Datadriven Marketing: Stete Aufbruchstimmung
© Martina Berger
Gegen das Gießkannenprinzip in der Kommunikation: Siegfried Stepke.
MARKETING & MEDIA Redaktion 18.06.2021

Datadriven Marketing: Stete Aufbruchstimmung

„Wir machen alles, was datengetrieben ist”, so Siegfried Stepke im ausführlichen "medianet"-Interview zum Thema Datadriven Marketing.

••• Von Laura Schott

WIEN. Siegfried Stepke war mit seiner Agentur e-dialog einer der Ersten, die sich zunächst mit Online- und später mit Datadriven Marketing auseinandergesetzt haben.

Im Interview spricht er über die Entwicklungen der letzten 20 Jahre und darüber, warum Datadriven Marketing für ihn jeden Tag aufs Neue spannend ist.


medianet:
Herr Stepke, datengetriebenes Marketing ist seit fast 20 Jahren Ihr Geschäft. Damals wurde gerade einmal der Google Chrome Browser entwickelt, die ersten Kampagnen online ausgespielt. Heute ist es der am schnellsten wachsende Bereich. Wie hat sich der Markt entwickelt?
Siegfried Stepke: Als Google damals zum ersten Mal zu den Mediaagenturen gegangen ist, wurden sie ausgelacht. Google hat nämlich gesagt: Ihr könnt bei uns werben, aber nur mit Text. Dass Werbung ohne Bilder funktionieren kann, war damals unvorstellbar. Tatsächlich ist genau das aber bis heute das Hauptgeschäft von Google. Wir haben von Anfang an auf Onlinekanäle gesetzt und gelernt, dass diese keine klassische Planung, sondern einen dynamischen Umgang erfordern. Und, dass ich laufend messen und optimieren kann und das auch tun muss, wenn ich Erfolg haben möchte. Heute sind wir bei programmatischer Werbung angekommen. Was hier sehr stark dazukommt, sind die Aspekte Automatisierung und Personalisierung – und zwar in Echtzeit. Man darf also davon ausgehen, dass jeder Adressat einer Werbung diese anders ausgespielt bekommt, damit der User auch mit seinen Interessen abgeholt wird, und nicht mehr mit der Gießkanne.

medianet:
Heute kann man potenzielle Kunden frühzeitig erkennen und ganze Customer Journeys herausarbeiten. All das ist mit datengetriebenem Marketing natürlich viel einfacher, richtig?
Stepke: Sagen wir es so: Henry Ford würde es heute besser gehen. Denn heute gibt es die sogenannte Attributionsmodellierung. Anders als im Marketing-Mix-Modelling, wo nur sehr grob über aggregierte Daten nachvollzogen werden kann, was welche Wirkung hat, habe ich hier echte Click- und View-Streams. Dank einer Vielzahl sehr feiner Daten kann ich also errechnen, welche Kanäle meine Botschaft in welcher Reihenfolge so unterstützen, dass der Adressat am Ende auch mein Kunde wird – sei es online oder offline. Und wenn man das gut macht, dann bekommt der Kunde Werbung, die ihn interessiert. Mich interessiert die Gießkanne nicht, ich will getargeted werden. Wenn ich Werbung bekomme, die zum Beispiel mit meinem Hobby zu tun hat, bin ich doch froh!

medianet:
Mittlerweile spricht man hier schon von einem Customer Lifecycle Management. Ich begleite also Kunden nicht mehr nur um ihre Kaufentscheidung herum, sondern über viele Lebensabschnitte hinweg.
Stepke: Richtig, mit datengetriebenem Marketing ist das heute möglich. Das Spannende daran ist aber: Wer hat hier die Datenhoheit? Schaffe ich es, das Wissen um meine Zielgruppen in meinen eigenen Systemen, also den First-Party-Daten, vorrätig zu halten? Oder muss ich mich auf externe verlassen, also mein Wissen von Third-Parties beziehen? Wenn ich zum Beispiel selbst mitbekomme, dass ein Bestandskunde vorhat, zu kündigen, dann kann ich frühzeitig reagieren und etwas dagegen tun. Und muss mich nicht darauf verlassen, dass zum Beispiel Facebook dies rechtzeitig erkennt. Wir müssen heute in Echtzeit reagieren, denn der Mitbewerb ist oft nur einen Klick entfernt.

medianet:
Dass Konsumenten Werbung ausgespielt bekommen, die idealerweise genau an sie adressiert ist, geht natürlich zulasten der Privacy. Google hat uns viel gegeben, aber wir haben mit unseren persönlichen Daten auch einen hohen Preis dafür gezahlt. Ist diese Schere noch in Balance?
Stepke: Mit der Datenschutzgrundverordnung hat die EU ganz klar gemacht, dass der User selbst Herr seiner Daten sein und seine Zustimmung geben muss. Diese Wendung finde ich wirklich gut. Vor drei Jahren war das Thema Consent-Management ein Nicht-Thema. Heute haben wir ein eigenes Team, das sich damit beschäftigt. Denn, ob ich die Zustimmung und damit die Daten meiner User habe, macht einen riesigen Unterschied in der Effektivität meiner Maßnahmen. Und: Wohin die Reise mit der Privacy Sandbox geht, haben die meisten noch gar nicht verstanden – mittels neuestem Machine Learning werden wir sogar besser targeten können, unter Wahrung des Datenschutzes.

medianet:
Stichwort Machine Learning: Inwieweit spielt das heute und in Zukunft eine Rolle für Unternehmen?
Stepke: Tatsächlich nutzen wir Artificial Intelligence (AI) schon intensiv: Vor allem bei der Erkennung von Kaufabsichten, dem Forecasting und der Erstellung von optimalen Zielgruppen aufgrund des Userverhaltens können wir wesentlich bessere Ergebnisse erzielen. Wir optimieren damit nicht auf durchschnittliche Werte, sondern jeden einzelnen User individuell. Auch in der Bilderkennung und Textgenerierung haben wir schon einige Cases online. Ich kann nur raten, früh in eigene Rohdaten zu investieren – und damit gleich auch optimal für die Post-Cookie Ära vorbereitet zu sein.

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