„Investitionsbereitschaft kehrt wieder zurück”
© Katharina Schiffl
MARKETING & MEDIA Redaktion 14.02.2025

„Investitionsbereitschaft kehrt wieder zurück”

Trotz schwächelnder Wirtschaft steigen die Werbeausgaben. IAA-Präsident Sebastian Bayer erklärt, warum.

••• Von Dinko Fejzuli

Im europäischen Vergleich des Vertrauensindikators der EU-Kommission liegt die österreichische Werbekonjunktur über dem Durchschnitt. Sie ist laut dem aktuellen Wifo-Werbeklima-Index seit dem letzten Quartal um sieben Punkte gestiegen und liegt mit elf Punkten wieder deutlich im positiven Bereich. Dennoch bleibt die Stimmung in der österreichischen Werbewirtschaft abwartend und skeptisch.

Hinzu komme die „schlechte Industriekonjunktur und die hohe Unsicherheit, die sich auf die Kommunikations- und Medienbranche niederschlagen”, so Michael Mrazek, Obmann des Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation in der WKO, zu den Ergebnissen.
Doch welche Auswirkungen hat die aktuelle Wirtschaftslage auf die Kommunikations- und Werbebranche? Dazu bat ­medianet IAA Austrian Chapter-Präsident Sebastian Bayer, im Brotberuf CEO des House of Communication Wien, um einige Antworten.


medianet:
Herr Bayer, blickt man sich um, liest man von einer Insolvenz nach der anderen. Die Inflation ist gerade wieder im Begriff zu steigen, und wir wissen, dass die ersten Opfer von Einsparungen stets Kommunikationsmaßnahmen sind. Trotzdem ist der jüngste Wifo-Werbeklima-Index, der aktuell eine skeptische Stimmung in der Wirtschaft konstatiert, um sieben Punkte gestiegen. Wie deuten Sie als IAA-Präsident diese divergierenden Stimmungen?
Sebastian Bayer: Es ist unbestritten, dass wir uns momentan gesamtwirtschaftlich in einer herausfordernden Situation befinden, die teilweise auch strukturelle Ursachen hat. Das ist auch der Grund dafür, dass wir eine große Anzahl an Insolvenzen erleben und die Verunsicherung bei einigen Unternehmen zuletzt gestiegen ist. Dennoch ist nach einer Phase von Budgetkürzungen und -stopps zu bemerken, dass die Investitionsbereitschaft in vielen Unternehmen nach und nach wieder zurückkehrt.

medianet:
Woran liegt das?
Bayer: Das liegt vor allem daran, dass der digitale Reifegrad der Unternehmen während der letzten Jahre gestiegen ist und daher auch ein steigendes Bewusstsein für die Effektivität von Marketingausgaben entstanden ist. Datengetriebenere und damit effektivere Kommunikation, die Digitalisierung von Medienkanälen, wie z.B. DOOH, aber auch die sich schnell entwickelnden Möglichkeiten, die uns KI bietet, führten 2024 schon zu einem Anstieg der (digitalen) Werbeausgaben in Österreich.

medianet:
Zum Thema KI kommen wir noch; was noch spielt eine positiver Rolle?
Bayer: Werbe-Pusher sind unter anderen der Lebensmittelhandel, die Pharmabranche, Pkw-Hersteller und -Handel, Tourismus, Banken und Sparkassen und der Mobilitätsbereich gewesen. Dazu kommt sicher auch, dass vergangene Krisen gezeigt haben, dass ein längeres Zurückschrauben von Kommunikationsmaßnahmen einen umso teureren Rebound nach sich zieht und es daher günstiger ist, in schwierigen Phasen trotzdem durchzutauchen und die Budgets so weit wie möglich zu schützen.

