••• Von Martin Rümmele
ALPBACH. In der jüngsten Debatte über die Organisation und Finanzierung von Kuren relativiert der Branchensprecher der privaten Kur- und Krankenanstalten, Julian Hadschieff: Strenge Qualitätskriterien und genaue Leistungskataloge durch die finanzierende Pensionsversicherung seien längst üblich, sagt er im medianet-Interview. Hier werde eine große Branche verunglimpft, die eigentlich in Zeiten, wo man mehr Gesundheitsvorsorge fordere, wichtiger denn je sei. Die Kur vor 100 Jahren, die damals als Sommerfrische für das Bürgertum galt, habe mit der heutigen medizinischen Kur nichts mehr zu tun, sagt Hadschieff.
Er wünscht sich sogar, dass die Angebote ausgebaut werden. „Die Kur ist ein wichtiger Beitrag, um Gesundheitsförderung ernsthaft unter dem Aspekt der Lebensstiländerung in den Bereichen Ernährung, Bewegung und mentale Gesundheit zu forcieren.” Natürlich müsse man die Treffsicherheit erhöhen, um Kuren zu jenen Menschen zu bringen, die sie wirklich brauchen. „Es ist hier auch wichtig für die Ärzte, die medizinische Chance zu verstehen und zu sehen, was eine Kur präventiv bringen kann; Ärzte sind aufgefordert, das klarer und gezielter einzusetzen”, sagt der Spartenobmann.
Verhaltensänderung
Dass eine Kur drei Wochen dauert, macht für Hadschieff durchaus Sinn: „Verhaltensänderungen muss man üben und lernen; das geht nur außerhalb des Alltags und braucht Zeit.” Im Gegenzug beuge man schweren Erkrankungen vor und spare dadurch teure Folgebehandlungen und noch viel längere Ausfallzeiten.
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger: Die Spardiskussion ist der falsche Ansatz, sagt der Ärztekammerpräsident und fordert ebenfalls eine Stärkung der Kur. Wechselberger wandte sich entschieden gegen Pauschalverdächtigungen, wonach die Kur als Urlaubsersatz diene, die auf Einzelerfahrungen und Erzählungen beruht. Das sei unfair all jenen gegenüber, die die Kur gerechtfertigt in Anspruch nehmen. Auch ÖGB-Präsident Erich Foglar zeigt sich von der durch „Neid und die Privilegienschiene” geprägte Sommerdebatte um die Kur irritiert; dies sei populistisch und nicht zielführend.
Kuranstalten und Heilbäder haben auch eine große, bisweilen unterschätzte Bedeutung für Wertschöpfung und Arbeitsplätze in ländlichen Regionen. Das ergibt eine vom Ökonomen Gottfried Haber (Donau-Universität Krems) erstmals durchgeführte Analyse über „Regionalökonomische Effekte des Kurwesens”.
116 private Kurbetriebe
Demnach profitieren viele Branchen von den durch die Kurbetrieben hervorgerufenen Wertschöpfungseffekten, wovon vor allem die lokale Wirtschaft der betreffenden Regionen profitiert. Weitere positive Folgeeffekte betreffen die Infrastruktur, Image und Standortqualität. „Investitionen in diesen Sektor zahlen sich sowohl regional als auch gesamtwirtschaftlich aus”, betont Haber. Ausdrücklich unterstreicht der Studienautor die positiven Aussichten des Gesundheitstourismus und das Potenzial der Kurbetriebe. „Diese haben einen Leuchtturmeffekt und können als Leitbetriebe im Ort viel bewirken.”
Laut der Studie lassen sich österreichweit 116 private Kurbetriebe mit 13.115 Betten dem österreichischen Kurwesen zuordnen. Ihr Beitrag zum heimischen Bruttosozialprodukt summiert sich auf 419 Mio. €. 2013 wurden 3,45 Mio. Nächtigungen in diesen Betrieben erzielt, von denen 97,4 % auf inländische Gäste entfielen.