••• Von Dinko Fejzuli
WIEN. Nur Minuten nach Beginn des schrecklichen Terrorangriffs Montag dieser Woche in Wien kursierten bereits erste Videos von der Tat in diversen WhatsApp-Gruppen, auf Social Media und auf diversen News-Portalen. Viele User und Medien laden fremdes Material hoch, doch viele beachten dabei einige Grundregeln nicht.
medianet hat bei Maria Windhager, einer der bekanntesten Medienanwältinnen des Landes, nachgefragt, was erlaubt ist, und was man definitiv unterlassen sollte.
medianet: Frau Windhager, abseits der moralischen Frage, welche Inhalte jemand ins Netz hochlädt: Wie weit etwa dürfen Publisher in ihrer journalistischen Freiheit gehen und wo zieht das Gesetz eine Grenze?
Maria Windhager: Der Gesetzgeber zieht die Grenze vor allem beim Persönlichkeitsschutz von Betroffenen. Betroffene sind in diesem Fall die Opfer des Angriffs, aber auch ihre Angehörigen, falls die Opfer verstorben sind: Wenn durch die Berichterstattung in ihren höchstpersönlichen Lebensbereich eingegriffen und ihr Identitätsschutz verletzt wurde, können sie u.a. Entschädigungsansprüche und Unterlassungsansprüche geltend machen.
medianet: Dürfen Personen auf Bildern überhaupt erkennbar sein, etwa um die Fahndung zu erleichtern, und welche Beteiligten bei so einem Vorfall dürfen keinesfalls zu erkennen sein?
Windhager: Die Erkennbarkeit des Tatverdächtigen und der Opfer ist für die medienrechtliche Beurteilung immer von zentraler Bedeutung. Wenn die abgebildeten Personen nicht erkennbar sind, kommen von vornherein gar keine rechtlichen Ansprüche in Betracht.
Eine identifizierende Kriminalberichterstattung ist aber nur in einem sehr engen Rahmen erlaubt. Hier stellen sich in der Praxis oft sehr schwierige Abgrenzungsfragen. In diesem Fall ist es aber recht eindeutig: An der Kenntnis der Identität der Opfer besteht keinerlei öffentliches Interesse. Über den Täter dürfte aus rein rechtlicher Sicht identifizierend berichtet werden, aus medienethischer Sicht spricht aber sehr vieles dagegen.
Eine identifizierende Berichterstattung zu Fahndungszwecken ist wiederum nur zulässig, wenn es einen entsprechenden Fahndungsaufruf der Polizei gegeben hat.
medianet: Es haben aber nicht nur Medien Bilder von den Anschlägen veröffentlicht, sondern auch Privatpersonen Aufnahmen ins Netz gestellt. Was sagt hier das Gesetz?
Windhager: Jede Privatperson, die einen Account betreibt, etwa auf Facebook, Twitter oder Instagram, ist Medieninhaber und muss die volle (medienrechtliche) Verantwortung für alle Veröffentlichungen genauso wie ein klassisches Medienunternehmen tragen. Es gibt keinen Unterschied. Das ist vielen nicht bewusst. Diese Seiten haben oft nicht einmal ein ordnungsgemäßes Impressum, was die Rechtsdurchsetzung zwar erschwert, aber nicht verunmöglicht, weil allenfalls auch gegen den Hostprovider vorgegangen werden kann.
medianet: Abgesehen vom problematischen Inhalt: Darf ich als Privatperson Content, für welchen ich keine Urheberrechte besitze, einfach auf meinen eigenen digitalen Kanälen, die ich woanders im Netz finde, teilen?
Windhager: Auch urheberrechtlich kann die Übernahme von fremden Inhalten ein Problem werden, wenn keine Zustimmung dafür eingeholt wurde. Im Fall vom Teilen und Liken kann von einer Zustimmung für dieses Medium ausgegangen werden. Aber das Hochladen in einem anderem Medium wäre schon wieder gesondert zustimmungspflichtig.
medianet: Frage zum Schluss: Welche medienrechtlichen Möglichkeiten habe ich als Betroffener oder auch als Opfer, mich hier juristisch zu wehren?
Windhager: Betroffene können, wenn sie erkennbar sind, jedenfalls medienrechtliche Entschädigungsansprüche wegen §§ 7, 7 a MedienGesetz gegen den jeweiligen Medieninhaber, der diese Inhalte verbreitet hat, geltend machen; parallel dazu kann ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden. Werden Bildnisschutzrechte verletzt, besteht auch ein Anspruch auf immateriellen Schadenersatz. Angehörige von Verstorbenen könnten nur einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes geltend machen.