Keine Extrawürste beim Urheberrecht
© ORF/Thomas Ramstorfer
Franz Medwenitsch.
MARKETING & MEDIA Redaktion 16.10.2020

Keine Extrawürste beim Urheberrecht

Allianz Zukunft Kreativwirtschaft plädiert für die Umsetzung der EU-Richtlinie ohne österreich-spezifische Verschärfungen.

••• Von Britta Biron

Seit mehr als einem halben Jahr dreht sich (fast) alles um Corona. Zu den wichtigen Themen, die durch das Virus in den Hintergrund gedrängt wurden, zählt die Reform des Urheberrechts. Bis 7. Juni 2021 muss die im März des Vorjahres nach langen und zähen Verhandlungen beschlossene EU-Copyright-Richtlinie in den nationalen Gesetzen der Mitgliedsstaaten verankert werden.

medianet hat Vertreter der neu gegründeten Allianz Zukunft Kreativwirtschaft, in der sich Film-, Musik-, Kino-, Buch-, Verlags- und Medienwirtschaft, die Telekommunikationsunternehmen, der ORF sowie der Verband Österreichischer Privatsender zusammengeschlossen haben, zu den besonderen Herausforderungen und möglichen Problemen im Zuge dieses Pozesses befragt.


medianet: Warum braucht es diese Allianz und welche Ziele verfolgt sie?
Franz Medwenitsch (Verband der österreichischen Musikwirtschaft): Es geht um die Zukunft des Kreativstandorts Österreich und deshalb ziehen auch alle betroffenen Bereiche an einem Strang. Diese Richtlinie wurde auf EU-Ebene intensiver als jede andere und bis ins kleinste Detail diskutiert. Vor allem der berühmte Artikel 17 betreffend die Haftung von Online Sharing-Services wie YouTube hat zu einer sehr intensiv geführten Diskussion geführt. Es hat wenig Sinn, über dieselben Themen mit denselben Argumenten auf nationaler Ebene neuerlich zu streiten. Die Richtlinie ist letztlich der Kompromiss, der auch im Interesse der EU-weiten Harmonisierung nun ohne weitere Verschärfungen und nationale Alleingänge umgesetzt werden sollte.

medianet:
Ist zu befürchten, dass es zu Unstimmigkeiten und Verteilungskämpfen kommen wird?
Thomas Wallentin (Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien): Vermutlich ja. Eine Verwertungsgesellschaft ist mit eigenen Vorschlägen zum Urhebervertragsrecht bereits vorgeprescht und hat sich aus den Rechtsnormen verschiedener Länder ihr persönliches ‚Best-of' zusammengestellt. Diese Vorstellungen gehen aber nicht nur weit über die Richtlinie hinaus, sondern berücksichtigen vor allem auch das strukturell und wirtschaftlich historisch gewachsene, völlig unterschiedliche Umfeld auf den verschiedenen Ebenen des Kreativschaffens in diesen anderen Ländern in keiner Weise.

medianet:
Wie steht der ORF als größter Content-Produzent des Landes da?
Martina Jonas (ORF-Rechtsabteilung): Der ORF muss ein verlässlicher Partner der Kreativen bleiben können. Daher dürfen Forderungen, die die Planbarkeit, Rechtssicherheit und Verwertung von Produktionen erschweren, keinen Eingang in das Urhebervertragsrecht finden. Es muss weiterhin möglich sein, Pauschalabgeltungen zu vereinbaren oder Verträge über längere Laufzeiten abzuschließen zu können.

medianet:
Was sind die Punkte der Reform, die aus Sicht der Kreativwirtschaft besonders wichtig sind?
Corinna Drumm (Verband Österreichischer Privatsender): Das Urhebervertragsrecht sollte die im heutigen Gesetz verankerte Balance und den Interessenausgleich zwischen Kreativen und der Kreativwirtschaft beibehalten und im Sinne der Richtlinie ergänzt werden. Wir sind gegen eine radikale Neufassung des Urhebervertragsrechts, wie das von einigen gefordert wird. Bei der Umsetzung sollte außerdem darauf geachtet werden, dass die zusätzlichen administrativen Pflichten für die Beteiligten gering gehalten werden. Denn die Kräfte der Kreativwirtschaft sollten sich auf die Schaffung von Inhalten konzentrieren können und nicht in der Administration untergehen.

