••• Von Helga Krémer
Wenn es um den nachhaltigen Infrastrukturbau geht, spielt der Baustoff Beton eine tragende Rolle. Seine Stabilität, Druckfestigkeit und vor allem Langlebigkeit sind wichtige Voraussetzungen einer modernen und langfristig ausgelegten Infrastruktur. So auch beim aktuellen Ausbau der Wiener U-Bahn-Linien U2 und U5. In der ersten Baustufe dieses oft als größtes Klimaschutzvorhaben Wiens gepriesenen Großinfrastrukturprojekts wird die Linie U2 vom Schottentor bis zum Matzleinsdorfer Platz ausgebaut.
„Beton wird beim U-Bahn-Ausbau vielseitig genutzt. Im Vortrieb sichert man mittels Spritzbeton das Gebirge oder den Untergrund. Für die Tunnelwände kommen vorgefertigte Betonringe, sogenannte Tübbinge, zum Einsatz”, erklärt Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie und Vorstandsmitglied von Beton Dialog Österreich. „Unabhängig davon, wie er genutzt wird, ob als Transportbeton oder Betonfertigteil – auf eines kann man sich bei diesem Baustoff auch unter härtesten Bedingungen immer verlassen: Wenn es um Langlebigkeit und Sicherheit geht, dann ist Beton schlichtweg unersetzbar.”
Innovative Bauweisen
Beim Ausbau des Wiener U-Bahn-Netzes werden mehrere Bauweisen eingesetzt: Dort, wo an der Oberfläche künftig Aufgänge oder Notausstiege entstehen, wird in der sogenannten Deckelbauweise gebaut. Dabei werden Bohrpfähle oder Schlitzwände aus Stahlbeton hergestellt, zwischen denen die Baugrube ausgehoben wird. Diese wird mit einem Betondeckel verschlossen und anschließend Ebene für Ebene in die Tiefe gegraben, bis die notwendige Tiefe erreicht wird und der Schacht mit einer 1,8 m starken Stahlbetonbodenplatte fertiggestellt wird.
Beim Tunnelbau der U-Bahn setzt man auf zwei Bauweisen: Stationsröhren, Passagenverteiler und Querschläge werden in der sogenannten Neuen Österreichischen Tunnelbauweise (NÖT) errichtet. „Bei der NÖT wird das Gebirge bzw. der Untergrund zum tragenden Bauteil. Nach dem Ausbruch verformt sich der Hohlraum, bis er einen neuen Gleichgewichtszustand findet. Mit schnell erhärtendem Spritzbeton wird dann der Hohlraum gesichert”, erklärt Konrad Bergmeister, Leiter des Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien.
„Bei längeren Abschnitten mit gleichmäßigem Tunnelverlauf hat sich die Tunnelvortriebsmaschine bewährt: Sie erledigt alle wesentlichen Arbeitsschritte, vom Graben des Tunnels bis zur Auskleidung der Tunnelschale mit Tübbingen”, so Bergmeister. Die „clevere” Maschine – sie hört auf den Namen „Debohra” – sorgt sogar für den Abtransport des Aushubmaterials. Dieser wird für den gesamten neuen Streckenverlauf zwischen dem Matzleinsdorfer Platz und Augustinplatz über den zentralen Schacht am Matzleinsdorfer Platz abtransportiert – damit spart man rund 20.000 Lkw-Fahrten durch die Stadt und 75 t CO2.
Im dicht bebauten Margareten
Die künftige U2-Station Rein-prechtsdorfer Straße gilt als einzige gänzlich neu gebaute Station der südlichen U2-Trasse, da es hier keine Umsteigemöglichkeiten zu den bestehenden U- und S-Bahn-Linien geben wird. Die Station liegt in mehrfacher Tieflage zwischen dem Schacht am Bacherplatz im Norden und der Siebenbrunnengasse im Süden.
Auch hier kommt der Baustoff Beton vielfältig zum Einsatz: „Bei der Schachtherstellung in Deckelbauweise werden Bohrpfähle aus Stahlbeton und Zwickelbeton zwischen den Bohrpfählen verwendet. Wasserundurchlässiger Beton kommt als Ortbeton mittels Schalung bei der Innenschalenherstellung der Schachtbauwerke zum Einsatz. Im Tunnelbau verwenden wir bis zu 35 Zentimeter starken Spritzbeton”, sagt Michael Zeman, Projektleiter des Bauabschnitts U2/19 „Reinprechtsdorfer Straße” bei den Wiener Linien.
Wiens U-Bahn-Bau-Premiere
Im Rahmen des ÖBV- und FFG-Forschungsprojekts „Green Infrastructures” werde beim U2-Ausbau erstmals der Einsatz des Recyclingbetons getestet, so Denis Milosevic, Bauleiter bei den Infrastruktur-Projekten der Wiener Linien: „Dazu führen die Wiener Linien gemeinsam mit dem Betonhersteller Wopfinger Transportbeton und dem Institut für Konstruktiven Ingenieurbau (IKI) an der Boku intensive Untersuchungen durch.”
Bergmeister ergänzt: „Ziel ist es, einen Teil der Innenschale des künftigen Notausstiegs der Linie U2 auf der Quellenstraße mit Recyclingbeton und reduzierter innovativer Bewehrung herzustellen.” Dabei handelt es sich um Basalt, das Material bringe laut Bergmeister gleich mehrere massive Vorteile mit sich: Basalt wiege im Vergleich zu Stahl nur ein Drittel, sei dabei aber dreimal so stabil. Er sei korrosionsbeständig, roste also nicht.
Echter Beton-Kreislauf
Dem nicht genug, wirke er sich positiv auf die Kreislauffähigkeit von Beton aus, erklärt Bergmeister: „Basalt ist ein Mineral, damit ein Stein und kann damit beim Recycling im Beton bleiben.” Anders als der Stahl, der im Recycling ausgeschieden werden muss.
Zurück zum Notausstieg: „Zu Testzwecken wird in ca. 25 Meter Tiefe ein Probefeld von ca. 112 Kubikmeter mit einer Schachtinnenschale aus Recyclingbeton errichtet und auf Einflüsse wie Frost, Wasserdruck und chemische Angriffe geprobt”, informiert Bergmeister weiter. Das Ergebnis soll eine Innenschale aus Recyclingbeton sein, die dieselbe Qualität aufweist wie herkömmlicher Beton. Wo der zu reycelnde Beton herkommt? Direkt von der Baustelle, er war vorher eine Hilfskonstruktion.