••• Von Dinko Fejzuli und Josephine Wolfram
Anlässlich der Studie „AI.AT.Media – AI and the Austrian Media Sector: Mapping the Landscape, Setting a Course”, die aus einer Zusammenarbeit zwischen Technologieministerium (BMK), Austria Presse Agentur (APA) und Joanneum Research entstanden ist, bat medianet die Leiterin des APA-medialab, Verena Kawarik, und den Abteilungsleiter im BMK, Michael Wiesmüller, zu einem Gespräch. Ein ersterEinblick in eine KI-orientierte Zukunft.
medianet: Frau Krawarik, wie kam es zu dieser Studie und was war das Hauptfeld, das Sie untersuchen wollten?
Verena Krawarik: Die Studie ist eigentlich eine Auftragsarbeit für das Technologieministerium. Als diese Dienstleistungsinitiative ausgeschrieben wurde, waren wir gerade intensiv mit dem Joanneum Research dabei zu überlegen, welche Dinge wir gemeinsam tun könnten. Wir haben diese Ausschreibung gewonnen und uns dann darangemacht. Das war natürlich alles coronatechnisch etwas schwierig. Wir haben ein umfassendes Konzept eingereicht, das keine klassische Studie in Form von Befragungen war, sondern eine Studie mit Community Building. Wir wollten wirklich Medienleute, Forschungsleute und Unternehmen zusammenbringen. Es entstand aus einem Side-Effekt, aber durchaus geplant. Deshalb wir auch zwei MediaLab Days veranstaltet, an denen wir in Workshops mit diesen drei Gruppen gesessen sind. Ein Erkenntnisinteresse vom Ministerium war es, zu erfahren, welchen Herausforderungen sich Medien künftig stellen müssen, weil es damals Überlegungen gab, das Thema KI umfassender zu fördern – auch vonseiten des Technologieministeriums. Wir hatten in der Studie auch einen Beirat, was nicht üblich ist. Dieser setzte sich zusammen aus der Kommunikationswissenschafterin Wiebke Loosen, dem Technolgieforscher Jochen L. Leidner und Technologie-Rechtsexperten Nikolaus Forgo, den auch viele Medienleute kennen. Er hat sich zu dieser Zeit mit Themen beschäftigt wie Digital Services Act und neuen EU-Richtlinien zum Thema KI.
Wir waren also sehr froh, dass wir Professor Forgo an Bord hatten, der uns ein bisschen gezeigt hat, wohin die Reise geht. Wir haben dann noch dem Ministerium empfohlen, eine Endnutzerbefragung zu machen, wie diese das Thema KI und Journalismus sehen. Aus all diesen Inputs haben wir dann Themen herausgefiltert, die relevant sind, zum Beispiel Content-Generierung, Werkzeuge, um regionalspezifisch arbeiten zu können, oder Personalisierung. Ein Punkt war zudem die Frage, wie eigentlich eine Alexa für Journalisten aussehen könnte, die deren Arbeit unterstützt.
medianet: Herr Wiesmüller, welche Motivation steckt hinter der Studie über Künstliche Intelligenz und Journalismus?
Michael Wiesmüller: Eine unserer Motivationen war es, ein Anwendungsgebiet für Künstliche Intelligenz in den Fokus zu nehmen, das auf den ersten Blick gar nicht als so naheliegend erscheinen mag, in Wahrheit aber eine sehr wesentliche Funktion für demokratiepolitische, soziale, gesellschaftliche oder auch geopolitische Fragen hat. Die digitale Transformation, die sich ja auch in den Medien vollzieht, ist natürlich besonders wichtig – nicht umsonst bezeichnet man den Sektor als Vierte Säule.
Und wir haben in den letzten Jahren gesehen – von den USA, über UK bis China –, welche Kollateralschäden durch unregulierte technische, algorithmische Manipulation von Informationen entstehen können, vor allem auch in Medienkontexten, sei es durch Deep Fakes, Fake News, Personalized Marketing, Social Media Bots et cetera. Die Idee der Studie ist entstanden, weil wir sehen wollten, wo wir damit in der Diskussion in Österreich stehen: Wie hoch ist die Awareness? Gibt es Tools, die bereits eingesetzt werden? Welche großen Diskussionen zu Verhaltensregeln gibt es?
medianet: Was waren die wesentlichen Hauptergebnisse, die Sie erhalten haben, vor allem zum Thema Journalismus?
Krawarik: Wir haben natürlich auch viele Fragen gestellt, die in die Richtung Berufsbild gegangen sind, zum Beispiel: Verändert sich etwas? Was müssen Journalistinnen und Journalisten in Zukunft vielleicht für neue Skills haben? Also da gab es die Beobachtung, dass so ein gewisses grundsätzliches Datenverständnis in Zukunft sehr wichtig werden wird, um auch mit diesen Technologien umgehen zu können.
Uns war wichtig, dass es auch zu einer Demokratisierung dieser Tools kommt – also, dass es nicht nur etwas ist, was die totalen Nerds und Data Scientists bedienen können, sondern tatsächlich auch Journalistinnen und Journalisten verstehen, nutzen und im Alltag damit arbeiten können. Nicht unbedingt im journalistischen Schreiben, sondern im Rahmen der ganzen Vorfeldthemen, die ja passieren müssen bei einer Recherche oder im Datenjournalismus. Da erschien es uns, dass es heute etwas ist, das in irgendwelchen spezialisierten Gruppen oder IT-Abteilungen geparkt ist.
