100 Jahre Radio als ein audiovisuelles Feuerwerk
© ORF/Hans Leitner
Multimedial ORF-Radio-direktorin Ingrid Thurnher, Ö3-Moderator Philipp Hansa & TV-Direktorin Stefanie Groiss-Horowitz bei der Präsentation des Schwerpunkts (v.l.).
MARKETING & MEDIA Redaktion 27.09.2024

100 Jahre Radio als ein audiovisuelles Feuerwerk

Im Jahr 1924 ging die erste Radiosendung in Österreich on Air. Der ORF feiert das Jubiläum gebührend.

••• Von Dinko Fejzuli

Am 1. Oktober 1924 begann die Radio-Verkehrs-AG (RAVAG) ihren Sendebetrieb mit der legendären Durchsage: „Hallo, hallo! Hier Radio Wien auf Welle 530.” Dieser historische Moment markierte den Beginn des Radios in Österreich. Zum 100-jährigen Jubiläum würdigt der ORF das Medium auf vielfältige Weise über alle Kanäle hinweg. Auf Ö1 sind rund 50 spezielle Sendungen geplant, während eine große TV-Show mit prominenten Gästen einen der Höhepunkte der Feierlichkeiten darstellt.

Sechs Millionen hören Radio

ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher und TV-Direktorin Stefanie Groiss-Horowitz präsentierten diese Woche das umfangreiche Programm zum Jubiläum, das der ORF auf all seien Kanälen feiern wird.

Dabei betonte Hörfunkdirektorin Thurnher, Radio sei trotz seiner langen Geschichte nach wie vor „frisch und relevant”. Aktuell hören über sechs Mio. Österreicher täglich Radio, im Durchschnitt mehr als drei Stunden. Erfolgsfaktoren seien unter anderem die schnelle Informationsübermittlung und die hohe Vertrauenswürdigkeit des Mediums, so Thurnher.
Zu den besonderen Höhepunkten der Geburtstagsevents zählt das Jubiläumskonzert „100 Jahre Radio” am 1. Oktober, das live aus der Musik und Kunst Privatuniversität in Wien übertragen wird, wo einst die RAVAG ansässig war.
Der Abend bietet Werke von Komponistinnen und Komponisten, die vor den Nationalsozialisten geflohen sind, sowie aktuelle Uraufführungen.
Am 13. Oktober findet ein „Radiotag” im ORF RadioKulturhaus statt, der verschiedene Formate umfasst, darunter ein „Ö1 Quiz” und eine Lesung des Radiopioniers Wolfgang Kos. Weitere Programmpunkte auf Ö1 beleuchten die Rolle des Radios als Kulturbeschleuniger, magische Radiomomente und die gesellschaftliche Kraft des Mediums.
Auf Ö3 starten die Feierlichkeiten mit einem „Freaky Friday”, der die größten Hits seit den 1920ern präsentiert schon heute, Freitag, und FM4 geht im Podcast „Generation Sound” der Frage nach, wie die nächsten 100 Jahre Radio klingen könnten.
Im Fernsehen plant ORF 2 am 18. Oktober den großen TV-Event „100 Jahre Radio – Die Show”, die mit dem Radio-Symphonieorchester und bekannten Künstlern wie Wolfgang Ambros und Rainhard Fendrich eine Zeitreise durch die Radiomusik bietet.
Die Doku „Wellen der Zeit – 100 Jahre Radio in Österreich” und eine Analyse der Rolle des Radios als Propagandainstrument runden das TV-Programm ab.

Show, Podcast, CD & Co.

Zusätzlich erscheinen Publikationen wie die CD „Hallo, hallo, hier Radio Wien!”, die Originalaufnahmen aus den Anfangsjahren des Radios versammelt, und das Metro Kinokulturhaus veranstaltet im November ein „RadioFilmFestival” und zeigt Filme über die Rolle des Radios in der Gesellschaft. Zudem öffnet am 5. Oktober eine Sonderausstellung „100 Jahre Radio. Als Österreich auf Sendung ging” im Technischen Museum Wien ihre Pforten.

