Re(f)use old Fashion!
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LUXURY BRANDS&RETAIL irmie schüch-schamburek 08.11.2019

Re(f)use old Fashion!

Das Ende der Konsumgesellschaft Trendbüros prognostizieren Umbruch des Kaufverhaltens.

Wien. Gleich dem Schnitzel/Schwein-Effekt vergisst der Konsument auch bei Lifestyle-Produkten gern die Ausbeutung von Menschen und Natur sowie die damit einhergehenden Umweltbelastungen.

Laut der Trendforscherin Li Edelkoort werden für die Weltbevölkerung von rund acht Mrd. Menschen 150 Mrd. Kleidungsstücke pro Jahr produziert. Zwei Mrd. Menschen kaufen keine Kleidung, weitere zwei Mrd. nur drei bis vier Kleidungsstücke pro Jahr, etliche „Fast Fashion”- Konsumenten dagegen fast täglich ein neues Outfit.

Erschreckende Zahlen

Schätzungsweise 25% der produzierten Waren werden vernichtet, ohne jemals getragen worden zu sein – und das nur aus einem Grund: Der Kunde verlangt stetig nach neuen Modellen. Viele dieser Kleidungsstücke können nicht recycelt werden, landen auch nicht auf dem Second Hand-Markt, sie sind nicht einmal ökologisch abbaubar – und oft sogar giftig.
Die Textilindustrie ist laut einer Studie der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) zudem für rund 10% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich – das ist mehr, als Luftfahrt und Schifffahrt zusammen ausstoßen, und bei der Abwasserbelastung sind es weltweit satte 20%. Aber sollte der komplette ökologische Fußabdruck sich zukünftig im Produktpreis niederschlagen, werden viele Lifestylegüter unleistbar sein.

Aus alt wird neu

Auf der diesjährigen Faser- & Stoffmesse „Premiere Vision” in Paris waren Nachhaltigkeit, umweltschonende Produktion und die Wiederverwertbarkeit der Materialien Themen in allen Makrotrend-Vorträgen – und es gab viele Lösungsansätze.
Neue Technologien sollen auch den ungeheuren Wasserverbrauch von Baumwolle und Jeans (rund 8.000 l Wasser pro Hose) sowie verschiedener Oberflächenbehandlungen minimieren. Ebenfalls bereits Realität: Recycling-Unternehmen, die Baumwollstoffe mit umweltschonenden Verfahren bis auf die Faser zerlegen und wieder neu verspinnen können – vorausgesetzt, das Material beinhaltet kein Lycra, denn das verstopft die Maschinen. Auch für edle Strickware mit einem hohen Wollanteil gibt es bereits innovative Wiederverwertungsmethoden.
Da die Transparenz für Konsumenten immer wichtiger wird, sind einige internationale Güte­siegel im Entstehen, die umwelt- und ressourcenschonende, fair trade- sowie nachhaltig produzierte Produkte auszeichnen. Letztere beziehen sich neben der Qualität der Materialien, die langlebig sein müssen, auch auf die Verarbeitung, um Kleidungsstücke und Accessoires optimal recyclebar oder noch besser für eine mehrjährige Nutzung durch Second Hand-Portale nutzbar zu machen.

Nachhaltige Nutzung

Eine Umfrage des globalen Online-Gebrauchtwarenladens Thred Up von 2019 zeigt, dass der Umsatz mit gebrauchter Kleidung enorm wächst, ebenso wie jener des Web-Shops Rebag, der auf gebrauchte Designertaschen spezialisiert ist. Dieser hat jetzt einen Bewertungsindex lanciert, der Usern den Preis, den das Unternehmen für den Erwerb der Tasche zahlen wird, errechnet und über 50 Luxusmarken miteinander vergleicht. Eine solche Transparenz und Vergleichbarkeit üben auf die einzelnen Marken Druck aus, um vermehrt wertbeständige Waren zu produzieren.
Die meisten Trendprognosen prophezeien, dass die Konsumenten künftig nicht nur weniger kaufen werden – auch die Bedeutung der Mode als Sozialprestige wird einem massivem Wertewandel unterliegen. Qualität, Nachhaltigkeit, Transparenz und der ökologische Fußabdruck der Waren werden an Bedeutung gewinnen, stetig wechselnde Looks und kurzlebige Trends sind nicht mehr relevant. Dafür steigt auch die Bereitschaft, höhere Preise zu bezahlen. Das bedeutet: Die Modeindustrie muss sich grundlegend verändern, insbesondere die Fast Fashion-Marken.
Das ist, so Li Edelkoort, aber auch eine große Chance, um einen neuen Weg zur Mode zu erfinden. Statt daran zu verzweifeln, dass die alten Programme nicht mehr funktionieren, sollten wir uns freuen, dass sich uns gänzlich neue Möglichkeiten eröffnen und Industrie und Designer endlich wieder kreativ sein können.

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