••• Von Oliver Jonke
Schon im vergangenen Jahr ist Content Garden als Gewinner des Best of Content Marketing (BCM)-Sonderpreises für Innovationen aufgefallen; prämiert wurde das Projekt „Fiat Dynamic Advertorial Check”. Die österreichische Agentur konnte sich, wie auch medianet berichtete, gegen immerhin über 780 Einreichungen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum durchsetzen.
Beim diesjährigen Golden Award of Montreux, International Advertising Festival, konnte Content Garden-CEO Lucas Schärf nun gleich zwei Finalist Awards für die Agentur entgegennehmen.
Ein guter Anlass, um mit Schärf und Auftraggeber Christian Schneider, Digital Marketing Manager bei FCA Fiat Chrysler Automobiles Austria, ein Gespräch zu führen.
medianet: Herr Schärf, Sie haben schon wieder gewonnen. Zwei Finalist Awards beim Werbefestival in Montreux – als eine von nur drei österreichischen Kampagnen. Herzlichen Glückwunsch! Wie lässt sich die Grundidee dieser Kampagne am besten beschreiben?
Lucas Schärf: Vielen Dank. Vorweg – Awards sind immer eine nette Anerkennung für die getane Arbeit, liegen für uns aber nicht im primären Fokus. Wichtig ist, dass die Kampagnen den Lesern einen echten Mehrwert bieten. Christian ist auf uns mit der Bitte zugekommen, einen kreativen Weg der Kommunikation zu entwickeln, um den ‚Menschen beim Lesen zuzuhören'. Wir haben in enger Abstimmung mit FCA Austria eine Content-Kampagne entwickelt, die sich auf Basis von Usersignalen in Echtzeit an das Leseinteresse der Zielgruppe angepasst hat. Um es kurz zu sagen: personalisierte Geschichten. So ist die Idee zur Kampagne ‚Jeep Audience Insights' entstanden.
medianet: Herr Schneider – online verkaufe man keine Autos, sagt der eine oder andere. Bei FCA investieren Sie allerdings in Online-Werbung. Was hat Sie an der Idee der Jeep Audience Insights-Kampagne überzeugt?
Christian Schneider: Online ist für uns in den vergangenen Jahren ein wichtiger Kanal geworden. Je nach Marke und Modell sind bereits bis zu 40 Prozent des Media-Mixes für digitale Werbung eingeplant. Neben dem Vorteil der unmittelbaren Messbarkeit kann man digital vor allem alle Phasen der Customer Journey effizient bespielen. Daher ist es immanent, seine Kampagnen breit aufzustellen. Mit Display-Werbung generiere ich Aufmerksamkeit, mit Content-Marketing liefere ich dem User Emotionen, also den ‚Reason Why', und mit Performance-Aktivitäten erzielen wir die Hard KPIs. Ich nenne das immer launig die ‚Heilige Dreifaltigkeit des Online-Business'. Jeder Teil baut aufeinander auf und muss für sich betrachtet werden. Ohne Bekanntheit beschäftigt sich niemand mit meinen Inhalten; ohne ansprechenden Content gebe ich niemandem einen Grund, mit meiner Marke zu interagieren.
Bei der aktuellen Kampagne ging es darum, relevante Inhalte rund um eine Brand mit viel Geschichte und vielen Themenbereichen zu liefern. Inhalte, die aber auf die Interessen und Interaktionen der User angepasst sind und nicht nur starr das ausspielen, wo wir denken, dass es dem User zusagt.
medianet: Was hebt diese Kampagne von der klassischen Automotive-Kampagne ab? Wo geht der Trend bei Automotive hin?
Schneider: Wie Lucas schon vorhin gesagt hat: Es geht darum, den Usern zuzuhören und ihnen Inhalte zu bieten, mit denen sie sich gern beschäftigen. Ob ein Konsument dazu bereit ist, mit etwas zu interagieren, hängt doch davon ab, wie sehr es ihn interessiert. Deshalb ist individualisierter Content sicherlich ein Thema, das bei High-Involvement-Produkten wie Autos künftig an Relevanz gewinnen wird.
Weiters bin ich überzeugt, dass Online – im Schulterschluss mit dem stationären Handel – künftig noch mehr als Vertriebsbooster agieren wird und mit gezielten Aktionen, wie unseren 50 Stück des Fiat 500, die wir beim Black Friday 2017 in 32 Sekunden verkauft haben, Teil des Verkaufserfolgs werden wird.
medianet: Wie hat da der Kreativprozess ausgesehen, wo waren die Herausforderungen, wer war an der Umsetzung beteiligt – und was waren die Learnings aus der Kampagne? Gab es dabei Überraschungen?
Schärf: Die Kampagne war auch für uns bei Content Garden etwas Besonderes, da wir für einen Zeitraum von etwa acht Wochen sehr eng und intensiv mit Christian und seinem Team zusammengearbeitet haben. Von der Entwicklung der Stories bis hin zur Kampagnenarchitektur – was passiert wann? – war das echtes Teamwork.
Die größte Herausforderung war es, die vielen Eventualitäten zu berücksichtigen. Wir haben in den zwei Handlungssträngen 80 verschiedene Varianten zur Jeep Range eingearbeitet und somit während der Kampagne personalisiert ausgespielt. Da muss man sich im Vorfeld ziemlich den Kopf zerbrechen (lacht).
Neben der Personalisierung der Story waren die Erkenntnisse, die wir daraus ziehen konnten, das wirklich Spannende an der Kampagne. FCA hat ganz eindeutige Rückschlüsse aus dem Userverhalten ableiten können, welche Farben und Ausstattungsvarianten gut bei den Lesern ankommen. Diese Interaktionen haben dann den Stein für nachgelagerte Marketing- und Verkaufsmaßnahmen innerhalb von FCA ins Rollen gebracht.
medianet: 80 individuelle Varianten statt der einen Geschichte – wie kontrolliert man da als Marke noch seine Botschaft?
Schneider: Im Fall von Jeep ist die Brand für sich die Geschichte. Wir hatten zwei Stories – eine mit Produkt-Fokus, die andere mit dem Fokus auf das ‚Abenteuer Alltag' –, die in real-time mutiert wurden – je nach getätigter Interaktion. Wer also länger auf einem Video, einer Slideshow oder einem Bild verweilt, das mehr Abenteuer oder mehr Daten über das Modell transportiert, bekommt mehr von diesen Inhalten gezeigt. Und darauf kommt es schlussendlich an – die richtige Botschaft zur richtigen Zeit für den jeweiligen User.
medianet: Dynamische Inhalte, datengestützte Ausspielung, individualisierte Story-Verläufe – das klingt nach einer komplexen Produktion. Wie hat Ihr Team das technisch gelöst, und welchen Einfluss hat die Verwendung von Daten auf das Storytelling?
Schärf: Stimmt, es ist komplex, macht aber auch Spaß, wenn man einen Kunden an seiner Seite hat, der nicht nur über Innovation spricht, sondern auch bereit ist, Neues umzusetzen.
Content Garden ist in seiner DNA ein Technologieunternehmen, wir haben acht Entwickler in unserem Team, die tagtäglich an Lösungen für Projekte unserer Kunden arbeiten. Aber auch unsere Content-Unit und das Kampagnen-Team haben eine große Affinität für Technik.
Wir haben zum Beispiel die agilen Arbeitsweisen aus der Tech-Unit in die anderen Abteilungen übernommen und sprechen demnach alle dieselbe Sprache. Das ist mitunter ein Erfolg von Content Garden, die Abteilungen arbeiten interdisziplinär und verstehen, was die anderen tun. Früher wussten die Redakteure noch, wie eine Druckerpresse technisch funktionierte, heute ist das Wissen über Technik bei vielen ins Hintertreffen geraten – aus meiner Sicht keine gute Entwicklung. Demnach haben wir hier sehr viel internes Know-how und Manpower, um auch komplexe Kampagnen umzusetzen. Außerdem haben wir im konkreten Fall mit Pagestrip kooperiert, einem Tool, mit dem man Content layouten und publizieren kann. Ich bin ein Freund des Ansatzes, bestehende Systeme intelligent zu verknüpfen. Man muss nicht immer alles selbst von Null bauen. (lacht)
Zum Thema Daten: Ja, die waren in diesem Projekt wirklich maßgeblich am Erfolg beteiligt. Vor allem die First-Party-Daten seitens FCA haben die Aussteuerung der Inhalte an vorab definierte Zielgruppen ideal unterstützt und die Streuverluste auf ein Minimum reduziert.
Wichtig ist mir trotzdem zu sagen: Es wird im Content-Bereich wahnsinnig viel über Daten philosophiert und nicht jede Diskussion ist falsch, aber am Ende des Tages muss die Geschichte, die wir erzählen, spannend für die Leser sein. Langweiliger Inhalt wird auch mit den besten Daten im Hintergrund nicht gern gelesen.