Anlässlich der vielen Feierlichkeiten bat medianet Hörfunkdirektorin Ingrid Thurnher zum Interview über 100 Jahre Radio, aber auch um einen Ausblick auf die kommend Zeit der ORF-Sender unter ihrer Verantwortung.


medianet: Frau Thurnher, das Medium Radio feiert die ersten 100 Jahre, auch mit einem breiten programmspezifischen Schwerpunkt auf allen ORF-Kanälen. Was ist aus Ihrer Sicht das Erfolgsgeheimnis speziell von linearem Radio in Zeiten der vielen digitalen Konkurrenz?
Ingrid Thurnher: Das liegt an der komfortablen Nutzung des Mediums. Radio ist leicht zugänglich und erfordert keinen Aufwand – es ist einfach da, ohne dass man etwas starten oder anklicken muss. Es begleitet die Menschen im Alltag, im Auto oder bei der Arbeit. Das macht es zu einem festen Bestandteil ihres Tagesablaufs.

medianet:
Könnte es auch ein Vorteil sein, dass Radiohörerinnen und Hörer ‚ihren' Sender haben, während im TV viel gezappt wird?
Thurnher: Absolut. Menschen identifizieren sich stark mit ihrem Radiosender. Besonders bei den ORF-Marken wie Ö1, Ö3, FM4 oder den regionalen Sendern gibt es eine starke Bindung. Man könnte fast sagen: ‚Sag mir, welches Radio du hörst, und ich sage dir, wer du bist.'

medianet:
Trotz dieser Treue der Hörerschaft – wie wichtig ist es, auf all den anderen digitalen Plattformen präsent zu sein?
Thurnher: Es ist von enormer Bedeutung, dass der ORF auf allen verfügbaren Plattformen vertreten ist. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Inhalte auf vielfältigen Ausspielwegen abrufbar sind. Besonders im Audiobereich zeigt sich dies auf neue Art und Weise. Obwohl auch dort das Livestreaming nach wie vor die dominierende Form der Nutzung ist, beobachten wir international einen deutlichen Anstieg bei der On Demand-Nutzung von Audioinhalten. Vor allem Programme, die nicht ausschließlich auf Musik setzen, profitieren davon. So verzeichnen beispielsweise die Ö1-Journale und andere nicht-musikalische Formate eine hohe Nachfrage im On Demand-Bereich. Auch Podcasts erfreuen sich wachsender Beliebtheit und verzeichnen einen starken Zuwachs.

medianet:
Welche Lehren zieht man daraus und wie sieht denn generell Ihre Strategie als Hörfunkdirektorin aus – im Zusammenspiel der Sender, aber auch bei einzelnen Angeboten wie etwa FM4?
Thurnher: FM4 hat eine digital affine Hörerschaft. Deshalb positionieren wir die Marke verstärkt über digitale Kanäle. Das erfordert auch von den Programmgestaltern ein Umdenken – es geht darum, Inhalte gezielt auf den passenden Kanälen anzubieten. Die FM4-Hörer sind digital unterwegs, und genau dort müssen wir sie abholen.

medianet: Kommen wir zu Ö3 – hier zeigt der aktuelle Radiotest ein signifikantes Minus, und insgesamt haben die Privaten das ORF-Radioangebot als Gesamtes überholt. Wie gehen Sie damit als Hörfunkdirektorin um?

Thurnher: Insgesamt hört noch immer eine Mehrheit der Menschen eines der ORF-Radioangebote. Und was Ö3 betrifft, muss man sich bewusst machen, in welchem Markt wir uns bewegen: Das Match lautet hier Ö3 gegen inzwischen mehr als 70 private Sender. In diesem Wettbewerb hält sich Ö3 mit einem Marktanteil von 30 Prozent in der Altersgruppe 14–49 wirklich hervorragend. Das muss man erst einmal schaffen, gegen diese Übermacht an Mitbewerbern – und es werden ständig mehr.

Ö3 leistet hier großartige Arbeit, und das liegt auch daran, dass der Sender Teil des öffentlich-rechtlichen ORF ist. Ö3 bietet den Hörern nicht nur das, was viele private Sender auch tun – gute Unterhaltung und die beste Musik. Ö3 bietet darüber hinaus etwas ganz Besonderes: fundierte Informationen und ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Dieses Gefühl, Teil einer großen Hörergemeinschaft zu sein, die täglich verbunden ist, macht einen riesigen Unterschied.

