Individualismus ist wieder im Trend
© APA/AFP/Olivier Morin
MARKETING & MEDIA Redaktion 20.01.2023

Individualismus ist wieder im Trend

Der aktuelle Mintel Trend-Report skizziert Zukunftstrends, der Konsument rückt dabei in den Vordergrund.

••• Von Sascha Harold

Market Intelligence ist das Einsatzgebiet von Mintel. Bereits seit 1972 ist die Agentur in diesem Feld – mittlerweile global – tätig. In einem aktuellen Report untersucht Mintel die globalen Verbrauchertrends, die das kommende Jahr prägen werden. Insgesamt fünf Themenfelder hat die Agentur in der Studie herausgearbeitet.

Ich-Mentalität

Nachdem in den letzten Jahren, unter anderem auch aufgrund der Covid-19-Pandemie, die Gesellschaft im Vordergrund stand, könnte 2023 wieder eine Bewegung in die entgegengesetzte Richtung bringen. Simon Moriarty, Director Mintel Trends, EMEA, geht darauf ein: „In den letzten Jahren haben Verbraucher die Interessen der Gesellschaft vorne angestellt. Die öffentliche Gesundheit und Sicherheit kamen vor den eigenen Bedürfnissen. Jetzt verspüren viele den starken Wunsch, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren.”

Hier können Unternehmen ansetzen, denn, so Moriarty weiter: „Unternehmen können Verbraucher, die ihre Identität teilweise neu erfinden wollen, mit Angeboten unterstützen, die ihnen helfen, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und in anderen Bereichen Kompetenzen aufzubauen.” Stärkere Individualisierung ist damit das Gebot der Stunde. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch der virtuelle Raum – Stichwort: Metaverse.

Alle Macht den Menschen

Der zweite Trend, den Mintel in seinem Report identifiziert, hängt stark zusammen mit dem ersten. Unter dem Claim „Alle Macht den Menschen” ist der stärkere Fokus auf die Sicht des Verbrauchers gemeint. „Unternehmen müssen auf Vorstands-ebene Platz für ein neues Mitglied machen: den Verbraucher. Mit ihrem Geld und ihrer Stimme haben Verbraucher enormen Einfluss auf Unternehmen”, so Moriarty.

Das gehe über die Erkenntnis, dass der Kunde immer recht habe, weit hinaus, so der Trendforscher weiter: „Unternehmen müssen deswegen Modelle erschaffen, in denen Verbraucher in Unternehmen investieren und so den Wandel aktiv mitgestalten können.” Ein Beispiel dafür sei unter anderem der Einsatz von NFTs (Non-Fungible Tokens) oder von Web3-Communities. Die wachsende Bedeutung des Influencer Marketings ist ebenfalls ein Signal für das stärkere Bewusstsein der Verbraucher. Laut Mintel-Report geben 20% der deutschen Social Media-Nutzer (Basis: 1.765 Personen) an, Vollzeit-Influencern zu folgen – Unternehmensführern folgen dagegen nur fünf Prozent.

Die große Erschöpfung

Krisenstimmung – mit diesem Wort konnte man die letzten Jahre betiteln. Pandemie, Krieg und zuletzt die gestiegenen Preise haben ihren Spuren hinterlassen, darauf sollten Unternehmen vorbereitet sein. Moriarty fasst die Erkenntnisse aus dem Mintel-Report so zusammen: „Wenn sie wieder im Einklang mit ihrer Umgebung, ihrer Gemeinschaft und sich selbst sind, werden Verbraucher Trost und ein neues Gefühl der Sinnhaftigkeit finden. Gemeinnützige Initiativen und gemeinschaftsbasierte Projekte, die auch aus Unternehmenskooperationen hervorgehen, können dieser permanenten Erschöpfung entgegenwirken.”

Technologie spielt in diesem Zusammenhang eine ambivalente Rolle. Einerseits hat die Pandemie die Rolle digitaler Kommunikation noch weiter gesteigert, andererseits sehnen sich viele Menschen nach Entschleunigung, die sich auch dediziert gegen mehr Zeit vor dem Bildschirm richtet. „In den nächsten fünf Jahren werden Unternehmen gewisse Grenzen setzen und Ordnung in die Flut an Informationen und Initiativen bringen müssen”, so Moriarty, denn nur so lasse sich eine gesunde Beziehung zwischen Verbrauchern und den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen in den Bereichen Technologie, Wellness und Freizeit aufbauen.

Internationaler Regionalismus

Weil Verbraucher in den letzten Jahren stärker bewusst konsumieren, spielen regionale Angebote und Produkte eine immer größere Rolle. Die größer gewordene Unsicherheit in Bezug auf die Zukunftserwartung stärkt diesen Trend noch. Moriarty: „Wir leben in unsicheren Zeiten. Umso mehr werden wir uns darauf konzentrieren, unsere lokalen Ressourcen zu schützen und Unternehmen vor Ort zu unterstützen – ein Überbleibsel der Pandemie, aber auch ein Ausdruck dafür, dass sich die Einstellung des Verbrauchers geändert hat. Durch den Kauf vor Ort schützen Verbraucher sich auf eine Art und Weise selbst, in finanzieller, ökologischer und psychologischer Hinsicht.” Gleichzeitig, so der Director of Trends weiter, hätten Verbraucher so das Gefühl, etwas zurückzugeben.

In den nächsten beiden Jahren, prognostiziert der Mintel-Report, werde sich die geopolitische und finanzielle Lage nicht entspannen. Damit spielt auch die Beziehung zum lokalen Umfeld weiterhin eine große Rolle. Das sollten sich Unternehmen zunutze machen, Regionalität stärker forcieren und dabei gleichzeitig auf Transparenz setzen. Denn, so Moriarty: „In den nächsten fünf Jahren werden Verbraucher von Unternehmen fordern, dass sie eine Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe ermöglichen und transparent damit umgehen, wie sie lokale Ressourcen schonen.”

Bewusster Konsum

Eng mit dem Thema in Verbindung steht auch der letzte Trend des Mintel-Reports. Bewusster Konsum, der auf Faktoren wie Langlebigkeit und Nachhaltigkeit achtet, wird in den kommenden Jahren eine zunehmend wichtige Rolle spielen. „Verbraucher setzen sich stärker damit auseinander, welchen Wert bestimmte Dinge für sie haben und konsumieren darum bewusster. In der momentanen wirtschaftlichen Situation möchten Verbraucher kluge finanzielle Entscheidungen treffen, ohne ihre Lebensqualität einzuschränken”, führt Moriarty aus.

Die finanziell angespannte Situation einerseits und die zunehmende Dringlichkeit des Klimawandels andererseits sind derzeit die treibenden Kräfte dieser Entwicklung. Die Rolle des eigenen Konsums wird dabei ebenso zur Kenntnis genommen, wie der Beitrag von Unternehmen. „In den nächsten fünf Jahren werden Unternehmen entstehen, die ein klares Ziel verfolgen und mit Innovationen die langfristigen Herausforderungen angehen, vor denen die Industrie und die Gesellschaft auf der ganzen Welt stehen”, fasst Moriarty die Entwicklung abschließend zusammen.

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