medianet:
Ein Hauptgrund, der im Klima-Index für die eher skeptische Stimmung angeführt wird, ist die stagnierende Nachfrage. Wie könnte man aus Ihrer Sicht hier der Werbewirtschaft auf die Sprünge helfen?
Bayer: Datengetriebenere, effektivere Kommunikation ist aus meiner Sicht der zentrale Schlüssel zur zielgerichteten Ankurbelung der Nachfrage. Je höher die Relevanz der Kommunikation durch bessere Modelle wird, umso besser könne Kunden mit interessanten, zu ihren Interessen passenden Angeboten versorgt werden. Moderne, KI-basierte Kommunikationslösungen bieten ein riesiges Potenzial, abseits der großen Marken- und Awareness-Kommunikation, die sicher nach wie vor eine unbestrittene, gewisse Berechtigung hat. Dazu kommen aber Möglichkeiten personalisierter, hochrelevanter Kommunikation, die Menschen automatisiert besser erreichbar machen wird, als das in der Vergangenheit je denkbar war. Das Zusammenspiel aus Inspiration auf der großen Bühne (one to many) und konkreten, personalisierten Angeboten (one to one) wird aus meiner Sicht die Zukunft der Demand Creation sein.

medianet:
Innerhalb der IAA ist Ihnen die Nachwuchsarbeit ganz besonders wichtig. Interessanterweise führen nur zwei Prozent der Befragten an, dass der Arbeitskräftemangel ein Grund für die aktuelle Lage ist. Wie sieht es hier in der Kommunikationsbranche aus?
Bayer: Ich kann auf der einen Seite nachvollziehen, dass in der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage der Eindruck entstanden ist, dass der Mangel an Talenten im Moment nicht die größte Herausforderung darstellt, da viele Unternehmen eher über Kürzungen im Personalstand nachdenken als über Einstellungen – zumal es am Talentmarkt auch jüngst zu einer gewissen Belebung kam und wieder mehr Menschen auf Jobsuche sind.

Andererseits darf die kurzfristige Perspektive nicht unsere Bemühungen reduzieren, die besten Köpfe in die Kommunikationsbranche zu bringen und hier zu halten. In die Zukunft gedacht, sind die herausragenden Talente, die sich in unserer Branche finden und in Zukunft finden werden, der größte Schatz, den wir haben.


medianet:
Welche Rolle spielt der ‚Faktor Mensch' in der Arbeitswelt generell künftig?
Bayer: Mit einem zunehmenden Grad an Automatisierung wird es entscheidend sein, voraus- und über den Tellerrand hinausdenkende Menschen in unseren Unternehmen zu haben. Menschen, die Zusammenhänge erkennen, komplexe Probleme lösen und die Bedürfnisse der Kunden und Endkundinnen und Kunden verstehen und bedienen können. Die Kommunikationsbranche ist nur so gut wie die Talente, die sich für unsere Branche begeistern und ihr ihren Stempel aufdrücken wollen.

medianet:
Sie selbst sind neben Ihrer Funktion in der IAA auch Werber und führen eine der größte heimischen Agentur-Gruppen des Landes. Wie ist Ihre persönlich-berufliche Erfahrung aktuell? Wie ist die Auftragslage in der Branche?
Bayer: Mein persönlicher Eindruck im House of Communication ist, dass wir gerade in einem sehr lebendigen Umfeld agieren. Viele unserer Kunden stellen sich gerade Fragen der Integration und Vereinfachung ihrer Marketinglandschaft. Wie stelle ich mich am besten für die Aufgaben und Herausforderungen der Zukunft auf? Wie kann ich Komplexität aus meiner mittlerweile sehr unübersichtlich gewordenen Kommunikationswelt herausnehmen? Wie kann ich Schnittstellen reduzieren, um mich wieder mehr auf den Aufbau und die Pflege meiner Marke zu konzentrieren und muss mich so weniger um die täglichen Abstimmungs- und Koordinationsaufgaben rund um meine laufende Kommunikation kümmern?

medianet:
Und last but not least – welche Rolle könnte hier der Einsatz von AI spielen?
Bayer: Das ist sicherlich jene Frage, die die Marketingwelt zurzeit am meisten beschäftigt, wie auch unser jüngst durchgeführtes CMO-Barometer zeigt, nämlich: Welche Möglichkeiten bietet KI, was davon ist heute schon möglich und auch ausreichend erprobt, welche Effizienzgewinne lassen sich damit erzielen? Demzufolge ist die Frage nach der Auftragslage in der Branche sehr individuell zu beantworten.

