Ohne heimische Logistik ist Österreich geliefert
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 17.02.2023

Ohne heimische Logistik ist Österreich geliefert

IV, WKÖ und Zentralverband Spedition & Logistik fordern für die Branche zukunftssichernde Rahmenbedingungen.

••• Von Helga Krémer

Die Logistik ist die volkswirtschaftlich sechstwichtigste Branche Österreichs. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut Economica leistete die Branche 2021 mit 14,7 Mrd. € rund vier Prozent der gesamtösterreichischen Bruttowertschöpfung. Der gesamte Wertschöpfungseffekt inklusive Vorleistungen und induzierter Effekte lag bei 20,9 Mrd. € bzw. 5,8%. Damit war 2021 jeder 17. in Österreich erwirtschaftete Euro auf die Logistik zurückzuführen. Neben den Wertschöpfungs-effekten zeigt auch der Arbeitsmarktvergleich die eminente Bedeutung der Logistik, die beim direkten Beschäftigungseffekt etwa gleichauf mit der Tourismusbranche liegt. Ebenso stechen die direkten und indirekten fiskalischen Effekte des Logistiksektors in Höhe von rund 7,5 Mrd. € hervor. Sie stehen für rund 4,4% des gesamten Steuer- und Abgabenaufkommens, gleichbedeutend mit rund drei Viertel des Körperschaftsteuer-Aufkommens. (Hier nicht eingerechnet sind hier die Lkw-Mauterlöse; 2021 rd. 1,7 Mrd. €.)

Studienerkenntnisse

Die vorliegende Economica-Studie „Die volkswirtschaftliche Bedeutung des österreichischen Logistiksektors” weist erstmals den vollständigen ökonomischen Fußabdruck des österreichischen Logistiksektors aus. Derzufolge ist sein Wertschöpfungsanteil seit 2019 auch wegen der Covid-Pandemie stark gestiegen. Das sei nicht zuletzt auf die Logistikleistungen für den Onlinehandel zurückzuführen, der infolge von Lockdowns und eingeschränkten Öffnungszeiten immens gewachsen ist.

Während sich dieser Effekt mit der Aufhebung der Corona-Beschränkungen zumindest zum Teil wieder zurückbildet, erhöht die starke Preisauftriebsdynamik den enormen Kostendruck auf die Branche. Bei Weiterreichung in Form höherer Preise für Logistikdienstleistungen könne dies mittelfristig zu einem Rückgang der Nachfrage und des Wertschöpfungsbeitrags führen.

Es war schon leichter

Besondere Herausforderungen für die Branche sieht Economica in der Mobilitätswende, weil knapp 70% der Güterverkehrsleistung – darunter kaum oder nicht substituierbare Logistikdienstleistungen – über die Straße erbracht werden. Studien­leiter Christian Helmenstein: „Eine Umstellung auf CO2-arme Güterbeförderung setzt finanzierbare alternative Antriebstechnologien und eine großflächig verfügbare Energie-Infrastruktur voraus. Die aktuellen Rahmenbedingungen werden diesen Anforderungen noch nicht gerecht. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich eine weitere Kostenbelastung der Logistikbranche ab, die ihre Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich belastet. Umso wichtiger ist es, die Mobilitätswende so zu gestalten, dass die Transformation zu leistbaren betriebswirtschaftlichen Bedingungen erfolgen kann.”

Besorgniserregend sei auch der zunehmende Personalmangel aufgrund sinkender Beschäftigungszahlen bei gleichzeitig zunehmendem Transportaufkommen, verschärft durch die anstehende Pensionierungswelle der Baby-Boomer-Generation. Helmenstein: „Wenn in unserer komplex organisierten Wirtschaft die Lieferketten nicht aufrechterhalten werden können, bringt das unsere gesamte Volkswirtschaft in eine prekäre Lage.”

Lieferketten als Rückgrat

Für einen arbeitsteilig organisierten Wirtschaftsstandort wie Österreich bilde laut Peter Koren, Vizegeneralsekretär der Industriellenvereinigung, die Logistik das Rückgrat: „Funktionierende Lieferketten sind entscheidend für den Erfolg der heimischen Industrie – sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene, die es bestmöglich intermodal miteinander zu verschränken gilt. In Zeiten der Glokalisierung (Kofferwort und Neologismus aus den Begriffen ‚lokal' und ‚Globalisierung'; es beschreibt die Auswirkung globaler Effekte auf die regionale Ebene sowie deren Zusammenhänge, Anm.) kann die Logistik regionale Produktion erleichtern, grenzüberschreitende Transporte verringern und so die Versorgungssicherheit und internationale Wettbewerbs­fähigkeit Österreichs gewährleisten.”

Rahmenbedingungen

Es gelte, die Zukunftsfähigkeit Österreichs als wichtigster Logistik-Hub in Zentral- und Osteuropa zu sichern – was eine entsprechend ausgebaute und zukunftsfähige Infrastruktur voraussetze, sowohl im Verkehrsbereich als auch im Hinblick auf die Energieversorgung.

„Die aktuelle Novelle zum UVP-Gesetz und die Maßnahmen zum beschleunigten Ausbau von Erneuerbaren Energien greifen langjährige Forderungen der Industrie auf und sind ein Gebot der Stunde”, so Koren. Gegenwärtig scheine jedoch der Anspruch der österreichischen Bundesregierung, Transit-Verkehre und mit der Logistik verbundene Umweltbelastungen zu reduzieren, eher zu schwinden, denn der seit Beginn der Legislaturperiode wiederholt angekündigte Masterplan Gütermobilität fehle noch immer, und das mehrfach verschobene Förderprogramm zur Umstellung von Nutzfahrzeugflotten auf emissionsfreie Antriebe sei nach wie vor ausständig.

Was die Branche sagt

Alexander Klacska, Bundesspartenobmann Transport und Verkehr, WKÖ: „Wir brauchen eine ökosoziale Klimapolitik, aber auf dem Fundament von Marktmechanismen. Eine wichtige Voraussetzung für die notwendige Transformation ist dabei, dass Energie leistbar bleibt und ausreichend zur Verfügung steht.”

Auch für Wolfram Senger-Weiss, Vizepräsident Zentralverband Spedition & Logistik, müsse die Logistik grüner werden dürfen: „Als Branche fehlen uns dazu noch immer grundlegende Rahmenbedingungen. Studien belegen, dass der Güterverkehr noch zunehmen wird. Selbst bei einer weiteren Verlagerung auf die Schiene wird der größte Teil davon auf der Straße transportiert werden. Dort muss dementsprechend der Schwerpunkt gesetzt und neben der Elektromobilität vielversprechende Technologien wie Wasserstoffantriebe oder auch Brückentechnologien wie eFuels gefördert werden. Bleibt die Bundesregierung hier weiterhin untätig, vergeben wir eine große Chance, als innovativer Logistikstandort voranzuschreiten und gefährden die von der Politik selbst gesetzten Dekarbonisierungsziele.”

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