••• Von Reinhard Krémer
WIEN. Die letzten Wahlen haben in einigen Ländern Zentral- und Osteuropas (CEE) EU-kritische Stimmen gestärkt. Dem wirtschaftlichen Aufschwung in der Region tut dies keinen Abbruch. Es steigen zwar die politischen Risiken, die Wirtschaft wächst aber anhaltend.
Das ist das Ergebnis des jüngsten „Political Risk Index” des internationalen Kreditversicherers Coface.
BIP steigt weiter an
Die Ökonomen von Coface prognostizieren ein Bruttoinlandsprodukt von 3,9% für das Jahr 2018 in der gesamten Region. In den vergangenen Jahren hat sich die Wirtschaftsaktivität in den CEE-Ländern beschleunigt, und das BIP erreichte mit einem Wachstum von 4,5% im Jahr 2017 den höchsten Stand seit acht Jahren.
Diese Entwicklung wird von einer starken Konsumnachfrage, anziehenden Investitionen und von der EU mitfinanzierten Projekten getragen. „Exporteure profitieren von der steigenden Nachfrage in den wichtigen Absatzmärkten.
Die Wettbewerbsfähigkeit bei Preisen und in der Qualität ist gut. Ebenso stimuliert die geografische Nähe zu Westeuropa sowie die ausländischen Investitionen die Region”, erläutert Coface-Experte Michael Tawrowsky.
Rückenwind für EU-Kritiker
„Alles in allem hat sich das Risiko in CEE in den vergangenen Jahren reduziert”, unterstreicht Tawrowsky. „Das BIP pro Kopf ist gestiegen und nähert sich dem Durchschnitt westeuropäischer Länder weiter an, die Arbeitslosigkeit ging zurück, und die Inflation ist moderat.” Bislang können somit noch keine negativen Auswirkungen des politischen Wandels in den CEE-Ländern ausgemacht werden. Das politische Risiko ist in den Ländern dabei unterschiedlich ausgeprägt.
Gesellschaftliche Polarisierung
Ungarn und Polen werden am häufigsten im Zusammenhang mit der Kritik der EU und internationalen Institutionen im Umgang mit Recht und Justiz genannt. In Rumänien gefährden angekündigte Änderungen im Rechtssystem den Kampf gegen die Korruption.
Und in Tschechien scheint Wahlgewinner Andrej Babis einen ähnlichen Weg wie die Regierungsparteien in Ungarn und Polen einzuschlagen. Politische Turbulenzen zeichnen sich seit dem Misstrauensvotum im Jänner ab, während der Ministerpräsident versucht, eine neue Koalitionsregierung zu bilden. In Slowenien und in der Slowakei sind jüngst die Ministerpräsidenten zurückgetreten. Die Polarisierung der Gesellschaft in Zentral- und Osteuropa zeigt sich in den vielen Demonstrationen, so Coface.
Korruption als Risikofaktor
„Die Korruption, die zur Unzufriedenheit in der Bevölkerung führt, ist weiterhin ein bedeutender Faktor für das politische Risiko in den CEE-Ländern”, erklärt Coface-Economist Grzegorz Sielewicz. So liegen Bulgarien, Ungarn und Rumänien trotz Verbesserungen weiter am Ende der EU-Korruptionsskala.
„Dennoch darf die Entwicklung des politischen Risikos nicht außer Acht gelassen werden. Wenn es weiter ansteigt, gefährdet es die Interessen ausländischer Unternehmen direkt und könnte deren Engagements und die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt bremsen”, warnt Tawrowsky.
Kompromisse wahrscheinlich
Die Regierungen wollen zwar die wichtigen Treiber der Wirtschaft nicht vergraulen, schlechtere Beziehungen zur EU und den Partnerländern mit eventuellen finanziellen Folgen könnten aber genau dazu führen.
So ist es wahrscheinlich, dass die Kontroversen in Kompromissen enden werden, da für beide Seiten zu viel auf dem Spiel steht, so die Studie.