••• Von Helga Krémer
Kein gutes Jahr hat die heimische Industrie hinter sich, hatte sie doch vergangenes Jahr den zweitstärksten Einbruch in der Zweiten Republik erlebt. Heftiger war’s nur in der Finanzkrise 2009, als sich das Minus auf 16,8% belief.
Die Industrieproduktion ist laut Konjunkturerhebung der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) 2020 um 20 Mrd. € oder 11,5% zurückgegangen. Besonders betroffen waren die beiden Energie-Fachverbände Mineralöl und Gas/Wärme, ferner die Glasindustrie, der Fachverband Bergwerke/Stahl sowie die Fahrzeugindustrie mit Einbrüchen über 15%.
„Die Pandemie hat in der heimischen Industrie deutliche Spuren hinterlassen. Kein einziger Fachverband der Bundessparte konnte einen Produktionszuwachs erzielen”, beklagt Sigi Menz, Obmann der Bundessparte Industrie. Die Auftragseingänge schrumpften 2020 um 7,9%, wobei das Ausland (–9,9%) wesentlich stärker betroffen war als Aufträge aus dem Inland (–2,2%).
Vorsicht vor den Kosten
Insgesamt zeigt der Rückblick auf 2020 Folgendes: „Die Industrie ist und bleibt auch in Krisenzeiten ein stabilisierender Faktor für Österreichs Wirtschaft. Damit dies so bleibt und unsere Betriebe Stütze und Triebfeder für den Re-Start nach der Krise sein können, brauchen sie aber dringend verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit; dazu gehört ein faires Steuer- und Abgabensystem”, so der Branchenobmann.
So sehr die ambitionierten Zielsetzungen des European Green Deals und des aktuellen Regierungsprogramms für einzelne Industriebereiche (etwa Technologieentwicklung, Anlagen- und Maschinenbau oder Elektro und Elektronik) wie ein Innovations- und Wachstumsturbo wirken könnten, so sehr drohten den energieintensiven Branchen massive zusätzliche Kostenbelastungen am Standort Österreich.
Ein Bündel aus zusätzlichen Kosten – vom Ausbau der Erneuerbaren-Förderung, steigenden Netztarifen, weiteren Verschärfungen und dem drohenden Entfall der freien Zuteilung im EU-Emissionshandel bei Einführung eines CO2-Grenzausgleichs bis zur nach wie vor fehlenden Strompreiskompensation – verursache der Industrie jährliche Mehrkosten von rund 2 Mrd. €, befürchtet die WKÖ.
Herausfordernde Zeit
Eine große Herausforderung derzeit sei die Verknappung von Rohstoffen bzw. deren starke Preisentwicklungen. Allein bei Stahl und ähnlichen Rohmaterialien stiegen die Preisindizes in den vergangenen Monaten um 20% und mehr. Betroffen seien hierbei aber auch andere Bereiche wie Chemikalien, pharmazeutische Vorprodukte und Sondermetalle.
Das erste Quartal 2021 zeigt „vergleichsweise mildere –wenn auch in einigen Fachverbänden nach wie vor negative – Tendenzen”, heißt es in der Konjunktureinschätzung der WKÖ-Industriefachverbände.
Große Branchen wie Elektro- und Elektronikindustrie, die Metalltechnische Industrie, die Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie die Textil-, Bekleidung-, Schuh-, und Lederindustrie gehen von einer weiter fallenden Produktion im Vergleich zum ersten Quartal 2020 aus. Die Lage bei den Aufträgen sei „durchwachsen”. Auch beim Personalstand zeichnet sich keine Erholung ab.
Die Industrie hatte 2020 mit einem starken Abbau des Fremdpersonals reagiert; hier musste fast ein Fünftel gehen, während das Eigenpersonal nur um 1,7% reduziert wurde. In Summe hatte die Industrie 2020 im Jahresdurchschnitt 448.910 Beschäftigte, davon waren 426.051 Personen Eigenpersonal.
Fachkräfte und Lehrlinge
Eine weitere Herausforderung für zahlreiche Unternehmen in der Industrie sei nach wie vor das Thema Fachkräfte, erinnert der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill: „Es klingt paradox, aber Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel sind kein Widerspruch. Das bestätigt eine aktuelle Umfrage unter unseren Mitgliedsbetrieben.” Besonders stark nachgefragt seien derzeit Berufe in den Bereichen Technik & Produktion, IT oder Forschung & Entwicklung. Auch bei den Lehrlingen erlebe man aktuell einen qualitativen wie quantitativen Rückgang an Bewerberinnen und Bewerben; hier gelte es für Knill, gegenzusteuern.
Aber, trotz aller Widrigkeiten: „Wir haben den weitesten Weg der Krise hinter uns. Jetzt gilt es, den restlichen Weg so gut wie möglich zu bewältigen und uns gemeinsam auf den Aufschwung nach der Krise vorzubereiten”, so Knill.
Industrieproduktion
Die Industrieproduktion fiel 2020 um 20 Mrd. €, 2009 hatte der Rückgang 23,3 Mrd. € betragen. Wenn die Mineralölindustrie (–36,8%) und die Gas- und Wärmeversorgung (–18,4%) herausgerechnet werden, kommen die übrigen 14 Fachverbände im Schnitt auf ein Produktionsminus von 8,9%. Die abgesetzte Produktion hatte einen Wert von 153,7 Mrd. €.
Die gesamte Industrie kam im vierten Quartal 2020 auf ein hauchdünnes Plus (+0,1%) im Vergleich zum vierten Quartal 2019. Im zweiten Quartal, zu Beginn der Corona-Maßnahmen, hatte es einen Einbruch um gut ein Viertel (26%) gegeben.