich dabei vorwiegend um edle französische Tröpferl aus Bordeaux und dem Burgund. (Die erwähnten Weine repräsentierten übrigens nach Expertenmeinung einen Marktwert im unteren siebenstelligen US-Dollar-Bereich.)

… bis an die Po-Ebene

Schwenk nach Europa – Italien, Po-Ebene: Im Tresorraum der Bank Credito Emiliano kann es bisweilen deftig riechen. In den gut gesicherten zwei Lagerhäusern der Bank lagern fast eine halbe Million Käselaibe mit einem Wert von rund 180 Millionen Euro. Jeder fein säuberlich mit einer Seriennummer am 30-Kilo-Rund aufgestempelt – sie sollen es ermöglichen, ihn (nicht nur nach dem strengen Odeur) aufzuspüren, falls er von üblen Spießgesellen ohne Eigentumsrecht weggerollt wird. Dass dies nicht nur eine überflüssige Fleißaufgabe ist, bewies sich vor einigen Jahren, als freches Diebsgesindel sich gleich 500 der wertvollen „Radeln” (in jedem von ihnen stecken bis zu 550 Litern Milch und eine laaaange Reifezeit) aneignen wollten.

Warum die Laibe aber dort, in der Bank, liegen, fragen Sie nicht ohne Grund? Nun, in der Po-Ebene werden Finanzgeschäfte seit Jahrhunderten auch über Parmesan-Laibe abgewickelt – und die Käse in den Lagerhäusern dienen als Sicherheiten für Kredite an die Hersteller. So beschaffen sie sich wertvolles Betriebskapital, das bis zur Marktreife – in der Regel zwei Jahre – in den Laiben gebunden gewesen wäre.

Besicherung steigt im Wert

Zahlt ein Bauer seinen Kredit nicht zurück, werden seine Käse von der Bank einfach verkauft. Üblicherweise macht aber ein Erzeuger seinen Parmesan nach 15 Monaten selbst zu Geld und zahlt so seinen Kredit zurück. Für die Bank ist dies ein Geschäft, das mit jedem Tag ein wenig an Risiko verliert. Denn die „Sicherungs-Laibe” werden ja mit jedem Tag, an dem sie reifen, mehr wert. Was so manchem ein wenig seltsam anmuten mag, war bis vor rund 200 Jahren gang und gäbe: Denn bei der Leihe ging es nicht nur um Geld, sondern, vor allem im Umfeld der Landwirtschaft, auch um Naturalien. Hier waren vor allem Lebensmittel oder Saatgetreide von Bedeutung.

Auch im Bereich der Handelsschifffahrt spielten Waren eine große Rolle. So konnte man sich als Aktionär an der Ladung eines Schiffs beteiligen. Diese konnte auch verpfändet werden, um etwa Geld zur Bezahlung von Reparaturen zu erlangen. Auch Handels-Versicherungen akzeptierten in ihren Ursprüngen Naturalien als Sicherheit für Prämien.

Picasso als Kreditbesicherung

Schwenk über die Alpen – Österreich: Auch heute noch nehmen manche private Banken bei Krediten an wohlhabende Kunden allerlei Vermögenswerte wie Kunst oder Immobilien als Sicherheit an. Die Luft ist hier zwar in Zeiten der Bankenkrise deutlich dünner geworden, doch es kommt noch immer vor, dass ein Picasso zur Kreditversicherung hinterlegt wird.

So stellte sich im Zuge eines heimischen Bankenskandals 2011 heraus, dass mehrere Gemälde verpfändet worden waren; auch bei der Insolvenz eines Geigenhändlers kam ans Licht, dass hochpreisige Stradivaris oder wertvolle Guarneris als Kreditbesicherung hergehalten hatten.

Mit Quargel geht’s sicher nicht

Neben den klassischen Sicherheiten wie Barguthaben, Wertpapiere, Gold oder Immobilien werden in der Alpenrepublik auch bewegliche Güter, die Sammlerzwecken dienen, in seltenen Fällen als Kreditsicherheiten anerkannt. Voraussetzung ist allerdings stets ein aktuelles Schätzgutachten eines anerkannten externen Sachverständigen in der konkreten Sparte, die Beschränkung der Verfügung, eine sorgfältige und angemessene Lagerung sowie die Abtretung der Versicherungsansprüche. Wein und Kunstgegenstände können unter Umständen in diese Besicherungskategorie fallen, sonstige Lebensmittel wie zum Beispiel Käse allerdings nicht, zerschlagen sich gleich die Hoffnungen all jener, die mit einem Olmützer Quargel in der Aktentasche zur nächsten Bank pilgern wollen.

Allerdings: Angeboten wurden die genannten Sicherheiten während der letzten Jahre in Österreich nie.

Kein Käse im Dorotheum

„Käse und Weine nimmt das Dorotheum nicht an, auch keinen Hausrat - sondern Kunst, Antiquitäten, Schmuck, KFZ sowie manchmal technische Geräte und Musikinstrumente”, erzählt Doris Krumpl vom Wiener Dorotheum, das 1707 als „Frag- und Versatzamt” gegründet wurde.

Als Kuriosum berichtet sie von einem Gemälde im Wert von 500.000 Euro, das verpfändet worden war. Ein anderer hinterlegte gleich eine ganze Sammlung: „Die wurde wieder eingelöst”.
Die meisten heimischen Banken sind mit Kreditbesicherungen abseits der üblichen Verdächtigen jedoch nicht glücklich: „Als Kreditsicherheiten dienen uns die „klassischen” Sicherheiten: Hypotheken, persönliche Haftungen, Verpfändungen von Sparbüchern und Wertpapierdepots, etc.”, verlautet aus dem Bankenbereich. Man hält dort nichts von ungewöhnlichen Kreditsicherheiten, auch weil die Verwertung, sollte sie einmal notwendig sein, problematisch ist. Das mag zwar langweilig klingen, aber Österreichs Banken sind gut damit gefahren und es hat sich bewährt.
Die ablehnende Haltung der meisten Banken läßt verstehen, wenn man einen anonym bleiben wollenden Banker hört: „In einem weit in die Vergangenheit reichenden Fall haben wir ein Gemälde als Sicherheit akzeptiert und bei dem Versuch einer Verwertung unsere – unliebsamen - Überraschungen erlebt”.
Wer jetzt auf eine Bank im Süden der Republik verweist, an die man hierzulande auch noch in Generationen mit Schaudern denken wird, wo man doch Yachten, Dschunken und weiß Gott was noch als Sicherheiten akzeptiert hat: Das waren durchwegs Leasinggegenstände – und die befanden sich alle im Ausland.

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