Und das sollte sich in Zukunft ändern, aber dafür müssen vor allem jene Leute, die heute in Ausbildung sind, ein bisschen mehr lernen, was es für Einsatzmöglichkeiten gibt und was man machen kann. Wir haben im Zuge der Studie festgestellt, dass auch in den FHs schon sehr viel darüber nachgedacht wird und auch Programme im Entstehen sind, die Studierende besser ausstatten.
medianet: Die Studie liegt jetzt vor – was machen nun das Ministerium, Forschungseinrichtungen wie das Joanneum und was machen Unternehmen wie die APA damit?
Krawarik: Ein Learning bei diesen MediaLab Days war, dass eigentlich sehr viele gesagt haben, Kooperation sei wichtig, weil KI sehr oft sehr datenhungrig ist und wir vor allem in Österreich oft zu wenig Datensamples haben, um etwas Sinnvolles machen zu können. Deswegen haben wir dem Ministerium vorgeschlagen, einen Datenraum für Medien zu ermöglichen. Das ist etwas, wo wir als APA weitermachen wollen, um eine Plattform zu bieten, um KI-Themen in Österreich und Medien zu organisieren.
Das ist ein Thema. Dann bleiben wir natürlich an den Themen dran, an denen wir sowieso dran sind. Wir sind gerade dabei, die Kompetenz für Content Automation, die wir im journalistischen Bereich erworben haben, auf die gesamte APA-Gruppe auszuweiten und zu schauen, was es in den verschiedenen Geschäftsbereichen, wie der Medienbeobachtung, bringt. Es kommt hier also zu einem Kompetenztransfer. Die APA-Redaktion hat jüngst das Data and Graphics-Ressort aus der Taufe gehoben, das sich verstärkt diesen Themen widmen wird. Auf der anderen Seite sind wir in sehr vielen Projekten Projektpartner, wo es darum geht, auch im Sprachbereich mit Trainingsdaten zu unterstützen, um hier auch ein österreichisches Sprachmodell zu schaffen.
Ein Thema, mit dem wir uns momentan auch auseinandersetzen, ist das Thema KI und Bild. Diesen Bereich sehen wir uns nicht nur von der KI-Seite her an, sondern auch aus ethischen Perspektiven und Implikationen. Wir sehen darin eine Verantwortung in Richtung eines Code of Conduct, also mit welchen Prinzipien KI und Journalismus in Zukunft arbeiten wollen. Technisch möglich ist ja sehr viel, aus medienethischen Gründen sollte man aber nicht alles machen.
medianet: Welche Rolle übernimmt KI künftig im Journalismus und welche Rolle sollte beim Menschen bleiben?
Krawarik: Ein Punkt war auch, Red Lines zu identifizieren. Das eine ist natürlich, dass die Maschine nicht die Kontrolle übernimmt. Das ist nicht nur eine APA-Meinung, sondern wurde auch von vielen aus der österreichischen Medienszene erwähnt.
Wichtig ist auf jeden Fall für den Menschen, die Kontrolle zu behalten, und das Thema Transparenz, das auch von den Nutzern eingefordert wird. Die Nutzer sind sich bewusst, dass in ihrem Alltag etwas mitläuft. Deshalb ist es ein expliziter Wunsch der Nutzer, dass alles transparent läuft.
medianet: Gab es Dinge, die Sie überrascht haben in den Ergebnissen der Studie?
Krawarik: Was mich wirklich positiv überrascht hat, ist, dass der Kooperationswille so groß ist. Aber ich glaube, es ist tatsächlich dieser Not geschuldet, dass man als einzelnes Unternehmen nicht so weit kommt. Es ist nicht sinnvoll, dass jeder für sich alleine beginnt, etwas zu entwickeln. Und dann noch: Die Tools, die am Markt verfügbar sind, sind teilweise nicht so ausgereift, dass man sich 100 Prozent darauf verlassen kann.
medianet: Roboter-Journalismus, wie er bereits in den USA existiert, ist vielleicht etwas angstbehaftet besetzt. Haben Sie versucht, zu ergründen, wie die emotionale Einstellung der Menschen, Journalisten und Beteiligten dem gegenüber ist?
Krawarik: Wir haben nicht festgestellt, dass sich Journalistinnen und Journalisten in Österreich durch Content-Automatisierung bedroht fühlen. In Österreich ist dieses Feld nicht so weit verbreitet und angekommen. Die APA ist in diesem Feld bereits seit Längerem unterwegs und hat hier gute Erfahrungen gemacht und es gibt es auch viele Abnehmer. Einen breiteren Einsatz von Content-Automatisierung von österreichischen Medienhäusern konnten wir in der Studie aber nicht identifizieren.
Es hat auch ein wenig damit zu tun, dass manche der interviewten Medienmanager sagen, es passe nicht zu ihrer Marke.
Wir haben gesehen, dass es bereits viele Engines gibt wie GPT-3 von Open-AI. Die Engines können gute Texte schreiben. Sie sind aber nicht journalistisch relevant. Es reicht nicht aus, einfach einen Text zu schreiben. Journalistische Texte müssen einen Mix aus narrativ und deskriptiv beherrschen und Fakten betrachten. Da sind noch sehr viele Meilen zu gehen, die das journalistische Schreiben betreffen.