Heldinnen in den Mainstream bringen
© Karma + Pitch/Monika Jungwirth
MARKETING & MEDIA Redaktion 26.05.2023

Heldinnen in den Mainstream bringen

Die Journalistin Juliane Ahrer und die DJane Mel Merio empowern Frauen auf W24. Weil man sich noch zu oft „WTF?” denkt.

••• Von Chris Radda und Georg Sander

Wenn sich Österreich mit Deutschland oder Frankreich vergleicht, dann fehlen feministische Formate im TV. Die Journalistin Juliane Ahrer und die DJane Mel Merio ändern dies auf W24. medianet hat sie getroffen und über die neuen Sendungen, aber auch darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass Frauen in der ersten Reihe stehen.

Die Titelfindung zu „What the FEM” sagt schon sehr viel aus. In der Bildungeskarenz entwickelte Ahrer das Konzept; angesichts der zahlreichen Ungerechtigkeiten, die es rund um Frauen- und Genderpolitik gibt, dachte sie sich „WTF”, also – freundlich umschrieben – „Was zum Teufel?” Der Titel war geboren. Und sie mahnt auch eingangs ein: „Ich möchte damit einfach feministische Themen, frauenpolitische Themen einfach mehr in den Mainstream bringen, Themen niederschwellig erklären.” Wie wichtig das sei, zeigt beispielsweise das Thema Väterkarenz: Kinderbetreuung und Entlohnungsstrukur sind oft sehr traditionell. Das hat auf alle negative Auswirkungen: „Ich spreche viel mit Männern, die gerne in Väterkarenz gehen würden. Sie können es sich aber als Familie nicht leisten.” In einer gerechteren, feminstischeren Welt wäre diese Schieflage längst behoben, aktuell sei es wichtig, dieses Thema aufzuzeigen und in den Köpfen der Menschen zu verankern.
Mel Merio verfolgt das gleiche Ziel, aber ein anderes Konzept. Die umtriebige Wienerin – sie ist unter anderem DJane, Moderatorin und Aktivistin – stellt mit dem Format „Wiener Heldinnen” verschiedenste Frauen vor. „Es ist ein Empowerment-Format für Frauen”, erzählt sie. „Jede Frau ist für mich eine Heldin und ich finde, man muss diese Geschichten erzählen. Wir wollen mit dem Credo ‚Eigenlob stinkt' brechen und tolle Frauen aus allen Bezirken alle zwei Wochen vor den Vorhang holen.”

Notwendigkeit

Diese Themen sind aber alles andere als Lifestyle, sondern haben traurige Hintergründe: Eine von drei Frauen hat ab 15 Jahren körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt. Mehr als jede vierte Frau musste eine Form von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erfahren. Im Jahr 2022 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik 29 Frauen – häufig von ihren (Ex-)Partnern oder Familienmitgliedern – ermordet. Davor gab es im Jahr 2018 einen Höchststand von 41 Morden an Frauen. Zum Vergleich: 2014 wurden 19 Frauen umgebracht. In vielen Ländern sind diese Verbrechen seit dem Pandemiebeginn angestiegen.

Mel Merio spricht von einer „patriarchalen Störung”, die für Frauen brandgefährlich ist – einerseits gebe es eine Entwicklung weg von toxischer Männlichkeit, andererseits gibt es diese Zahlen.
In einer Folge besprach Ahrer das Thema Femizide: „Was hierzulande passiert, das sind nicht nur Morde, sondern Hinrichtungen.” Es sei schrecklich, was hierzulande hinter verschlossenen Türen geschehe. „Das Zuhause ist der gefährlichste Ort Österreichs”, stellt sie klar. Die Gemengelage, die dazu führt, ist für Merio komplex. Das Land ist christlich-konservativ und patriarchal strukturiert, Männer profitieren. Umgekehrt brauche es eben auch positive Vorbilder – die eben beide vor den Vorhang holen wollen.

Auswirkungen

Um das zu ändern, reichen zwei Sendungen freilich nicht aus. Es geht auch um die mediale Darstellung. „Man liest einfach sehr oft von Familiendramen, von Ehestreit”, so Ahrer. „Da wird vermittelt, dass die Frau die Schuld hatte. Der arme Mann konnte nicht anders.” Schlagworte wie „Familiendrama” oder „Beziehungstat”, müssten einfach aus dem Repertoire raus. Dieses gesamte Bild von Besitzanspruch der Männer auf die Frauen wirkt sich negativ auf Bereiche aus, die nicht Kapitalverbrechen sind.

„Es gibt zu wenig Kinderbetreuungsplätze, es gibt überfüllte Kindergärten. Frauen machen einfach die meiste unbezahlte Arbeit, landen dadurch in Altersarmut”, zählt Ahrer einige Punkte auf. All das sind für Merio Gründe, warum Frauen ihre Potentiale nicht entfalten könnten. Viele politische Kräfte kommen für sie aus der „konservativen rassistischen, frauenfeindlichen Ecke”; es sei eine Katastrophe – vom Extrembeispiel Afghanistan, über Abtreibungsgegner in den USA bis hin zur unmittelbaren Nachbarschaft in Ungarn.

Auftrag

„Bei uns, wo es eben dann unsere zwei Formate gab, habe ich mir oft anhören müssen: Warum gibt es jetzt zwei Frauen-Formate? Reicht nicht eines?”, erzählt Ahrer. „Niemand diskutiert, ob es zwei Männer gibt, die eine Talkshow haben. Und wenn dann zwei Frauen eine Sendung haben, dann ist es plötzlich ein Problem.” Sie wünscht sich, dass mit diesen Regeln gebrochen wird, und nicht nur „normschöne” Frauen, sondern alle, bis ins höhere Alter, auf den Bildschirmen präsent sind – und nicht nur zwischen 18 und 39.

„Lasst Frauen gestalten, Ideen umsetzen, experimentierfreudig sein und, wenn es möglich ist, natürlich die Probleme aufzeigen”, stellt Merio abschließend klar. „Ich bin eine Frau am Drücker, ich gebe anderen Frauen die Chance.”

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL