Gastkommentar ••• Von Harry Bergmann
WIEN. „Wer hat’s erfunden?”, wird in der Ricola-Werbung gefragt. In Österreich stellt sich diese Frage schon lange nicht mehr, denn der Herr Bundeskanzler hat sie – zumindest im Zusammenhang mit Postenvergaben – höchstpersönlich vor einiger Zeit beantwortet. Er war es nicht.
Ausnahmsweise untertreibt er da ein bisschen, denn er und der Kreis rund um ihn hat es substanziell „verbessert”. Wenn man sich ansieht, welche Auswüchse der österreichischen Innenpolitik in den letzten Monaten ans Licht gekommen sind, kann man nur mehr den Kopf schütteln. Nur: Dadurch ändert sich leider nichts.
Jetzt geht es um die Vergabe des Kommunikations-Etats der Österreichischen Bundesregierung. Das ist Innenpolitik in Reinkultur. Vor allem bei einer Regierung, die den Machtgewinn und den Machterhalt zum überwiegenden Teil der Kommunikation überantwortet hat.
Geballte Fäuste
Ich habe das „Werbe-Radl” schon vor, gefühlt, sehr langer Zeit verlassen, um in einem anderen „Radl” glücklich zu werden. Daher sollte und kann ich auch nicht die konkrete Vergabe dieses Etats kommentieren oder gar beurteilen.
Was ich aber sagen kann, ist, dass alles, was ich über den Vergabemodus gehört habe (nicht, weil ich gefragt habe, sondern weil man einem Ex-Wettbewerber gefahrloser etwas erzählen kann), mir noch immer sehr bekannt vorkommt. Die Sieger freuen sich verhalten, so als würden sie sich selber wundern, gewonnen zu haben. (Weil wir gerade die „Euro” haben: Wenn man gegen seinen Ex-Klub ein Tor schießt, dann rutscht man auch nicht auf den Knien von der Mittellinie bis zum Corner-Fahndl.) Die Verlierer wissen alle, dass es sicher nicht an der Qualität ihrer Arbeit gelegen sein kann, dass sie den Kürzeren gezogen haben. Und so werden wieder einmal die Fäuste geballt – sicherheitshalber in der Hosentasche, denn auf Aufträge der öffentlichen Hand kann keine größere Agentur völlig verzichten.
Vergabesystem aufbrechen
Schuld daran ist weniger die öffentliche Hand, als die Werbebranche selbst. Ein Auftraggeber wird immer eine Präferenz haben, mit welchem Kommunikationspartner er zusammenarbeiten will und wenn er sich nicht ganz sicher ist, dann wird er eine Wettbewerbspräsentation machen lassen, aber seine Entscheidung wird dennoch subjektiv sein. Bei einer öffentlichen Ausschreibung wird diese „Subjektivität” so lange unter – vermeintlich – objektiven Maßstäben versteckt, dass immer ein Murks herauskommen muss.
Solange die Werbebranche und vor allem ihre zahnlosen Interessenvertreter nicht imstande sind, das Vergabesystem ein wenig aufzubrechen, wird der Auftraggeber so handeln. Und diese Regierung allemal.
Harry Bergmann war bis 2018 Geschäftsführer von Demner, Merlicek & Bergmann. Heute ist er Kolumnist, versuchter Schriftsteller und gerne auch noch Berater in Kommunikationsfragen.