••• Von Evelyn Holley-Spiess
WIEN. Eine aktuelle Anfrage der SPÖ zur Entwicklung der Wahlärzte sorgt für neuen Zündstoff in der Debatte rund um die Zwei-Klassen-Medizin in Österreich. Aus der entsprechenden Beantwortung durch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) geht nicht nur hervor, dass die Anzahl der Wahlärzte in manchen Fächern deutlich zugenommen hat — parallel dazu sind auch die Refundierungsanträge für die Rechnungen in den Jahren 2017 bis 2023 eindrucksvoll gestiegen.
Konkret gab es in der Augenheilkunde in diesem Zeitraum ein Plus von 55%, bei Hautärzten 75%, in der Orthopädie 82% und bei Kinderpsychiatern gar eine Steigerung um 182% bei den eingereichten Anträgen. Noch massiver fällt der Zuwachs bei den durch die Patienten eingereichten Kosten aus: Diese lagen 2023 in der Augenheilkunde mit rund 75 Mio. € um 101% über jenen aus dem Jahr 2017. Bei den Dermatologen waren es rund 76 Mio., was einem Plus um 114% entspricht. Bei den Orthopäden fällt mit 74 Mio. an eingereichten Kosten im Vorjahr das Plus mit 117% aus und bei Kinderpsychiatern wurden knapp zwei Mio. € verzeichnet, was einem Anstieg von 165% gegenüber dem Jahr 2017 entspricht. Hintergrund: Auf Basis der gesetzlichen Bestimmungen vergütet die Österreichische Gesundheitskasse nach der Konsultation eines Wahlarztes 80% dessen, was die Kasse einem Vertragsarzt gezahlt hätte, wäre dieser vom Patienten aufgesucht worden.
Stakeholder positionieren sich
Die Daten sind – gerade in Vorwahlzeiten – Wasser auf die Mühlen all jener, die sich eine stärkere Einbindung der Wahlärzte in das öffentliche, solidarische Gesundheitssystem wünschen. SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher kritisiert, dass die Zwei-Klassen-Medizin ein dramatisches Ausmaß erreicht habe. Es brauche einen österreichweiten Gesamtvertrag für Ärzte und eine Leistungsharmonisierung. Um den Mangel an Ärzten auch mittelfristig zu bekämpfen, bedürfe es einer Verdoppelung der Medizinstudienplätze samt Vorreihung jener, die sich bereit erklären, dem öffentlichen Gesundheitssystem für eine gewisse Dauer zur Verfügung zu stehen.
Für die Ärztekammer sind derartige Forderungen eine Kampfansage: „Wahlärztinnen und Wahlärzte sind systemrelevant für die Gesundheitsversorgung in unserem Land. Sie zu zwingen, wird kein einziges Problem lösen und ist Symbolpolitik auf dem Rücken der Bevölkerung”, formuliert es Johannes Steinhart, Präsident der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer. Die Standesvertretung fordert „umgehend eine Attraktivierung und bedarfsorientierte Finanzierung des Kassenbereichs.” Mit einer Ausweitung der Kassenstellen würden mehr Kapazitäten und raschere Facharzttermine zur Verfügung stehen.
Ruf nach mehr Geld
Was Kammer und SPÖ eint, ist der Ruf nach Umsetzung der Patientenmilliarde, die politisch im Zuge der Reform der Sozialversicherung versprochen worden war. Peter Lehner, Obmann der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) und Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger verweist auf den neuen Gesamtvertrag der SVS, der den niedergelassenen Bereich stärke und Mangelfächer attraktiviere.