„Amerikanischer Markt ist seit jeher Vorreiter”
© Bernd Plank
Josef Mantl von der gleich­namigen Agentur JMC – Josef Mantl Communications im Gespräch über den „American Way of ­Marketing”.
MARKETING & MEDIA Redaktion 05.04.2024

„Amerikanischer Markt ist seit jeher Vorreiter”

Agentur-Gründer und USA-Kenner Joseph Mantl über die Unterschiede zwischen Marketing Made in EU oder USA.

••• Von Elisabeth Schmoller-Schmidbauer
Josef Mantl, Agenturgründer von „JMC – Josef Mantl Communications”, ist bekennender Amerika-Aficionado. Kein Wunder, verbindet ihn mit den USA bereits eine beinahe 20-jährige Freundschaft, begonnen 2006 als Fulbright-Stipendiat mit dem Marketing-Studium am Emerson College of Communications in Boston. Danach engagierte sich der gebürtige Grazer im Wahlkampf von Hillary Clinton, wurde von Al Gore zum Climate Leader ausgebildet und brachte mit US State Senator Marc Pacheco das Buch „Communicating Sustainability” heraus. Nebenbei gründete er eine Niederlassung seiner Marketing­agentur in New York. Bis heute pflegt er geschäftliche und private Beziehungen in den USA. Im medianet-Gespräch erzählte er, was den amerikanischen Markt und vor allem den „American way of Marketing” ausmacht.

medianet: Inwiefern unterscheidet sich der amerikanische Markt vom europäischen oder österreichischen Markt?
Josef Mantl: Grundsätzlich muss man sagen – der amerikanische Markt ist ein ‚Marketers Dream'. Es gibt über 330 Mio. Einwohner, das GDP per Capita (Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, Anm. Red.) liegt bei 70.000 US-Dollar. Das heißt: Die Leute haben Geld zum Ausgeben, und die Amerikaner sind sehr konsumfreudig. Das spiegelt sich auch bei den Ausgaben für Marketing wider: 2022 haben sich die Ausgaben verdoppelt auf fast eine halbe Billion Dollar, genau 481 Milliarden Dollar, davon 2,23 Milliarden Dollar alleine für Influencer auf Instagram, das muss man sich einmal vorstellen. Der US-amerikanische Markt ist also mit Abstand der größte und diverseste in puncto Werbung und Marketing.

Das liegt sicher auch daran, dass die USA der Geburtsort des modernen Marketings und Advertisings sind; dort wurden die ersten Zeitungsanzeigen geschaltet, die erste Radio- und Fernsehwerbung produziert, bis hin zu den neuen Möglichkeiten im digitalen Raum. Amazon, Apple, Google, Instagram – das sind alles amerikanische Unternehmen.

medianet: Kann man sagen, dass die USA in Sachen Marketingtrends den Ton angeben?
Mantl: Mit Sicherheit. Marketing ist heute getrieben von Content Marketing, Social Media, KI, Automatisierungen, etc. – das kommt alles aus den USA. Man kann also schon sagen, dass die USA hier Marketing-Trendsetter nicht nur für Europa, sondern für die gesamte restliche Welt sind. Das heißt, in diese Richtung sollten wir auch immer schauen. Derzeit sind die Zahlen im Influencer-Marketing hoch interessant: 2023 wurden in den USA 32,5 Milliarden Euro in diesen Bereich investiert. Celebrities wie Kylie Jenner haben 400 Millionen Follower auf Instagram. Das ist eine Wahnsinnsreichweite. Und in den USA haben Firmen über 56 Milliarden Dollar in Social Media-Werbung investiert. Marketing und Werbung sind grundsätzlich ein integraler Bestandteil der amerikanischen Kultur und des Lebens.

medianet: Inwiefern unterscheidet sich amerikanisches genau vom europäischen Marketing?
Mantl: Zum einen haben amerikanische Firmen höhere Marketing- und Werbeausgaben als europäische Firmen. Zum anderen bevorzugen europäische Firmen sowohl im B2B- als auch im B2C-Marketing immer noch Face to Face-Meetings, während sich das in den USA bereits stärker in den digitalen Bereich verlagert hat.

