Pflege: Wo es krankt
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Buch Katrin Grabner hat sich mit den Herausforderungen des Pflegesektors auseinander­gesetzt und den Fokus auf die positiven Seiten gelegt.
HEALTH ECONOMY Redaktion 07.12.2023

Pflege: Wo es krankt

Journalistin und medianet-Redakteurin Katrin Grabner hat Pflegekräfte aus ganz Österreich getroffen und zu Herausforderungen interviewt.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Bis 2023 fehlten bis zu 100.000 Pflegekräfte in Österreich. Gleichzeitig steigt durch die älter werdende Bevölkerung der Versorgungsbedarf. Doch viele Pflegekräfte ziehen sich aus dem Beruf zurück. Die Regierung versucht, mit Reformen und mehr Geld gegenzusteuern. Doch das allein reicht nicht, denn den Beschäftigten geht es nicht allein ums Geld, sagt medianet-Redakteurin Katrin Grabner. Sie hat für ein neues Buch 23 Menschen aus der Pflege und Fachleute getroffen und sie nach ihren Antworten auf die Krise gefragt.

medianet:
Wie sieht das Resümee aus nach den Gesprächen mit Menschen aus ganz verschiedenen Bereichen der Pflege – von der Betreuung zu Haus, über die Pflege von Gefängnisinsassen bis zur Demenzpflege?
Katrin Grabner: Pflege- und Betreuungsarbeiten verlangen so viel mehr als ‚nur' Empathie. In der Berufswelt sind es hochprofessionelle und vielfältige Tätigkeiten, die zusätzlich ein hohes Maß an Kreativität erlauben. Damit auch in Zukunft mehr Menschen in die Pflege gehen, braucht es flexiblere Rahmenbedingungen sowie mehr Wertschätzung und Unterstützung von der Politik und der Gesellschaft. Auch im Privatleben werden pflegende Angehörige leider oft zu wenig unterstützt, die Arbeit bleibt meist an Frauen hängen – auch das ohne eine breite, gesellschaftliche Anerkennung. Hier braucht es mehr Bewusstsein und ein klares Commitment von allen. In den Einrichtungen selbst fehlt es vor allem am HR-Management.

medianet:
Was sind die Herausforderungen der Zukunft?
Grabner: In der beruflichen Pflege wird der Berufsalltag oft durch fehlende Gerätschaften, unflexible Arbeitszeitmodelle sowie eine nicht ausreichende Bezahlung für Leitungspositionen erschwert. Ebenso fehlt oft bei Angehörigen von Pflegebedürftigen sowie bei Angehörigen der Ärzteschaft das Bewusstsein dafür, dass es sich bei der Pflege um eine hochprofessionelle Tätigkeit und ein eigenes und eigenständiges Berufsbild handelt.

medianet:
Was motiviert die Menschen in den Portraits dennoch, in der Pflege zu arbeiten?
Grabner: Pflegende wollen die Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen erhöhen. Dazu braucht es mehr als ‚nur' Empathie. Basispflege kann nicht jeder und muss erlernt werden – und dabei geht es nicht ums Händchenhalten und Lieb­sein. Das Schöne am Job ist, dass nach der Basispflege viel vom eigenen Charakter sowie Kreativität in die Arbeit einfließen kann. Besonders schön ist es für Pflegende, wenn pflegebedürftige Menschen durch ihre Arbeit gesund oder gesünder werden und die gemeinsame Zeit und Arbeit zu schätzen wissen. Die Tätigkeit ist abwechslungsreich und man lernt jeden Tag neue Menschen kennen. Darüber hinaus gibt es ein breites Feld an Pflegeberufen, wo man sich den passenden Job aussuchen kann.

medianet:
Das Buch bietet nicht nur Storytelling, sondern auch Fakten zum Pflegesektor. Was sind jene, die bisher kaum öffentlich diskutiert werden?
Grabner: Etwa, dass 85,1 Prozent der Pflegepersonen in stationären Betreuungs- und Pflegediensten Ende 2021 Frauen waren. Oder dass 29 Prozent der pflegenden Angehörigen zwischen 51 und 60 Jahre alt sind, etwa ein Viertel ist sogar älter als 71 Jahre. Was auch selten diskutiert wird: Rund 42.000 Minderjährige pflegen Familienangehörige – das sind sogenannte Young Carers. Das Potenzial an Hospiz- und Palliativbetten ist mit 492 österreichweit noch ausbaufähig. Interessant fand ich auch, dass 196 Ordensfrauen und 26 Patres und Brüder österreichweit im Gesundheits- und Pflegebereich tätig sind. 39,1 Prozent der Pflegebedürftigen Menschen werden über mobile Dienste betreut.

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