Corona bremst normale Gesundheitsversorgung
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HEALTH ECONOMY Redaktion 18.09.2020

Corona bremst normale Gesundheitsversorgung

Patienten fürchten Besuch von Gesundheitseinrichtungen, warnt Teva/ratiopharm-Manager Elgar Schnegg.

••• Von Chris Radda und Martin Rümmele

WIEN. Die Debatte über Corona verdrängt die Tatsache, dass Menschen auch an anderen Dingen erkranken, kritisiert Teva/ratiopharm-Österreich-Geschäftsführer Elgar Schnegg im medianet-Interview. Weil die Menschen weniger zum Arzt gehen, werden Erkrankungen zu spät erkannt oder nicht ausreichend therapiert, kritisiert er.

medianet: Die Corona-Pandemie hat uns nach wie vor im Griff. Wie haben Sie die Entwicklung bisher erlebt?
Elgar Schnegg: Das ist gemischt. Als Unternehmen sind wird dafür da, Arzneimittel für Menschen zur Verfügung zu stellen. Das war für die ganze Branche nicht immer leicht. Es gab einen Peak im März und April durch Bevorratungen. Unter dem Strich wird aber weniger übrigbleiben, wie im Vorjahr. 2020 wird auch für die Pharmaindustrie ein schwieriges Jahr – auch wenn die öffentliche Meinung eine andere ist.

medianet: Und für die Firma?
Schnegg: Nachdem es im Frühjahr Berichte gab, ob Paracetamol bei COVID-19 hilft, ist die Nachfrage stark gestiegen. In der Folge gab es nationale Exportbeschränkungen etwa durch das Herstellerland Indien. Wir haben es aber geschafft, das Gesundheitssystem zu versorgen. Es gibt keine Lieferengpässe. Gleichzeitig wird der Wert der Innovation und der Industrie durch die Pandemie unterstrichen. Man zählt ja auch darauf, dass die Pharmaindustrie Lösungen für dieses Problem bringt. Für uns als Unternehmen ist es weniger ein Thema, weil Teva in anderen Bereichen wie der Neurologie und Schmerz­therapie Innovationen entwickelt. Insgesamt wird der Markteintritt von Innovationen, wie ein neues Migränepräparat von uns, aber dadurch eher gebremst.

medianet: Es gab Debatten über die Abhängigkeit von Asien – wie ist das zu lösen?
Schnegg: Natürlich sollte man nicht alles auslagern. Aber die Produktion muss für Unternehmen zumindest kostendeckend sein. Die öffentliche Hand kann nicht die Preise drücken und sich wundern, wenn es dann zu Verlagerungen kommt. Österreich ist ein Niedrigpreisland bei Medikamenten. Es gibt Präparate, die nicht einmal eine Inflationsanpassung bekommen. Man verlangt aber dennoch zu Recht hohe Sicherheit und Versorgungsgarantien. Da muss man sich fragen, ob die Preise verhältnismäßig sind. Österreich ist einfach sehr mager aufgestellt.

medianet: Welche Lösungen braucht es in der Coronakrise?
Schnegg: Die Gesundheits- und Krankheitsversorgung findet seit Monaten nicht so statt, wie vorher. Das hat organisatorische Gründe, aber auch psychologische bei den Patienten, die Angst vor einer Ansteckung haben. Das lähmt die Gesundheitsversorgung. Generell geht man ja zum Arzt, weil man Heilung will, aber nach Corona wird der Arzt eher als Platz gesehen, wo man krank werden kann. Natürlich: Die Regierung hat getan, was nötig war, und das Management der Pandemie wird gut weitergehen. Die Menschen waren insgesamt auch sehr diszipliniert – das hat sich aber in den Köpfen festgesetzt. Wir dürfen nicht vergessen, dass es auch andere Krankheiten als COVID-19 gibt. Was fehlt, ist jetzt die offizielle Freigabe des Gesundheitswesens durch die Politik.

medianet: Wie meinen Sie das?
Schnegg: Die Politik kann sagen, dass Corona ein Problem ist, aber man soll trotzdem zum Arzt gehen. Die Botschaft soll explizit kommen, dass die Gesundheitsberufe verantwortungsvoll und gut arbeiten, die Versorgung funktioniert und es in diesem Bereich deshalb kein erhöhtes Ansteckungsrisiko gibt. Die Botschaft muss sein: ‚Das Gesundheitssystem hat wieder geöffnet und es ist sicher.' Menschen sollen nicht wichtige Kontrollen oder Vorsorgeuntersuchungen verschieben – ein Hausarzt erkennt etwa frühzeitig Dinge. Deshalb sollen die Menschen auch hingehen. Mittelfristig führt es zu mehr Schäden und Kosten, wenn die Menschen nicht zur Vorsorge und Kontrolle gehen. Hier muß es wieder zur Normalität kommen, sonst wird das System den Preis dafür zahlen. In Pandemie­zeiten ist Krankheit ein großes Thema, dass man grad dann nicht zum Gesundheitsversorger geht, ist durchaus ironisch.

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