Förderungsdschungel
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Die Härtefallmaßnahmen der schwarz-grünen Regierung gingen völlig an der Realität von EPU vorbei, sagt Henrike Brandstötter.
MARKETING & MEDIA Redaktion 24.04.2020

Förderungsdschungel

Mit Beginn der Coronakrise wurde auch der öffentliche Geldhahn aufgedreht. Allerdings finden sich im Labyrinth der Hilfspakete nur Vife und Geduldige zurecht.

WIEN. Es gibt den Härtefallfonds als Soforthilfe für Selbständige, es gibt für Tourismusbetriebe eine Haftung für Kredite – und ein Pendant dazu für in anderen Bereichen tätige EPU und KMU. Diese können auch um Zuschüsse ansuchen, einmalig und monatlich. Außerdem wären da noch Stundungen der Sozialversicherungsbeiträge, Stundungen der Steuervorauszahlungen, ein partieller Entgeltersatz für Sonderbetreuungszeiten, mögliche Unterstützungen durch die Wirtschaftsagentur Wien, die „Homeoffice-Förderung der Stadt Wien”, Hilfspakete für Künstler und Medien, Förderungen für Hoteliers … und der große Brocken „Kurzarbeit”.

Bürokratiemonster

Wer derzeit ökonomische Hilfe in Anspruch nehmen will, braucht viel Zeit, viel Geduld – und im Falle der Kurzarbeit ein äußerst ambitioniertes Lohnverrechnungsteam. Der bürokratische Aufwand, meinen betroffene Unternehmer, ist beträchtlich. Auch weil viele Regelungen zur Ausgestaltung und gesetzlichen Unterfütterung der Hilfspakete erst im Nachhinein gebastelt werden müssen.

In Summe lagen am Freitag vergangener Woche rund 63.000 bewilligungsfähige Anträge auf Kurzarbeit für insgesamt über 870.000 Stellen vor; das entsprach einer Erhöhung um fast 100% innerhalb einer einzigen Woche. Allein die schon genehmigten fast 40.000 Anträge kosten 4,3 Mrd. €, gab Arbeitsministerin Christine Aschbacher bekannt – bei einem Kurzarbeitstopf, der erst in der Woche davor auf 5 Mrd. € aufgestockt worden war.

Zwischenbilanz der Zahlungen

Auch Finanzminister Gernot Blümel und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hatten vor Beginn der zweiten Phase des Corona-Härtefallfonds am vergangenen Freitag eine Zwischenbilanz über die bisherigen Staatshilfen für Unternehmen gezogen. „Nach einem Monat sind bereits Soforthilfen und Liquidität in der Höhe von 5,7 Milliarden Euro finanziert worden”, so Blümel am Montag in einer Pressekonferenz. „Wenn man da noch die Kurzarbeit dazurechnet, sind es mittlerweile über zehn Milliarden Euro, die hier geflossen sind.” Es gebe Steuerstundungen im Ausmaß von rund vier Mrd. €, und vom Härtefallfonds seien in der ersten Phase 121 Mio. € über die Wirtschaftskammer ausbezahlt worden, angesichts von 144.000 Anträgen.

Staatshaftung und Garantien

Das Finanzministerium hat nach eigenen Angaben bereits 1,8 Mrd. € an Garantien genehmigt, um Kreditvergaben an KMU und auch größere Unternehmen zu erleichtern. Seit letzter Woche seien erstmals nicht nur 80% Staatshaftung möglich, sondern auch 90 und bis 500.000 € auch 100% Garantie.

Währenddessen schlägt die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Alarm: Das „Chaos bei Kurzarbeit, Härte- und Hilfsfonds” koste wertvolle Zeit. Kammerpräsident Klaus Hübner: „Allein bei der Kurzarbeit sind seit Wochen 200 Fragen ungeklärt.” Man werde „bombardiert mit Hilferufen der Kolleginnen und Kollegen, denn sie haben es bei Kurzarbeit, Härte- und Hilfsfonds mit Regelungen zu tun, die so nicht anwendbar sind.” Auch die Abwicklungsstellen AMS und Wirtschaftskammer seien durch die Flut an Anträgen überfordert und könnten diese nicht schnell genug bearbeiten. Sachbezüge, Pauschalierungen, Dienstwagen, Zulagen, Urlaubsansprüche, Familienbonus, Kilometergeld, verschiedene Lohnarten – das seien nur einige offene Punkte, auf die es keine Antworten gäbe.

Echte Härtefälle

Die Härtefallmaßnahmen der schwarz-grünen Regierung gingen völlig an der Realität von Ein-Personen-Unternehmen (EPU) vorbei, sagen die Neos. „Wir brauchen Unterstützungszahlungen, mit denen man auch überleben kann”, so die pinke Abgeordnete Henrike Brand­stötter am Montag in einem virtuellen Pressegespräch.

Da viele Einzelunternehmer projektbasiert arbeiteten und momentan zum Beispiel noch von Jänner-Einnahmen lebten, beginne für viele die Krise erst, wenn der Härtefallfonds längst ausgeschöpft sein wird. „Anscheinend weiß die Regierung schon jetzt, dass die Krise mit 15. Juni vorbei ist”, so die Neos-EPU-Sprecherin. Die Unternehmer der Eventbranche etwa „wissen schon jetzt, dass sie bis Ende August keinen einzigen Auftrag haben”.
In einer Blitzumfrage des KSV gaben 68% der Unternehmen an, dass sich die Coronakrise sehr stark oder stark auf ihr Geschäft ausgewirkt hat, 27% davon beklagen sogar einen massiven Einschnitt. Lediglich knapp drei Prozent der Betriebe sind dagegen nach eigenen Angaben „überhaupt nicht von der momentanen Situation betroffen”.

Schwere Geschäftseinbußen

Im Vergleich zu einer vom KSV1870 vor der Krise durchgeführten Umfrage, als noch knapp zwei Drittel der Befragten ihre Geschäftslage positiv bewertet haben, hat sich dieser Wert mittlerweile auf 31% halbiert. Infolge dessen können auch nur mehr knapp 13 % der ursprünglich für 2020 geplanten Investitionen in vollem Umfang umgesetzt werden. Es verwundert daher nicht, dass bis jetzt 61% der befragten Unternehmen um finanzielle Hilfe aus dem Rettungsschirm angesucht haben bzw. planen, das noch zu machen.

Am Montag dieser Woche gab die Wirtschaftskammer den Startschuss für die zweite Phase des Härtefallfonds für Selbstständige; zu diesem Zeitpunkt hatte die Kammer rund 27.500 Anträge erhalten.

Definitionen gelockert

Zur Verfügung stehen bis zu 2.000 € drei Monate lang, also insgesamt bis zu 6.000 €. Betroffene bekämen, wenn sie eine „wirtschaftlich signifikante Bedrohung durch Covid-19” nachweisen, in der Regel 80% des Verdienstentgangs ersetzt, heißt es seitens der Kammer.

Nach Kritik an den Anspruchskriterien ist jetzt die Definition eines Härtefalls gelockert worden: In Phase zwei sind auch Mehrfachversicherte berechtigt. Nebeneinkünfte sind kein Ausschlusskriterium mehr, auch Gutverdiener (mehr als 5.000 € brutto im Monat) gelten nun als Härtefälle. Ebenfalls ­gestrichen wurde die Unter­grenze von rund 460 € monatlich.
Wie es jenen Unternehmern, insbesondere den Kleinen, tatsächlich ergeht, die um Hilfestellung von Staat und Banken ansuchen, lesen Sie in der Ausgabe am 30. April. (sb/APA)

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