••• Von Dinko Fejzuli
WIEN. Die Causa Novomatic und die Frage, ob diese der ÖVP bzw. ihr nahestehenden Vereinen Spenden zukommen ließ und es unter Umständen dafür auch Gegenleistungen gab, ist nun um eine Facette reicher. Vor allem die Diskussionen in den Sozialen Netzwerken haben nun für derzeit 13 Personen juristische Folgen: Die ÖVP klagt diese für Äußerungen auf Twitter, Facebook & Co. Die ÖVP zur Begründung: „Gernot Blümel und die ÖVP waren in den letzten Tagen mit falschen Unterstellungen und Verleumdungen konfrontiert, die wir uns nicht gefallen lassen werden”, so die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gaby Schwarz.
Das Interessante an der Sache ist, dass die ÖVP hier nicht prominente politische Gegner oder andere in der Öffentlichkeit bekannte Personen juristisch verfolgt, sondern es sich um nicht öffentlich bekannte Privatpersonen handelt.
medianet nahm die Causa zum Anlass und bat Oliver Scheiber – er ist Jurist und Lehrbeauftragter an der Uni Wien und der FH der WKW in Wien – um seine Einschätzung der Lage.
medianet: Herr Scheiber, die ÖVP deckt gerade User sozialer Medien wegen Aussagen zu Finanzminister Blümel mit Klagen ein. Sie äußerten sich auf Twitter kritisch dazu. Welche Problematik sehen Sie hier?
Oliver Scheiber: Ich kenne die Einzelfälle nicht und kann es nur allgemein beantworten. Generell stehen Politikerinnen und Politikern alle Rechtsmittel offen, die allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen. Man muss aber immer mitberücksichtigen, welches Bild entstehen kann, zumal wenn Klagsführungen öffentlich kommuniziert werden: nämlich die Abwehr von Kritik mittels Klagsandrohung. Verantwortungsvolle Politik geht also mit Klagen und Klagsandrohungen sehr sensibel um – man denke nur an Angela Merkel, die vielen Beleidigungen und Kritik ausgesetzt ist, von der mir aber keine Klagsandrohung in Erinnerung wäre. Immerhin hat die Politik ja viele Möglichkeiten, Dinge richtigzustellen, die die Bürgerinnen und Bürger nicht haben – große Interviews etwa.
medianet: Gleichzeitig kündigt das Innenministerium eine Klage gegen den Politikberater Rudi Fussi wegen diverser Äußerungen von ihm über die Wiener Polizei an. Sehen Sie hier den Beginn eines systematischen Einschüchterungsversuchs von Kritikern?
Scheiber: Für Behörden gilt grundsätzlich dasselbe wie für Politiker: Sie haben eine staatliche Macht und sollten mit Klagen zurückhaltend umgehen. Den Einzelfall möchte ich nicht kommentieren.
medianet: Die Verteidiger der Klagen argumentieren, auch einem Minister müsse der gleiche Rechtsweg zustehen, sich gegen Kritik zur Wehr zu setzen, wie einem ‚normalen' Bürger. Müssen sich Politiker ‚mehr' gefallen lassen?
Scheiber: Das hat verschiedene Ebenen. Nach der Rechtsprechung auch der europäischen Gerichte müssen sich Politiker in manchen Bereichen mehr gefallen lassen als der einfache Bürger. Sie stehen in der Öffentlichkeit, und je stärker jemand im politischen Diskurs austeilt, umso mehr wird ihm etwa auch zugemutet, bei Kritik nicht wehleidig zu sein. Ist Kritik an Politikern sachlich begründet, dann darf sie nach der Rechtsprechung auch in Ton und Formulierung hart ausfallen. Etwas anderes gilt bei der Privatsphäre, da genießen auch Politiker den Schutz wie andere. Und selbstverständlich müssen sich Politiker keine Beleidigungen und Verleumdungen gefallen lassen und genießen da denselben Schutz wie jeder andere auch.
medianet: Anders als beim Vorgehen gegen Fussi treffen die Klagen der ÖVP vor allem nicht in der Öffentlichkeit stehende Normalbürger, für die das Verfahren an sich und auch ein negativer Ausgang auch schwere finanzielle Folgen haben könnte. Wie sehen Sie hier das Vorgehen der ÖVP gegen gerade diese Menschen?
Scheiber: Ich kenne die Fälle nicht und kann auch grundsätzlich anhängige Verfahren nicht kommentieren. Ich kann nur auf das Gesagte verweisen.
medianet: Wie schätzen Sie den Klagserfolg vor allem der ÖVP-Klagen ein?
Scheiber: Da gilt dasselbe, das kann ich nicht kommentieren.
medianet: Trotz der Kritik an den Klagen muss man natürlich auch festhalten, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Für nicht rechtskundige User kann das schnell zu einer Falle werden. Gibt es Grundregeln, an die man sich halten sollte?
Scheiber: Ich denke, man sollte sich in Erinnerung rufen, dass im Netz dieselben Regeln gelten wie überall sonst. Ich sollte also immer so handeln und agieren, wie ich das auch tun würde, wenn mein Gegenüber im Raum wäre und andere Menschen dabei sind und zuhören. Einen Konflikt sollte ich also im Netz nicht anders austragen als ich das im Büro oder an einem öffentlichen Ort machen würde – ohne Beleidigungen und Untergriffe. Die Gefahr besteht einfach darin, dass man in der Emotion schnell etwas ins Netz schreibt, weil der Kontrahent nicht da ist und sehr viel an sonstigen Kommunikationselementen – Blickkontakt, weitere nonverbale Signale – fehlt. Dadurch eskaliert die Kommunikation schneller; sie ist aber öffentlich und der rechtliche Rahmen derselbe wie bei direkt-persönlichem Kontakt. Das muss man immer im Hinterkopf haben.
Oliver Scheiber ist Jurist und Lehrbeauftragter an der Uni Wien und der FH der WKW in Wien. Er gibt hier seine persönliche Meinung wieder.