Überhaupt gibt es Unterschiede zwischen der amerikanischen und der europäischen Marketing-Kultur: Während in Europa in der Werbung ein besonderer Fokus auf den Produktinformationen, der Performance oder der Sicherheit liegt, liegt der Schwerpunkt des amerikanischen Marketings deutlich stärker auf dem eigentlichen Produkterlebnis.
Inhaltlich spielen die Kultur und Symbolismen beim Marketing in den USA eine wichtigere Rolle als in Europa – das Heroische und Pathetische ist integraler Bestandteil des US-amerikanischen Marketings, das wird hier bei uns eher kritisch betrachtet. In den USA sind auch Themen wie Freiheit und Heimatpatriotismus – die Flagge, die Hymne – wiederkehrende Themen bei Marketing und Werbung. Außerdem: Individualität, Arbeitsethos und Erfolg.

Erfolg wird ja bei uns eher kritisch beäugt und hinterfragt. Die Europäer tendieren auch zu mehr Vorsicht bei der Herausgabe von Daten als die Amerikaner. Die Amerikaner sind auch offener im Bezug auf Innovationen und Risiken: Die Europäer fragen da erst mal: Why, die Amerikaner: Why not?

medianet: Gibt es Marketing­strategien, die in Amerika funktionieren, aber in Europa gar nicht?
Mantl: Grundsätzlich ist es wichtig, dass die Botschaft und das Design kulturell immer angemessen sind und auch, welche Kanäle man verwendet, aber die digitalen Aktivitäten funk­tionieren hier sicher auch in ­Europa sehr stark. Das haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt, dass sich die digitalen Trends hier auch gut umsetzen lassen.

medianet:
Liegt es an der Innovationsfreude der Amerikaner, dass sie offensichtlich, was Marketingtrends betrifft, den Ton angeben?
Mantl: Das liegt sicher an der Innovationsfreude, an der Offenheit gegenüber technologischen Errungenschaften, aber auch an ihrem Optimismus und am unternehmerischen Mut. Das ist etwas, was ich jedem empfehle: den amerikanischen Markt im Blick zu behalten und zu schauen, was sich dort tut, und sich inspirieren zu lassen von den technischen Innovationen, digitalen Trends, aber auch vom allgemeinen Spirit und Drive. Das ist schon allein aufgrund der Größenordnung eine andere Welt: der E-Commerce-Bereich, aber auch das Livemarketing. Es ist bombastisch, was es für Messen in den USA gibt: Die Consumer Electronics Show in Las Vegas ist die größte Messe der Welt. Aber auch alle Messen in New York, Boston, Chicago und San Francisco sind sehr groß.

Also auch im Livemarketing sind die Amerikaner einfach sehr stark. Das liegt aber eben auch daran, dass dort viel mehr Geld für Marketing ausgegeben wird. Die Amerikaner wissen, dass es eine finanzielle Schwungmasse geben muss, um Dinge in Bewegung zu setzen.

medianet: Das Thema KI ist ja längst auch bei uns angekommen. In welche Richtung wird das denn gehen, was zeichnet sich da ab?
Mantl: Laut AI Marketing Benchmark Report 2023 betrug die geschätzte Marktgröße von KI Marketing schon 2021 15,84 Milliarden Dollar, bis 2028 wird der Anteil auf mehr als 107 Milliarden Dollar ansteigen. Und bis 2030 werden wahrscheinlich 70 Prozent aller Unternehmen weltweit eine Form von KI-Technologie einsetzen. Die Vorteile von KI im Marketing sind vielfältig, aber unter anderem zählen dazu Verringerung der Arbeitsbelastung, weniger Risiko, höhere Produktivität und so weiter.

Die USA sind auch hier, was die Tools betrifft, weiter vorn, und es lohnt sich immer wieder, zu schauen, was sich dort gerade tut. KI-Marketingtools helfen einem Unternehmen zum Beispiel, auf Basis früherer Daten oder externer Dateneingaben zu entscheiden, welche Marketing- oder Geschäftswachstum-Strategie angewendet werden sollte. Auch das KI-gestützte Schreiben von Content zählt zu den Marketing-Tools: Untertitel, E Mail-Betreffzeilen, Webtexte, Blogs werden automatisiert erstellt.

Aber das geht noch viel weiter, die Möglichkeiten sind wirklich endlos. In Europa haben wir einige regulatorische und ethische Fragen, die die Entwicklung hier noch behindern.

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