Ein großartiges Beispiel dafür war das letzte Wochenende, als Ö3 wieder im Rahmen von ‚Team Österreich' aktiv war. Aber auch mit einzigartigen Formaten wie ‚Fragt das ganze Land' bringt sich Ö3 in die gesellschaftliche Diskussion ein. Dieses Vernetzen von Menschen, besonders der jungen Generation, mit dem Land – das kann Ö3 wie kein anderer Radiosender in Österreich.

 

medianet: Wechseln wir das Thema und kommen zu den bevorstehenden Wahlen und dem möglichen Impact auf den ORF. Manche spekulieren schon über eine Änderung in der Geschäftsführung, wenn etwa die FPÖ in die Regierung kommt …
Thurnher: Wir konzentrieren uns darauf, unseren Job professionell zu machen, unabhängig vom Wahlausgang. Es bringt nichts, über mögliche Änderungen zu spekulieren. Wir arbeiten weiter wie gewohnt und warten ab, was die Politik entscheidet. Und ich würde mich freuen, wenn ich das auch bis zum Ende der Geschäftsführungsperiode weitermachen könnte.

medianet:
Jetzt eine andere Frage betreffend die Zukunft – welchen Impact oder welche Funktion sehen sie für Künstliche Intelligenz (KI) im Medium Radio?
Thurnher: Ich denke, wenn wir über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in den Medien sprechen, müssen wir zwei Bereiche klar unterscheiden.

Erstens sehen wir bereits, dass KI im Hintergrund, also in der Systembetreuung, im Finanzwesen und in adminis-trativen sowie kreativen Prozessen, eine große Rolle spielt. Das wird sich in Unternehmen, die umfangreiche administrative Aufgaben haben, weiter durchsetzen.
Zweitens stellt sich die Frage, wie KI direkt in Sendungen oder Programmen genutzt wird, etwa im Radio oder Fernsehen. Hier liegt es in der Verantwortung öffentlich-rechtlicher Medien, sicherzustellen, dass alles, was gesendet wird, echt und nicht künstlich generiert ist.
KI kann aber jedenfalls im Produktionsalltag unterstützen – mit unserem in der Technischen Direktion des ORF entwickelten AIditor, der kürzlich sogar eine internationale Auszeichnung erhielt, sind wir hier schon relativ weit.


medianet:
Also eher keine KI-Inhalte im Radio?
Thurnher: Das heißt nicht, dass KI langfristig nicht in der Lage sein wird, Inhalte zu erstellen, aber es muss klar sein, worum es sich handelt. Wir werden niemals den Hörer oder Zuschauer glauben lassen, eine menschliche Stimme zu hören, wenn es in Wahrheit ein KI-generierter Avatar ist.

Dasselbe gilt für redaktionelle Inhalte: Wenn sie von Maschinen erstellt wurden, muss dies offengelegt werden. Es gilt ein ganz klares Prinzip: Die redaktionellen Entscheidungen werden immer von Journalistinnen und Journalisten getroffen, nicht von der KI.
Ich erinnere mich, wie groß die Bedenken waren, als das Internet in den Redaktionen Einzug hielt. Viele befürchteten, dass Journalismus durch Copy-Paste-Artikel ersetzt wird. Heute sehen wir, dass das im Qualitätsjournalismus nicht der Fall ist. Genauso wird es bei der KI sein. Wir müssen einen offenen, aber sorgsamen Umgang mit den Möglichkeiten der KI pflegen, weil sie uns viel Potenzial bietet, Dinge zu tun, die mit unseren bisherigen Ressourcen nicht möglich wären. Statt aus Angst vor diesen Entwicklungen zu erstarren, sollten wir sie nutzen, um unser Angebot zu verbessern.


medianet:
Werden Radiopersönlichkeiten wie Philipp Hansa oder Robert Kratky durch KI ersetzt werden?
Thurnher: (lacht laut) Nein, ganz sicher nicht. Solche Persönlichkeiten sind unverzichtbar und werden nicht durch Maschinen ersetzt.

medianet:
Eine persönliche Frage zum Schluss – Sie waren beim Radio, dann beim Fernsehen und verantworten jetzt als Direktorin den ORF-Hörfunk. Wo ist es besser – beim Radio oder im TV?
Thurnher: Das kann man so nicht sagen. Beide Medien gehören zum ORF und ich bin am liebsten im ORF. Ich glaube, so lässt sich das gut zusammenfassen.

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