medianet:
Die EU-Richtlinie lässt ja einigen Spielraum für die nationalen Umsetzungen. Gibt es von der Kreativwirtschaft oder den Urhebern Wünsche, die über das Mindestmaß hinausgehen? Wenn ja, welche?
Danny Krausz (Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien): Generell geht es uns um die Stärkung des kulturellen Ökosystems in Österreich gegenüber den Plattform-Giganten aus dem Silicon Valley. Wir wollen Rahmenbedingungen, die den Standort Österreich absichern und die Wettbewerbsfähigkeit der Kreativunternehmen stärken. Bei der Plattformhaftung, über die besonders intensiv diskutiert wurde, fordern wir eine Umsetzung möglichst nahe am Richtlinientext. Dieser beinhaltet den gefundenen Kompromiss und der sollte sich auch im österreichischen Urheberrecht wiederfinden – nicht mehr und nicht weniger.

medianet:
Stichwort Plattformhaftung bei Urheberrechtsverletzungen. Rechnen Sie damit, dass Uploadfilter, die ja als Zensurmaßnahme in der Kritik stehen, verwirklicht werden?
Monique Göschl (Verein für Anti-Piraterie der Film- und Videobranche): Dieser Emotionalisierung, die ja bewusst geschürt und gesteuert wurde, kann man nur mit Fakten begegnen. Wenn sich die Plattformen mit den Content-Inhabern an einen Tisch setzen und Lizenzen erwerben, brauchen sie gar keine Identifikationssoftware. Der Zensurvorwurf geht schon deshalb ins Leere, weil die Richtlinie den Userinnen und Usern ein eigenes Beschwerderecht gibt, sollten sie Inhalte nicht hochladen können. Diese Möglichkeit haben sie derzeit nicht.

medianet:
Die Mindeststandards bei Urheberverträgen sollen die Position der Urheber stärken. Wie sehen Sie das?
Markus Deutsch (Geschäftsführer des Fachverbands der Film-und Musikwirtschaft): Wir bekennen uns dazu, dass Kreative und Kunstschaffende fair bezahlt werden sollen. Das war in unserer Branche schon bisher so. Aber es muss sich auch für die Kulturproduzenten rechnen. Auch sie sollen einen fairen Unternehmerlohn kalkulieren können, denn sie tragen ja auch das wirtschaftliche Risiko und schaffen mit ihrem Engagement hochwertige Arbeitsplätze. Legal zustandegekommene und geschlossene Verträge sind einzuhalten. Nachträgliche Korrekturen, wie von manchen Urhebern gefordert wird, sind völlig systemwidrig. Vertragsfreiheit, Rechtssicherheit und die Möglichkeit, auf gesicherter Grundlage kalkulieren zu können, sind für uns unverzichtbar. Die Film- und Musikwirtschaft sichert durch die bestehenden Kollektivverträge ein hohes arbeits- und sozialrechtliches Niveau. Die Standards unserer Kollektivverträge sind nach dem Arbeitsverfassungsgesetz verbindlich. Dieses verlässliche Instrument der Sozialpartnerschaft sollte durch Quasi-Kollektivverträge nicht zum Nachteil der Kunstschaffenden gefährdet werden.
Karl Herzberger (Geschäftsführer Fachverband Buch-und Medienwirtschaft): Aus der Sicht der Verlage sollte in die bewährte Ausgewogenheit zwischen Autoren und Verlegern legistisch nicht eingegriffen werden. Weiters ist es wichtig, dass wirtschaftliche Notwendigkeiten für Verlage, wie beispielsweise die Planbarkeit und Kalkulierbarkeit, anerkannt werden; andernfalls besteht die Gefahr, dass die Bereitschaft, in neue und junge Autoren zu investieren, wohl zurückgehen wird. Und das würde die Kulturvielfalt belasten, was wir uns nicht wünschen. Deshalb sollten auch die Möglichkeiten, nachträglich in bestehende Vertragsverhältnisse eingreifen zu können, sehr einschränkend umgesetzt werden.

medianet:
Wie ist denn der aktuelle Stand der Umsetzung?
Philipp Graf (Geschäftsführer des Fachverbands der Telekom- und Rundfunkunternehmen): Das Justizministerium hat bereits erste Teilentwürfe zum neuen Gesetz vorgelegt. Auf die Entwürfe zu den konfliktbeladenen Themen warten wir noch gespannt. Das ist zum einen die Verantwortlichkeit der großen Internet-Plattformen und zum anderen das Urhebervertragsrecht. Unsere Mitglieder als Partner der Kreativwirtschaft benötigen Rechtssicherheit und Verlässlichkeit. Für die Praxis sind weiterhin die Produzentenschaft als One-Stop-Shop für alle Rechte und eine vertretbare Administrationsbelastung essenziell. Vor allem die neuen Transparenzregeln werden uns genug Herausforderung bieten, ohne dass es weiterer Belastungen durch Gold-Plating bedarf.

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