medianet:
Nämlich …
Bayer: Natürlich gibt es noch die klassische Ausschreibung zur Leadkampagne – das wird aber spürbar weniger und die Fragestellungen werden zunehmend komplex. Das ist Herausforderung und Chance zugleich, weil es den Agenturen die Möglichkeit gibt, wieder mehr Raum bei ihrem Kunden zu greifen, auf der anderen Seite erhöht es natürlich auch den Anspruch an die Agenturen.

Diese Entwicklung bringt mit sich, dass die Grenzen zwischen Kommunikation und Consulting zunehmend verschwimmen und sich im Feld Customer Experience und Commerce überschneiden. Haben sich viele in der Vergangenheit darüber beschwert, als Agentur von einem der wichtigsten Partner seiner Kunden zum Lieferanten degradiert worden zu sein, besteht jetzt auch wieder vermehrt die Möglichkeit, bildlich dieser wichtige, umfassende Partner seiner Kunden zu sein, der wieder den Haupteingang und nicht nur den Lieferanteneingang benutzen darf.


medianet:
Österreich liegt lt. Index im europäischen Vergleich über dem Durchschnitt der Werbekonjunktur. Wie sehen Sie hier die Chancen und Herausforderungen für die österreichische Werbewirtschaft im Vergleich zu anderen europäischen Ländern?
Bayer: In Österreich hat Werbung eine lange und etablierte Position in der Wirtschaft und in der Gesellschaft. Jüngere Generationen stehen Werbung auch bei Weitem nicht so skeptisch gegenüber, wie man vielleicht vermuten würde. Eine spannende Zahl zu dieser Frage: Der österreichische Werberat hat in seiner jüngsten Erhebung zur Zustimmung zu Werbung in der Gesellschaft einen historischen Höchstwert gemessen – „Mit 70 Prozent der Befragten, die bestätigen, dass die Wirtschaft ohne Werbung nicht funktionieren würde, sehen wir einen Anstieg von 14 Prozentpunkten im Vergleich zu 2015. Diese Zahlen sind ein starkes Signal für die wachsende Anerkennung von Werbung als unverzichtbarer Teil unserer Wirtschaftsstruktur.” Das ist sicher ein positiver Motor und ein Ansporn, diese große Akzeptanz mit herausragender Werbung und Kommunikation zu belohnen und viele Menschen mit relevanten und spannenden Geschichten zu begeistern.

medianet:
Unabhängig davon, wer Österreich künftig politisch führt – welche Reformen in der Medien- bzw. Kommunikationspolitik und bei den Regulierungen des Werbemarkts halten Sie für notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Werbewirtschaft zu fördern?
Bayer: Als IAA haben wir uns zu dieser Frage in ein Positionspapier eingebracht, das von unterschiedlichsten Verbänden gemeinsam erstellt und der Politik präsentiert wurde. Hier die Eckpunkte dieses Positionspapiers.

Dazu gehören: Stärkung des heimischen Medien- und Kommunikationsstandorts, kommerzielle Kommunikationsfreiheit schützen – keine weiteren gesetzlichen Werbeverbote und Werbebeschränkungen, Förderung österreichischen Contents und heimischer Programminhalte durch eine moderne Medienfinanzierung gewährleisten.
Eckpunkte einer zukünftigen österreichischen Medienpolitik zur Stärkung der Demokratie und von Pluralismus: Wir brauchen einen unabhängigen ORF und ein funktionierendes duales Rundfunksystem, wir brauchen österreichische Qualitätsmedien mit professionellen Redaktionen, die ausreichend gefördert werden, Soziale Medien müssen reguliert und kontrolliert werden, insbesondere im Hinblick auf gesellschaftliche Polarisierung und ‚Hate Speech'.

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