••• Von Sabine Bretschneider
Wegen der gewaltigen Changeprozesse im Zuge der Digitalisierung, von Industrie 4.0 und neuen Arbeitsformen wird es zu einer neuen und sehr intensiven Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Kunst kommen müssen”, prognostiziert Alexander Goebel. „Das Platin der Zukunft sind die Ideen. Nicht umsonst erschallt auf jedem Gang der Ruf nach Innovation.”
Abseits des Mäzenatentums
Alexander Goebel, als Künstler seit 40 Jahren in vielen Genres erfolgreich, hat vor knapp vier Jahren die Plattform „sinnmacht” gegründet, um die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Kunst zu fördern – und insgesamt auf neue Beine zu stellen. Diese Kooperation soll, so Goebels Strategie, aus einer anderen Perspektive als der gewohnten betrachtet werden – nicht im Sinne von Kunst als „nice to have”, im Sinne eines Mäzenatentums, sondern als „Partnerschaft auf Augenhöhe” und zu beider Nutzen: „Alles ist im Wandel”, so Goebel. „Wir steuern auf eine Zeit der selbstführenden Teams zu. Das bedeutet die Auflösung von machtorientierten Hierarchien im Unternehmen. Das bedeutet mehr als neue Türschilder und Personalreduktion. Es bedeutet: Change of Philosophy. Das heißt: Eine neue Denkweise muss installiert werden, bevor eine neue Struktur installiert wird. Und um das zu tun, braucht es entsprechende Kultur.” Überhaupt, meint er, gehöre in jede Vorstandssitzung ein Künstler – als einer, der quer denkt, andere Fragen stellt.
„Emotion” ist das Stichwort
Vice versa gebe es auch auf der anderen Seite Bedarf; seien doch die paradiesischen Zeiten für die Kunst in diesem Land weitgehend vorbei. „Wie wird die Frage: ‚Was brauchen wir: Kinderspital oder Kunst' ausgehen?”, stellt Goebel in den Raum. „Auch wir Künstler brauchen neue Partner – und das kann langfristig nur Wirtschaft oder Industrie sein.” Aus dieser Idee heraus sei auch sinnmacht entstanden.
Goebel: „Wir Künstler sind Identitätsstifter und Identitätspfleger, und nichts ist im Moment wertvoller als Identität. Und zu denen, die sich damit auseinandersetzen, gehöre auch ich. Aber nicht, weil ich der Che Guevara der Künstler in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sein will. Ganz im Gegenteil. Aber weil ich eine große Affinität dazu habe. Weil ich im Abenteuer Wirtschaft das Emotionale entdeckt habe.”
„Emotion” ist auch das Stichwort, das ein Alleinstellungsmerkmal von sinnmacht beschreibt. „Das ist mein Thema: der emotionale Zugang”, sagt Goebel. „Wir müssen Geschichten erzählen. Alles hat eine emotionale Dimension. Alles. Und die gilt es zu analysieren – egal, ob es sich um irgendein Projekt dreht, um einen Change-Prozess oder die Chancen und Möglichkeiten eines neuen Produkts, einer Dienstleistung am Markt.” Dann heiße es abzuwägen: „Das ist die konkrete Situation des Unternehmens, das ist der vorherrschende Mindset. Und hier wollen wir hin.”
Fest stehe, dass kaum ein Konzern „heute noch ernsthafte Summen für ein Icon auf einem Plakat investieren will – oder für eine Seite in einem Programmheft. (…) Diese Zeiten sind vorbei. Heute wird eher nach echter Leistung gefragt.”
Im Zentrum steht der Sinn
Im Bereich des Employer Branding beispielsweise hat Goebel mit Kollegen aus der klassischen Unternehmensberatung ein Tool entwickelt, die „Emotionsradix”, die feststellen soll, welche Emotionen im Unternehmen defizitär sind, wie sie sich auf das Unternehmen nach innen – und damit auch nach außen – auswirken, auf Partner und Kunden. Und im Zentrum dieser Emotionsradix steht der „Sinn”: „Des Umkehrschlusses wegen”, sagt Goebel, denn: Wenn der Sinn nicht da ist, ist nichts da – in Sachen Produktivität und Kreativität und Unternehmenskultur.
Eben diese Sinnbestimmung, die „emotionale Begleitung” jeglicher strukturellen Neuorientierung bietet Goebel mit seinem Team an. Eine Grundbedingung dafür sei, dass alle mitmachten im Unternehmen – von der Basis bis zur Chefetage: „Es geht darum, dass ich etwas besser ausführen kann, wenn ich es verstehe. Wir brechen da mit allen preußischen Prinzipien, die da heißen: ‚Frag nicht, mach das!'” Es müsse eine entsprechende Kultur installiert werden, um in diesem neuen Möglichkeiten und Denkweisen arbeiten zu können.
Die Expertise des Künstlers
Diese alternative Definition von Kultur hat seit dem Siegeszug der Silicon Valley-Mentalität längst auch in Österreich Wurzeln geschlagen – in der sogenannten „Kultur des Scheiterns”, die im Managementsprech inzwischen zum Standardvokabular gehört: „Es gibt keine schlechten Ideen”, begrüßt auch Goebel das Konzept, „es gibt nur Ideen, die gerade jetzt eben nicht passen.” sinnmacht, meint Goebel, könnte auch ein Modell für die Absicherung der Branche sein. Goebel: „Mein Traum ist, dass irgendwann Künstlern, egal ob aktiv oder nicht, eine Möglichkeit gegeben wird, ein Einkommen zu lukrieren, indem sie ihre explizite Expertise zur Verfügung stellen” – und das nicht nur im eigenen Künstler-Biotop: „Wir haben die Expertise”, so der sinnmacht-Chef, „weil wir Künstler uns ausschließlich mit Emotion beschäftigen. Wir materialisieren Emotion. Wir nehmen einen 400 Jahre alten Satz, den jeder kennt und sorgen dafür, dass jemand am Abend Geld dafür hinlegt, um zu sehen, wie der Goebel oder wie die Brandauers dieser Welt ‚Sein oder Nichtsein' anlegen.” Und: „Wir wissen Emotion zu erzeugen, wir wissen sie zu kontrollieren, zu lenken, wir wissen um die Dramaturgie der Emotion und wir können Nicht-Emotionales emotionalisieren – es ist ja unser Core Business. Wir sind ja auch die Innovatoren. Das Gesetz Nummer eins des Künstlers ist, sich permanent neu zu erfinden. Mit großem Risiko. Das ist Change.”
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